Martin Müller hat die Ärmel seines schicken hellblauen Hemdes halbhoch gekrempelt. Damit signalisiert er Einsatzbereitschaft, Zielstrebigkeit und den Willen, tatkräftig mitzuarbeiten. Manager lernen das auf Seminaren, sie möchten damit den berühmten Werbespruch eines Mineralölkonzerns mit Leben füllen und ihre Mitarbeiter motivieren: „Es gibt viel zu tun – packen wir es an.“ Mit jeder Faser spiegelt Martin Müller diese Bereitschaft wider: Ärmel hochkrempeln, loslegen, keine Zeit verlieren.

Als er am Dienstagabend einstimmig bei eigener Enthaltung zum Nachfolger des nicht mehr zur Verfügung stehenden Thomas Keck als Vorsitzender des Stadtsportverbandes gewählt wurde, bot er den Vertretern der Konstanzer Sportvereine im Foyer der Schänzlehalle gleich einen Vorgeschmack auf seine Interpretation dieses Ehrenamtes.
Sofort das Kommando übernommen
Sogleich übernahm er die Moderation und galoppierte stringent von einem Tagesordnungspunkt zum anderen, ohne dabei zu viele Worte zu verlieren – jedoch auch ohne zwingend vorgeschriebene Regularien aus den Augen zu verlieren. Stehenden Fußes hat er das Ruder an sich gerissen und das Kommando übernommen.
Martin Müller vergaß nicht, seinen Vorgänger, der mit lang anhaltendem Applaus verabschiedet wurde, in den höchsten Tönen zu loben: „Thomas hat immer diesen Antrieb und diese Motivation wie ein kleiner Junge“, sagte er. „Das ist das Schönste, was er mir mitgeben konnte. Wenn er mal umgeworfen wurde, ist er schnell wieder aufgestanden, hat sein Krönchen gerichtet und ist weitergegangen. Diese guten Geister möchte ich am Leben halten.“
Der 48-Jährige ist seit 40 Jahren Handballer mit Haut und Haaren – wobei er in drei Wochen seinen Posten als Vize-Präsident der HSG zur Verfügung stellen wird. „Ich habe bei der HSG sehr viel gelernt. Otto Eblen versucht immer, alle unter einen Hut zu bekommen. Wenn zwei oder drei dagegen sind, strebt er den Konsens mit denen an.“
Die Bedeutung gut ausgebildeter Trainer
Die professionellen Strukturen mit ausgebildeten Trainern auch und vor allem im Jugendbereich oder regelmäßige Fortbildungen haben Martin Müller nachhaltig beeindruckt und geprägt. „Wenn Zehnjährige falsch trainiert werden, kann man sehr viel kaputt machen bei ihnen.“
Nach seiner Karriere als Spieler wurde er schnell gefragt, ob er nicht als Funktionär bei der HSG einsteigen möchte. Den Verantwortlichen war das Talent des 197 Meter großen Modellathleten als Motivator und Organisator nicht verborgen geblieben. „Ich liebe es, Funktionär zu sein“, sagt er über sich. „Man kann etwas bewegen und bekommt Entscheidung frühzeitig mit und kann sie mit bewegen.“
Für ihn sei die neue Aufgabe eine absolute Ehre, sagt Martin Müller: „Denn der Sport hat eine extrem wichtige Aufgabe, da er über gesellschaftliche Strukturen hinweg integriert. Darin besteht eine riesige Chance“. Den Unterschied zur Kultur beschreibt er so: „Die Eingangshürden sind im Sport deutlich niedriger. Jedes Kind kann in den Sportverein gehen, jedes Kind kann aktiv sein. Unsere Aufgabe ist es, Kinder zum Sport zu bringen.“ In Familien ohne Bezug zum Sport und Vereinen solle das Kind mit leuchtenden Augen nach Hause kommen und sagen: Mama, ich will in den Sportverein.

Dabei fordert der zweifache Familienvater mit einer sechs- und einer zwölfjährigen Tochter: „Wir dürfen uns keinem Trend versperren. Ich zum Beispiel habe früher Tennis gespielt und ich kann heute mit Paddle-Tennis nichts anfangen. Na und? Wir müssen uns für so etwas öffnen.“ Fakt sei auch, dass die fetten Jahre vorbei seien, Hallenkapazitäten immer knapper werden und der Verteilungskampf längst begonnen habe. „Wir müssen der Stadt verdeutlichen, dass wir förderungsfähig sind. Es gilt auch bei mir der Grundsatz: Immer für die Sache, niemals für sich.“
Bereits als Zweiter Vorsitzender suchte Martin Müller den Kontakt zu den Konstanzer Vereinen und deren Mitgliedern. Das möchte er nun vertiefen. „Ich möchte nicht im Hinterzimmer sitzen und schaffen, sondern rausgehen, Menschen treffen und mit ihnen reden.“ Da es nach wie vor einige Vereine gebe, die selten bis gar nicht die Dienste des Verbandes in Anspruch nehmen würden, tüftelt er derzeit an einer besseren Kommunikation, um besser wahrgenommen zu werden. Die Erfahrungen seines Berufes als IT-, Logistik- und Einkauf-Experte einer großen Firma werden ihm dabei helfen.