Herr Osner, welche Schulnote würden Sie sich für Ihre erste Amtszeit geben?
Lassen Sie mich kurz überlegen. Ich würde mir die Schulnote 2 geben.
Gab es irgendetwas, was Sie heute bedauern?
Ich bedaure die Medienanalyse zum Stück „Mein Kampf“ am Theater. Das war eine politische Dummheit, die ich so nicht wieder begehen würde. Ansonsten passieren mir natürlich auch im Alltag Fehler. Aber fehlerfrei kommt nur der durchs Leben, der nichts schafft. Doch die Medienanalyse hat mir sicher am meisten geschadet.
Vermissen Sie eigentlich den ehemaligen Intendanten Christoph Nix? Ihre Scharmützel miteinander hatten hohen Unterhaltungswert.
Nein, nicht wirklich. Aber wir hatten schon auch Spaß miteinander; es gab halt gute und schlechte Zeiten.
Was sagen Sie zu seiner Nachfolgerin Karin Becker?
Es ist hart, dass sie mitten in einer Pandemie anfangen musste. Sie ist eine super Intendantin. Künstlerisch vermag ich das nicht zu beurteilen, das steht mir nicht zu. Aber ich nehme wahr, dass sie einen anderen Stil ins Theater getragen hat. Sie pflegt den Teamgedanken ausdrücklich und spricht vom „Team Becker“. Die bisherigen drei Aufführungen, die ich sehen durfte, fand ich klasse.
Blicken wir auf die Philharmonie. Auch hier ist eine immer noch recht frische Intendantin am Werk. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Künstlerisch ist es hier wie beim Theater: Ich genieße die Konzerte unseres Orchesters, wann immer ich kann, und habe die Musik im Lockdown total vermisst. Aber musikalisch-fachlich zu bewerten, welches Programm es zukünftig sein sollte, fällt mir schon schwer – und das ist gottseidank nicht mein Job. Dennoch treiben uns gemeinsam Fragen um, wie: Welches Konzertprogramm hat dem Publikum gefallen, welches nicht? Und ob sich deswegen die Abo-Zahlen verändern. Diese Fragen sind leider schwer zu beantworten, weil es keine eindeutigen Zusammenhänge gibt.
Und was sagen Sie zu Insa Pijanka?
Insgesamt meine ich, dass Frau Pijanka mittlerweile richtig gut angekommen ist. Leider gab es anfangs Gerüchte und Berichte, die eine junge, frisch angekommene Intendantin ganz schön ins Schleudern bringen können. Aber sie hat das alles gut gemeistert. Gerade im Geschäftsbereich Kultur, der ja inhaltlich ganz anders tickt als der Geschäftsbereich Soziales, sehe ich meine Rolle eher als Begleiter und Ermöglicher. Es geht schlicht darum, gute Rahmenbedingungen für die Führungskräfte und die Teams zu schaffen, damit alle gut arbeiten können. Und ich bin sehr froh, dass der Klangkörper hinter Insa Pijanka steht und das auch so äußert.
Konstanz ist seit Beginn Ihrer ersten Amtszeit auf den Führungsebenen weiblicher geworden. Mit ihrer Wiederwahl wurde verhindert, dass auch auf Bürgermeisterebene die Weiblichkeit Einzug hält…
Das ist eine Frage, die unter dem Oberbegriff „Identitätspolitik“ kontrovers diskutiert wird. Ich bin für Chancengleichheit und Gleichberechtigung – und auch für eine gendergerechtere Sprache. Allerdings finde ich, dass meine Herkunft oder mein Geschlecht nicht per se, und erst recht nicht in der oft anzutreffenden Absolutheit ein Urteil darüber erlauben darf, was ich als Führungskraft, als Arbeiter oder als Wissenschaftlerin konkret bewirken kann. Kommt es nicht vielmehr auf die Haltung, Erfahrungen und Kompetenzen an?
Dennoch herrscht auch bei uns in der Verwaltung ein Ungleichgewicht, und zwar nicht nur auf der Führungsebene. Ich möchte in meiner Position gerne meinen Teil dazu beizutragen, das zu ändern. In meiner letzten Amtszeit sind im Dezernat elf Führungspositionen neu besetzt worden. Davon sind unter meiner Leitung fünf Frauen Amtsleiterin geworden und ein weiterer Amtsleiter ist Afrikaner. Das ist ein konkreter Schritt in Richtung Diversität.
Doch an der Spitze sind sie als Mann.
