Das Überlinger Kramer-Areal soll von einem Industriestandort zu einem Wohngebiet transformiert werden. Nahe am Bodensee entsteht so ein neuer Stadtteil für rund 700 Bewohner. Die Organisation Architects for Future (A4F) dringt auf eine klimaneutrale Bebauung. Der Umgang mit dem Bestand spiele dabei eine entscheidende Rolle. Ebenso die Frage nach der Bebauungsdichte, nach der Nutzung und der Verwendung bestimmter Baumaterialien. Nach Angaben der Stadtverwaltung werden im städtebaulichen Realisierungswettbewerb entsprechende Forderungen an die teilnehmenden Büros gestellt.
Solidarisch mit Fridays for Future
Wie Sebastian Lederer von Architects for Future (A4F) mitteilte, sei der Bausektor weltweit für 40 Prozent der Emissionen verantwortlich und spiele somit eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die im Jahr 2020 als gemeinnütziger Verein gegründete Gruppe unter dem Namen Architects for Future ist deutschlandweit aktiv mit assoziierten Gruppen in Österreich und der Schweiz. Nach eigener Aussage stehen sie solidarisch zur Fridays-for-Future-Bewegung und setzen sich für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels aus dem Pariser Klimaabkommen ein.
Architekt fordert präziser formulierte Ziele
Der Markdorfer Architekt Leon Beck, der sich bei Architects for Future engagiert, findet, dass die von der Stadt vorgegebenen Ziele zu wage formuliert seien. Die klimarelevanten Kriterien für so eine Quartiersentwicklung müssten heute „wesentlich präziser formuliert werden“.

Eine zukunftsfähige Planung erkenne man zum Beispiel an der Frage der städtischen Dichte. Bisher plant die Stadt einen Richtwert für die Anzahl der Einwohnenden pro Hektar. „Je nach Wohnungsgröße würde dadurch jedoch mehr oder weniger wertvoller Außenraum bebaut“, findet Leon Beck. Eine Vorgabe zur maximalen Wohnfläche pro Kopf könne hier eine wichtige Ergänzung sein, die dies reguliert.
Positiv heben A4F hervor, dass das Lebensraumpotenzial für Tiere durch den Projektträger auf dem Kramer-Areal untersucht werde. Wichtig sei es jedoch, aus den gewonnen Erkenntnissen dann auch Anforderungen für die Auslobung des Wettbewerbs abzuleiten.
Forderung: Erhalt von Altbauten
Weiter betonen A4F, dass neben dem nachhaltigen Umgang mit dem bestehenden Grund auch der Umgang mit der bereits existierenden Bausubstanz eine wichtige Rolle spiele, da diese bereits viele sogenannte Graue Emissionen in sich trage, die bei einem Abriss vernichtet würden. Als Graue Emissionen wird das Kohlendioxid bezeichnet, das bei der Herstellung von Materialien und beim Bau eines Gebäudes entstanden ist. „Das Kramer-Areal ist kein weißes Blatt, auf dem von Null aus neu gebaut wird“, sagt Beck. Dies sei auch bei der öffentlichen Ortsbegehung Anfang März deutlich geworden, als viele Teilnehmer ihre Verbundenheit mit dem Ort und der alten Gebäudesubstanz zum Ausdruck gebracht hätten. Der städtebauliche Wettbewerb und die darauffolgende Aufstellung des Bebauungsplans seien die größten Hebel, der Stadt Überlingen zur Verfügung stünden und müssten daher sehr präzise gesetzt werden, so A4F.
Verweis auf Beispiele aus Konstanz und Berlin
Der Prozess zur Erweiterung des Berufsschulzentrums des Kreises Konstanz beispielsweise mache deutlich, wie es nicht ablaufen sollte, meint Sebastian Lederer von A4F: „Hier war eine frühzeitige Einbindung und eine Diskussion auf Augenhöhe nicht erwünscht“. Doch anderenorts gebe es auch Positivbeispiele, ergänzt Leon Beck. Er verweist auf einen Wettbewerb zur Neuerrichtung der Schinkelschen Bauakademie in Berlin, bei dem
Architects for Future von Anfang an in einem Thinktank der Bundesstiftung Bauakademie vertreten gewesen seien.
Laut Stadt ist der Klimaschutzgedanke „zentraler Baustein“
Auf Anfrage an die Stadtverwaltung, wie der Klimaschutzgedanke bei dem Projekt berücksichtigt und sichergestellt werde, antwortete die Pressestelle des Rathauses: „Der Klimaschutzgedanke ist für die Stadt Überlingen ein zentraler Baustein bei der Entwicklung des neuen Stadtquartiers. In der Auslobung wird darauf verwiesen, dass der städtebauliche Entwurf dem Anspruch einer klimafreundlichen Stadtplanung gerecht werden und nachhaltige und innovative Ausblicke geben soll.“
„Wettbewerbsaufgabe ist es, die genannten Ziele und Anforderungen in einen robusten und klimaresilienten städtebaulichen Entwurf zu integrieren.“Pressestelle der Stadt
Die Auslobung zum städtebaulichen Realisierungswettbewerb Kramer-Areal fordere konkrete Ziele und Anforderungen zu Themen wie Stadtklima, Bauweise, Mikroklima, Energiekonzept, betont die Stadtverwaltung. „Wettbewerbsaufgabe ist es, die genannten Ziele und Anforderungen in einen robusten und klimaresilienten städtebaulichen Entwurf zu integrieren.“ Die am Wettbewerb teilnehmenden Büros haben nach Angaben der Stadtverwaltung Erfahrungen, die es ihnen ermöglichten, „diese Aufgabe mit einer hohen Qualität anzugehen“.
Am 31. März ist Bewerbungsschluss für die Teilnahme an Werkstattdialog
Auf die Frage, ob die Stadt die Möglichkeit sieht, die Architects for Future aktiv am Wettbewerbsverfahren zu beteiligen, ging die Pressestelle nicht ein. Der Wettbewerb sieht die Beteiligung von 25 Bürgern in einem Werkstattdialog vorsieht, für den sich Interessierte noch bis zum 31. März bewerben können. Die Unterlagen gibt es im Internet auf den Seiten der Stadtverwaltung. Wie Leon Beck mitteilte, hätten sie sich aus der Gruppe der A4F bisher „nicht bewerben können“. Sie hätten teils zwar einen sehr engen Bezug zu Überlingen, seien dort aber nicht gemeldet.