Es ist 23:52 Uhr, aber die Stadt zeigt noch keine Anzeichen von Müdigkeit. Am Herosépark feiern junge Menschen, mit inzwischen gedämpfter Lautstärke. Luigi Pantisano kommt mit dem Lastenfahrrad über die Fahrradbrücke. In wenigen Stunden soll sein Gesicht von vielen Laternen der Schottenstraße beleuchtet werden.
Gut gestimmt in die nächtliche Aktion
Pantisano, 40, Kandidat für die OB-Wahl, ist gut gelaunt. Die Begegnungen der vergangenen Wochen seien motivierend gewesen, sie hätten ihn bestärkt.
Alle paar Tage kommen neue Unterstützer hinzu. Hannah Gerster und Sebastian Lederer, beide Studenten, packen in dieser Nacht mit an. Das Plakatier-Team ist größer: 26 Personen sind in Pantisanos Auftrag unterwegs, darunter Stadträte, Personen aus linken Initiativen.
Plakatiert werden die aussichtsreichen Viertel
Strategie braucht es beim Plakatieren. Die Plakate sollen gut sichtbar sein, das ist das eine. Sie sollen vor allem in jenen Vierteln zu sehen sein, in denen Pantisano sich gute Chancen ausrechnet: „Im Paradies, Petershausen und im Berchengebiet“, erläutert er. Die ersten beiden wegen ihres hohen Anteils an Studierenden und einer bürgerlich-progressiven Bevölkerung. Im Berchengebiet wiederum ist Pantisano bekannt aus seiner Zeit als Stadtteilmanager.
Die drei Wahlkämpfer ziehen kurz nach 0 Uhr Aufmerksamkeit auf sich. Hikmet Baysu, Inhaber von See Kebap in der Schottenstraße, signalisiert Neugier und dann Unterstützung. „Wir Ausländer müssen zusammenhalten“, sagt der Kurde und lacht. Pantisano lächelt. „Meine Eltern stammen aus Italien„, antwortet er, wenn er nach seiner Herkunft gefragt wird. Ob ihn die Frage nach dem Migrationshintergrund störe? Meist nicht, ist die Antwort, nur wenn ausschließlich das Klischee interessiere, aber nicht seine Person ...

Das Plakat als Blickfang
Eine Stunde später ist es still geworden. Hannah Gerster und Sebastian Lederer beraten. Hier am Döbele sollte noch ein Plakat hängen, in geringer Entfernung zum Palmenhaus, wo Pantisano mit dem Café Mondial weitere Unterstützer vermutet. Plakatwahlkampf, ist das noch zeitgemäß? Unbedingt, sagt Hannah Gerster, die Menschen müssten erinnert werden, dass OB-Wahl ist. „Es geht bei den Plakaten nicht darum, zu überzeugen“, bekräftigt der Kandidat, „sondern darum, an das Datum der Wahl zu erinnern und meinen Namen präsent zu halten.“

Die Inhalte müssen über andere Kanäle transportiert werden. Der direkte Kontakt kommt aus Pantisanos Sicht zu kurz in diesem Wahlkampf – kein Wunder, in Corona-Zeiten werden Veranstaltungen klein gehalten. Flyer, Plakate, Instagram: Die Debatte auf dem Podium können sie nicht ersetzen.
Das Team Hennemann zieht los
Samstag, 23 Uhr: Das Team um OB-Kandidat Andreas Hennemann steht vor dem Gebäde der Arbeiterwohlfahrt parat, deren Kellerräume als Basislager für die Wahlplakat-Aufhängeaktion dienen. Jan Welsch mit seiner langjährigen Erfahrung erläutert das strategische Vorgehen. Bereits im Vorfeld wurden Gebiete aufgeteilt und auf Stadtplänen die Standorte nach Priorität markiert.

OB-Kandidat Andreas Hennemann hat sich im Hintergrund gehalten. Jetzt meldet er sich mit einer Bitte zu Wort: Vor seiner Kanzlei an der Laube hätte er gerne ein Plakat von sich und keinem anderen. Welsch teilt die Teams ein, und los geht‘s. Plakate samt Zubehör werden in Autos und Lastenfahrräder geräumt, und die Helfer fahren in alle Himmelsrichtungen in die Nacht. Das Ziel: Die besten Plätze vor den Kontrahenten zu sichern.

Die Polizei fragt mal lieber nach
Am Herosépark beginnen Andreas Hennemann und seine Frau Christiane Lamprecht-Hennemann pünktlich um Mitternacht mit dem Aufhängen und Aufstellen der Plakate. Und schon hält ein Zivilfahrzeug der Polizei. Der Fahrer fragt, was die beiden hier tun. „Wir hängen Wahlplakate auf“, stellt der Kandidat fest. „Ah, der Herr Hennemann“, sagt der Polizist.
Noch zwei weitere Male wird das Ehepaar von Polizisten, die am Party-Brennpunkt Präsenz zeigen, angesprochen, aber auch von vielen Bürgern. Manche staunen: „Wieso machen Sie das selber?“ Eine Frau fragt: „Haben Sie eine Wohnung für mich?“ Hennemann steht Rede und Antwort, und immer wieder bekommt er zu hören: „Meine Stimme haben Sie.“

Direkt am Rheinufer befestigt das Ehepaar ein Plakat in luftiger Höhe an einem Laternenmast, als ein Pantisano-Team anrückt. Enttäuscht ziehen sich die generischen Wahlkampfhelfer zurück, um zehn Minuten später den Pfahl doch für ihr Plakat zu beanspruchen. Hennemann kehrt noch einmal um und erklärt humorvoll, was er mit „oben drüber aufhängen“ meint, um Auslegungsmöglichkeiten auszuschließen. Die Beteiligten scherzen und ziehen dann, Plakate und Leitern schleppend, weiter durch die Nacht.
Auch Uli Burchardt und Unterstützer plakatieren
Auch der Amtsinhaber Uli Burchardt ist in dieser Nacht zum Plakatieren unterwegs. Die Redaktion hatte im Vorfeld angefragt, ihn und sein Team begleiten zu dürfen. Dies sei ungünstig, so Burchardts Antwort, da er mit Freunden und Familie unterwegs sei und er einen Eingriff in deren Privatsphäre vermeiden wolle.