Etwas unscheinbar steht sie da: Rund anderthalb Meter hoch, kastenförmig, mit weißem Anstrich – wie eine ganz normale Tanksäule. Nur ein kleiner grüner Zettel verrät, dass aus diesem Zapfhahn kein gewöhnlicher Treibstoff kommt: „Spart bis zu 90% CO2“, verspricht die Aufschrift und verkündet allen Bootsbesitzern mit durstigen Motoren: „Bei uns tanken Sie HVO-Diesel.“

HVO steht für Hydrotreated Vegetable Oils (hydrierte Pflanzenöle) und ist ein Kraftstoff aus pflanzlichen Abfallstoffen – zum Beispiel aus recycelten Fetten der Gastronomie. Tankstellenbetreiber Bodenseenautic hat sein Angebot nun offiziell vorgestellt: Zur Präsentation kam neben Lara Wahr vom Energielieferanten Wahr auch der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung. Mit dem SÜDKURIER sprachen sie über die Zukunft des neuen Kraftstoffs im Bodenseeraum und über kritische Stimmen aus Umweltverbänden.

Lara Wahr (Energielieferant Wahr), Tankstellen-Betreiber André Busse und der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung (rechts) freuen sich ...
Lara Wahr (Energielieferant Wahr), Tankstellen-Betreiber André Busse und der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Jung (rechts) freuen sich über das neue Kraftstoff-Angebot an der Seetankstelle in Wallhausen. | Bild: Alban Löffler

Nur an zwei Tankstellen erhältlich

„Die Umstellung war technisch nicht kompliziert – wir konnten unsere Tank-Infrastruktur einfach weiter benutzen“, erklärte André Busse von Bodenseenautic. Die frühere Diesel-Zapfsäule konnte man beibehalten – nur fließt jetzt seit einigen Tagen der neue HVO-Kraftstoff aus der Anlage, der eine deutlich bessere Umweltbilanz verspricht. Aktuell ist das ein Alleinstellungsmerkmal: Erst zwei der sieben Boots-Tankstellen am Bodensee verkaufen ihren Kunden den Agro-Kraftstoff.

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Busse erklärte, er sei mit seiner Firma schon lange um klimafreundliche Alternativen bemüht und führe in seiner Bootswerkstatt auch Umrüstungen auf Elektromotoren durch. „Wir haben uns gefragt, wie wir auch unseren Kunden mit Verbrennern eine neutrale Kraftstoffalternative bieten können.“ Anfang des Jahres konkretisierten sich dann seine Pläne – es zeichnete sich ab, dass im April die gesetzliche Freigabe für den HVO-Diesel an öffentlichen Tankstellen kommen würde.

Bis der erste Tropfen des neuen Treibstoffs aus dem Hahn lief, verging aber noch ein bisschen Zeit: Die Umstellung benötigte einige Genehmigungen, es mussten technische Details geklärt werden – doch André Busse betonte: „Das ging wirklich sehr schnell, da hatten wir eine hervorragende Zusammenarbeit mit den Behörden.“

„Das ist ein richtiger Schritt mit Signalwirkung“

Andreas Jung (CDU) sagte bei der Präsentation: „Das ist ein richtiger Schritt mit Signalwirkung.“ Mit Blick auf das glitzernde Wasser im Obersee erklärte der klimapolitische Sprecher der Unions-Fraktion: „Der Bodensee ist sehr sensibel und auch der Bootsverkehr gehört zum Naturschutz dazu.“ Das Beispiel zeige zudem, dass der Elektromotor nicht die einzige Lösung für die Mobilitätswende sei – es würden unterschiedliche Wege zum Klimaschutz führen.

André Busse schloss sich Jungs Worten an: „Wir müssen die Leute wortwörtlich mit ins Boot holen.“ Ein Umstieg auf den Elektromotor sei oft kostspielig, manche Kunden würden sich auch bewusst für einen leistungsstärkeren Verbrenner-Motor entscheiden: Hier könne der HVO-Diesel besonders in den nächsten Jahren eine nachhaltigere Alternative bieten. Die Kunden hätten den Wechsel gerne mitgemacht, so Busse.

Manche Bootsbesitzer nähmen für den neuen Kraftstoff weite Wege auf sich: „Wir haben Kunden, die vier Stunden aus der Schweiz herfahren, um bei uns HVO-Diesel zu tanken.“ Die Umstellung sei für die Motoren technisch unproblematisch, auch wenn bei einigen Herstellern noch die formale Freigabe ausstehe. Preislich könne der neue Kraftstoff mit dem „großen Bruder“ mithalten, aktuell liege er nur knapp über dem fossilen Diesel – Tendenz: er werde noch günstiger.

Eher negative Schlagzeilen

Der neue Kraftstoff machte in den vergangenen Wochen eher negative Schlagzeilen: Mehrere Umweltverbände kritisierten, dass der HVO-Diesel auch aus extra angebauten Pflanzenölen wie Palmöl produziert werde. Außerdem benötige man die ölhaltigen Abfallstoffe zum Beispiel auch in der Chemie-Industrie – diese müssten dort jetzt durch Rohölprodukte ersetzt werden.

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Lara Wahr von der Zuliefererfirma Wahr erklärte dazu: „Wir haben von unseren Partner-Raffinerien Zertifikate, dass der Kraftstoff wirklich nur aus recycelten Abfallstoffen besteht – in unserem HVO-Diesel steckt kein Palmöl.“ André Busse fügte hinzu: „Es gibt ein noch großes Potenzial für das Recycling von Abfallstoffen, die aktuell auf dem Müll landen.“ Der neue Treibstoff hat auch einen ganz praktischen Vorteil: Der Geruch ist weniger intensiv. „Das merkt man dann abends, wenn die Hände deutlich weniger riechen“, freute sich Mitarbeiter Nick Werner, als er gerade eine Yacht am Hafen mit dem neuen HVO-Diesel betankte.