Herr Osner, Berti Vogts hat mal gesagt: Wenn ich morgen übers Wasser laufe, heißt es: Der Vogts ist zu dumm, zu schwimmen. Fühlen Sie sich manchmal auch so?

Interessantes Zitat. Aber damit kann ich gerade nichts anfangen. Im Sommer 2018 hatte ich mir den mittlerweile berühmten Ausrutscher geleistet und meine paar grauen Haare kommen von dieser Zeit. Aber davor und danach gab es bei den großen Vorhaben im Dezernat immer breiten Konsens und klare, oft einstimmige Beschlüsse des Gemeinderats.

Zum Beispiel: Schulentwicklung, Kita-Ausbau, Neuaufstellung der Spitalstiftung, Gründung des Kulturamts und des Amts für Bildung und Sport, Schlichtung im Burkini-Streit und die Bürgerbeteiligungsprozesse in den großen Bauvorhaben. Das hat auch viel Kraft und Zeit gekostet. Diese Arbeit hat sich ausgezahlt und wird auch breit anerkannt.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Zitat zielte auch eher auf Ihre Stellung bei den Bürgern.

Ah, okay… Wenn man Everybody‘s Darling sein und es allen recht machen will, kommt man in der Sache selten weiter. Konrad Adenauer soll gesagt haben: „Machen Sie sich erst mal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen.“ In dieser unglaublich vielfältigen Stadtgesellschaft und in Verantwortung für dieses große Dezernat kann ich nicht allen Interessengruppen ständig und am besten noch gleichzeitig gefallen. Vielleicht kann ich mich ein paar Monate über einen unangenehmen Konflikt hinweg-retten, indem ich anstehende schmerzhafte Entscheidungen umschiffe.

Was kochen Sie am liebsten? Video: Hanser, Oliver

Aber wenn ich Probleme aussitze, die eigentlich in demokratischer Auseinandersetzung gelöst werden müssen, türmen die sich auf und brechen irgendwann über mir zusammen. Als Sozialbürgermeister benötigt man ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Erdung. Wenn man zu den großen Themen von vornherein keine eigene Position hat, kann man in dem Amt nicht bestehen.

Dann wird man zum Spielball der Interessengruppen – und erreicht am Ende nichts. Genau das habe ich zum Beispiel in den Jahren 2015 bis 2017 bei der Unterbringung der geflüchteten Menschen gelernt. Für diese Erfahrung bin ich sehr dankbar. Man muss Werte und Ziele haben, in öffentlichen Veranstaltungen hinstehen, Kritik aushalten, transparent kommunizieren, Verbündete sammeln und dann auch durchziehen. Ich bin ein Anhänger einer offenen Kommunikation. Das kommt aber nicht immer gut an.

Haben Sie noch ein Beispiel?

Wir hätten die Mädchenrealschule Zoffingen damals offenlassen können, bis irgendwann nur noch ein Dutzend Schülerinnen dort gewesen wären. Das wäre noch wenige Jahre irgendwie gut gegangen. Dann hätte das Kultusministerium die Stadt mit dem Hinweisverfahren unter Druck gesetzt. Manch einer hat mir geraten: „Lass es laufen. Das ist eine heilige Kuh, du machst dir nur Feinde. Die Schule erledigt sich von alleine.“

Aber wir hätten dadurch Riesenprobleme bekommen. Die ganze Schulentwicklung in Konstanz wäre blockiert gewesen. Neubauten (z.B. Oberstufe der GMS) und Erweiterungsbauten (z.B. an der Geschwister-Scholl-Schule) wären niemals vom Land gefördert worden. Denn das Auslaufen von Zoffingen war die zentrale Bedingung des Regierungspräsidiums.

Nebenbei: Es würde dort auch kein Pflegeheim entstehen, das wir dringend benötigen. Das war so eine typische Entscheidungslage, die sofort und unmittelbar auf Widerstand stieß, bis sich erst am langen Ende positive Ergebnisse einstellten. Macht keinen Spaß, aber ist nachhaltig im Sinne des Gemeinwohls.

Das könnte Sie auch interessieren

Mitte September beginnt das neue Schuljahr. Können Sie Schülern, Eltern und Lehrern Hoffnung machen, was die Problemfelder Digitalisierung oder Raummangel angeht?