Ich will mein eigenes Geschlecht weder leugnen noch ändern. Aber: Auch Männer können sensibel! Ich habe die letzten acht Jahre meinen Sohn großgezogen. Als Alleinerziehender war ich Vater und Mutter gleichzeitig, das heißt: Nach langen Arbeitstagen mit ständigen Sitzungs-Spätschichten mit ihm auf der Couch lümmeln, Serien fernschauen, Chips knuspern, kraulen, bis in die Nacht zuhören und quatschen. Die wenige Zeit, die ich hatte, habe ich mit ihm verbracht – und ich bin stolz darauf. Jetzt ist er 20 und studiert Luft- und Raumfahrttechnik in Aachen. Er ist ein Eins-A-Student und hat dort einen tollen Start hingelegt.
Ist denn der Umgangston angenehmer geworden durch die Frauen?
Unser interner Umgangston hat nichts mit der Geschlechterquote zu tun, sondern mit den individuellen Charakteren. Unser Betriebsklima ist in den letzten Jahren noch etwas besser geworden, weil auch die „Neuen“ schon einige Zeit an Bord sind und wir uns im täglichen Zusammenspiel gut gefunden haben – wie eine Fußballmannschaft. Zwischen meinen Kollegen und mir ist eine Menge Zusammenhalt entstanden.
Ein Beispiel: Meine Führungskräfte haben in 2018 zusammengelegt und mir zu meinem 50sten eine gemeinsame Motorradtour geschenkt. Statt einer teuren Kiste Wein haben sie mir für ein Wochenende eine 1.200er Harley organisiert. Danach gab‘s noch eine Sause mit den anderen Amtsleitungen, da wir ja nur vier Biker im Dezernat II sind. Das ist doch ein Zeichen, dass man sich gut versteht.
Wo kann der Mensch Andreas Osner entspannen?
Wegen Corona hatte ich in 2020 tatsächlich auch mal freie Wochenenden, da alle repräsentativen Termine weggefallen sind. Das war für mich total neu! Trotz deutlich mehr Stress (die Pandemie-Belastung der Ämter trifft ja auch uns Dezernenten) musste ich nicht mehr so viele Häppchen essen und konnte plötzlich mehr Sport machen. Für die nächste Amtszeit habe ich mir vorgenommen, stärker auf meine Gesundheit zu achten – und auch diese wunderbare Stadt noch mehr zu genießen.
Wie balanciert ist Ihr Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben aus?
In den vergangenen Jahren habe ich wenig Rücksicht auf meinen Körper genommen. Ich habe immer alles gegeben, sozusagen permanent Vollgas: Samstags und Sonntags Empfänge und Repräsentation, danach ins Büro. Ich habe zig Sitzungsvorlagen weit nach Mitternacht hier im Rathaus finalisiert. Ich mag dieses Amt und werde weiterhin alles geben, sonst macht es auch keinen Spaß. Man darf sich aber nie allein über den Job definieren. Daher ist mir mein Privatleben genauso wichtig. Das gibt Kraft und macht unabhängig.
Entspannen kann ich mit meiner Familie. Ich habe eine tolle Lebensgefährtin und zwei tolle Söhne, auf die ich megastolz bin. Das andere ist der Sport. Meine Lebensgefährtin hat mich zum Halbmarathonverführt. Läuft gut. Und ich langsam kriege ich Schwimmhäute, drei Kilometer Kraulen im Freibad in 1:06 h ist der aktuelle Schnitt. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich das gern öfter praktizieren.
Wen Sie drei Wünsche für die zweite Amtszeit hätten – wie würden die aussehen?
Nur drei? Zwischen Gemeinderat und Verwaltung: Mehr sachorientiertes Miteinander und ein entspanntes, vor allem wieder vertrauensvolleres Verhältnis, und weniger symbolträchtige, rein ideologische Grabenkämpfe. Wenn möglich, möchte ich hierzu gerne beitragen. Zweitens: Dass die Kollegialität und das Miteinander in meinem Dezernat uns lange erhalten bleibt. Drittens: In den Haushaltsverhandlungen wünsche ich mir ein gutes Miteinander, also sachliche, nicht ideologische Beratungen. Weil die Finanzkonkurrenz sich dramatisch verschärfen wird und wir vielen Bedürfnissen in der Stadt gerecht werden müssen. Aber auch das geht nur gemeinsam: Alle zusammen und nicht zwei Blöcke gegeneinander. Sonst verlieren am Ende alle.