Ari Rasilainen, scheidender Chefdirigent der Südwestdeutschen Philharmonie, wird den Konstanzern unvergessen bleiben. Die Frage ist nur warum. Ob man am Bodensee in zehn Jahren wohl noch schwärmen wird von tiefem Werkverständnis und dynamischem Dirigat? In der Art: „Wisst ihr, noch wie er in der Jupitersinfonie, Takt 52, so energisch das Tempo anzog?“
Wahrscheinlicher ist, dass sein Nachruhm in einem anderen Sachverhalt gründet: Rasilainen, das war doch diese beleidigte Leberwurst, die ein Jahr lang auf Jammer-Tournee ging! Alle sollten erfahren, wie beispiellos niederträchtig, fürchterlich man mit ihr umgesprungen ist.

Ende Juni zum Beispiel ließ der Finne auf der Mainau sein betreten schweigendes Publikum wissen, in seiner Heimat sei es ja nicht üblich, „so viel Scheiße“ zu reden wie in unseren Breitengraden. Vielmehr stehe „Ehrlichkeit“ an erster Stelle, und zu der gehöre, dass der Umgang mit ihm „nicht sauber“ gewesen sei. „Meine wichtigsten Partner waren diese Orchestermusiker hier“, rief er pathetisch. Und seine Reise mit ihnen sei doch eigentlich längst noch nicht zu Ende!
Wutbürger am Pult
Den ersten Zornesausbruch dieser Art hatte er uns vor mehr als einem Jahr in den Reporterblock diktiert. Seither hat der Wutbürger am Pult viel Sympathie erfahren, zahlreiche Konzertgänger sollen wegen seines schlimmen Schicksals sogar ihr Abonnement gekündigt haben. Und es gehörte ja tatsächlich nicht viel dazu, seine Klage über Stadt und Intendanz nachzuvollziehen.
Schließlich ging es nach dem Ausscheiden von Ex-Intendant Beat Fehlmann in der Führung des einzigen Profiorchesters unserer Region reichlich holprig zu. Los ging es mit einem Streit um mangelnde Präsenz der neuen Intendantin Insa Pijanka (die offenbar auf eine fragwürdige Absprache mit Kulturbürgermeister Andreas Osner zurückging), dann wurde Kritik aus dem Freundeskreis laut, eine peinliche E-Mail-Affäre schloss sich an, und schließlich gab es ein Defizit von 175.000 Euro. Nein, es gibt angesichts dieser Umstände wenig Anlass zu zweifeln, wenn Rasilainen von mangelnder Einbindung und Transparenz bei der Entscheidungsfindung spricht.
Doch erstens ist‘s auch bei ärgerlichen Fehlern irgendwann mal gut mit Empörung. Zweitens waren die „wichtigsten Partner“ auf der „gemeinsamen Reise“ keineswegs so dicke mit ihrem Chef, wie dieser dem Konstanzer Publikum weismachen will. Genau 50 Prozent der Orchestermitglieder haben sich bei einer Abstimmung für eine Vertragsverlängerung ausgesprochen. Dieser Wert wirkt – vorsichtig formuliert – nicht ganz so überragend, als dass man darin die Wegmarke einer ruhmreich einträchtigen Ära vermuten möchte. Wenigstens die Mehrzahl der Musiker sollte mit einem Dirigenten schon einverstanden sein, hat Pijanka ihre Entscheidung erklärt. Unsinnig hört sich das nicht an.
So müssen die Musiker der Südwestdeutschen Philharmonie nun also doch damit leben, dass ihr beleidigter Superstar demnächst andernorts den Taktstock schwingt. Vielleicht haben ja die Berliner Philharmoniker Interesse. Dem Publikum am Bodensee hinterlässt er dafür zumindest eine Erkenntnis: Das „Scheißereden“ hat sehr wohl auch mancher Finne im Blut.