Ich bin immer gut damit gefahren, Ziele zu benennen, aber keine Versprechungen abzugeben. Ich möchte nicht in die Spahn-Falle laufen. Wenn es am Ende doch nicht so läuft wie versprochen, wäre das unseriös. Die Zusammenarbeit mit den Schulen in der Alltagspraxis ist sehr gut. Das Amt für Bildung und Sport arbeitet eng mit den Schulleitungen zusammen.

Wir tun alles, damit wir zum Beispiel bei der Digitalisierung schneller weiterkommen. Das ist in mehreren Ausschüssen von meinen Kollegen dargestellt und diskutiert worden. Wir haben Stellen aufgestockt, wir haben erfolgreich Fördergelder eingeworben und ausgegeben, wir haben viele Endgeräte organisiert. Beschränkende Rahmenbedingungen zermürben dich da, wir können leider nicht zaubern. Ich kann versprechen, dass die Unterstützung durch unsere Fachverwaltung absolut unbürokratisch abläuft.

Die Pandemie hat es nicht leichter gemacht.

Die Pandemie ist nicht nur für die Bevölkerung ein extremer Stresstest, sondern auch für das Personal unserer Ämter. Gerade im Jugendamt, Amt für Bildung und Sport, in der Kultur sind die Kollegen wirklich sieben Tage die Woche am Start, und zwar rund um die Uhr, bis zum Anschlag. Der Workload hat sich durch Corona verdoppelt und die emotional-psychische Belastung macht mir große Sorgen, denn das sind auch nur Menschen.

Der Personalmangel ist ein realer Engpass, der unsere Wunsch-Geschwindigkeit auch begrenzt. Zudem bekommen wir Anrufe, Mails und Social-Media-Kommentare: „Was machen die da in der Verwaltung? Schlafen die den ganzen Tag?“ In der Realität ist es aber so, dass auch wir Familien und Kinder haben, die in die Kita und zur Schule gehen und die gerne bessere Rahmenbedingungen hätten. Wir können gut verstehen, dass es nicht schnell genug geht. Wir geben alles, aber ehrlich gesagt, wir können nicht zaubern.

Thema Sport. Die HSG ist aus der 2. Bundesliga abgestiegen. Wie groß ist der Verlust für die Stadt Konstanz?

Da habe ich zwei Gedanken. Einerseits ist das sehr schade und ich hätte mir für die HSG und die Stadt sehr gewünscht, dass die Mannschaft die Klasse erhält. Ich hatte ja früher als ehemaliger Turner mit Handball wenig zu tun. Aber über die Jahre wächst man zusammen. Ich war bei vielen HSG-Veranstaltungen und ich habe ein herzliches Verhältnis zur HSG.

Auf der anderen Seite glaube ich, dass der Abstieg den Verein auch entlasten kann. Die HSG wird überwiegend vom Ehrenamt getragen und hat familiäre Strukturen. Nicht vergleichbar mit den großen Handballhochburgen mit jahrzehntelanger Bundesliga-Geschichte. Dieser permanente Erwartungsdruck, das Hoffen auf Klassenerhalt und Bangen vorm Abstieg im ständigen Wechsel: eine schwere Last auf den Schultern der Aktiven – und dann noch die Pandemie. Davor habe ich Respekt und ich möchte mit denen nicht tauschen.

Das könnte Sie auch interessieren

Verantwortliche und Fans der HSG haben sich wenig wertgeschätzt gefühlt wegen der mangelnden Unterstützung.

Die städtische Unterstützung ist ja nicht weggefallen. Im Gegenteil: Wir von der Verwaltung wollten Ende 2020 die Corona-Akuthilfe auf 100.000 Euro setzen. Die ist dann leider auf 50.000 heruntergesetzt worden mit der Aussage: Wenn mehr gebraucht wird, kann mehr beantragt werden. Daraus hat sich im Gemeinderat eine emotional belastende Debatte entsponnen, wo leider einige ein gewisses Misstrauen zum Ausdruck brachten.

Vielen fällt schwer, zu akzeptieren, dass die HSG eine Sonderrolle spielt. Das ist nun mal so. Da brauchen wir nicht drum herumreden. Die HSG ist nicht irgendein Sportverein. Die HSG ist ein komplexes Gesamtpaket mit einer GmbH und dem Turnverein Konstanz, auf den ersten Blick nicht einfach zu durchschauen.

Was bedeutet die HSG für die Stadt?

Die HSG ist ein Riesengeschenk! Sportvereine sind hocheffiziente „Integrationsmaschinen“ in der Gesellschaft, das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Prof. Dr. Klaus-Peter Strohmeier, langjähriger Bildungs- und sozialpolitischer Berater der früheren rot-grünen Landesregierung in NRW, sagt: „Gerade für benachteiligte Kinder ist Mannschaftssport extrem wichtig.“ Daher ist die HSG in ihrer Vielfalt wichtig für die Bildungslandschaft, das gesunde Aufwachsen, die Integration, das Miteinander und nicht zuletzt für die Identifikation der Bevölkerung mit „ihrer“ Stadt.

Das alles zusammen bezeichne ich als soziales Kapital oder anders gesagt, als den Kitt im sozialen Zusammenhalt. Daher möchte eindringlich um Verständnis werben, dass auch große, manchmal dominante Sportvereine wichtige Bausteine unserer sozialen Infrastruktur sind. So ein Angebot fällt aber nicht einfach vom Himmel. Da steckt massiv Herzblut, ehrenamtliche Arbeit und auch privates Geld hinter. Dieses bürgerschaftliche Engagement sollten wir anerkennen, respektieren und unseren Teil dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit funktioniert – zum Vorteil der gesamten Gesellschaft.

Das könnte Sie auch interessieren

Und doch kam es zu einem kleinen Eklat zwischen Teilen des Gemeinderats und den HSG-Verantwortlichen.

Richtig. Im Dezember ist dann die Stimmung gekippt, es gab eine Prüfung, die erstmal rein sachlich völlig in Ordnung war. Es wurde klar und transparent dargelegt, dass die HSG korrekt organisiert ist und alles gut strukturiert abarbeitet. Was die HSG-Verantwortlichen aber verletzt, ja gekränkt hat, war die Vorgeschichte. Über 50 Prozent der Debatte wurde durch den Tonfall geprägt und weniger durch ihren Inhalt.

Ich plädiere für Respekt und Anerkennung des Ehrenamtes, auch im Spitzensport, auch in semi-professionellen Strukturen. Deren Motivation ist nicht Geld oder Gehalt. Unsere Währung, also was wir zurückgeben können, ist Wertschätzung. Man muss sich nicht liebhaben. Ich will aber gerne dazu beitragen, dass wir das Verhältnis zwischen Teilen des Gemeinderats und der HSG wieder kitten.

Thema Breitensport. Nicht erst Corona hat offen gelegt, dass die Hallensituation nicht befriedigend ist. Der nächste Herbst und der nächste Winter kommen bestimmt…

Wir verlieren aktuell mehrere Sporthallen, das ist bitter. Aber zaubern können wir auch hier nicht. Zur Einordnung: Dass durch den Landkreis ein großes Berufsschulzentrum an der Pestalozzistraße für gut 90 Mio. Euro neu gebaut wird, war unser Wunsch und ist absolut im Interesse der Stadt Konstanz. Leider ist eine Konsequenz, dass dafür der alte Bestand abgerissen werden muss. Wir müssen also einige Zeit auf die Zeppelin-Sporthalle verzichten.

Was machen Sie in den Sommerferien? Video: Hanser, Oliver

Genauso ist es mit dem Telekom-Areal, wo aus dem leerstehenden Hochkant-Schuhkarton nun anspruchsvolle Wohnungen entstehen. Auch das ist im Interesse der Stadtentwicklung. Dafür muss in ein paar Jahren leider die Sporthalle auf dem Parkdeck weichen – auch wenn die Bude nicht weniger hässlich und veraltet ist: Es fällt eine weitere Halle weg.

Die Diskussion, wann und wo eine neue Sporthalle beim Suso-Gymnasium hinkommt, existiert seit langem. Die Entscheidung darüber ist mehrfach verschoben worden. Jetzt haben wir mit Unterstützung des Gemeinderats das Thema endlich mit Hochdruck aufgegriffen und bauen dort eine neue Dreifeldsporthalle. Das ist der klare Wille des Gemeinderats. Die eingehende Beratung darüber hatten wir am 7. Juli im Sportausschuss. Leider wächst das Gras nicht schneller, wenn man dran zieht. Dann bricht es ab.

Herr Osner, sind Sie manchmal zu ehrlich?

Das ist eine meiner großen Schwächen. Ich kann mich leider schlecht verstellen, auch wenn ich mir das oft wünschte. Viele in dem Business können Probleme weglächeln und geschmeidig drum herumreden, mir fällt das schwer. Ich habe kein Pokerface. Damit habe ich mich mittlerweile abgefunden, da das wohl zu meiner Natur gehört.

Das könnte Sie auch interessieren