Union schwach, SPD auferstanden, die Grünen stärker denn je, aber schwächer als gedacht, die FDP setzt ein Zeichen, die AfD stabil, aber auch nicht mehr – so in etwa lässt sich die Bundestagswahl auf den Punkt bringen. Doch wie sieht das zwischen Schwarzwald, Hochrhein und Bodensee aus? Welche Lehren lassen sich hier ziehen?
Lehre eins: Die Region errötet
Mit Takis Mehmet Ali (Wahlkreis Lörrach-Müllheim), Derya Türk-Nachbaur (Schwarzwald-Baar), Lina Seitzl (Konstanz), Heike Engelhardt (Ravensburg) und Robin Mesarosch (Zollernalb-Sigmaringen) ziehen – allesamt über die Landesliste – neu in den Bundestag ein. Bislang war Rita Schwarzelühr-Sutter (Waldshut), die wieder dabei ist, die einzige Genossin aus der Region im Bundestag. Fünf neue SPD-Abgeordnete für die Region – hier wird der Wahlerfolg der Sozialdemokraten mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz greifbar. Schwarzelühr-Sutter erreicht mit 6,4 Prozentpunkten den zweitgrößten Zuwachs bei den Zweitstimmen im Land. Der Schnitt liegt laut SPD-Landesgeschäftsstelle bei plus 5,2 Prozent.




Lehre zwei: Die Grünen sind überraschend schwach
Trotz Rekord-Wahlergebnis im Bund kann die Grünen-Fraktion aus der Region nicht profitieren – im Gegenteil: Künftig vertritt nur noch Agnieszka Brugger (Wahlkreis Ravensburg) die Region im Bundestag. Gerhard Zickenheiner (Lörrach-Müllheim), der erst 2019 nachgerückt war, schafft den Wiedereinzug nicht. Listenplatz 23 reicht nicht zum Einzug ins Parlament. Gleiches gilt für Ministerpräsidentensohn Johannes Kretschmann (Listenplatz 21), den eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Umweltaktivisten von Campact schon gleichauf mit CDU-Mann Thomas Bareiß gesehen hatte.
Der Konstanzer Grünen-Kandidat Sebastian Lederer (Listenplatz 29) kommt zwar auf die Mehrheit der Erst- und Zweitstimmen (28,6 und 32,0 Prozent) in der Uni-Stadt, im gesamten Wahlkreis allerdings liegt CDU-Mann Andreas Jung vorne.
Lehre drei: Die CDU muss Federn lassen
Wie üblich holen die Schwarzen auch dieses Mal wieder alle Direktmandate in der Region – aber mit herben Verlusten. Thorsten Frei (Schwarzwald-Baar), hatte 2017 noch 47,0 Prozent der Erststimmen erobert (nach 56,7 Prozent 2013). Diesmal kommt er noch auf 36,4 Prozent. Auch sein Konstanzer Kollege Andreas Jung, wie Frei einer der Vizes der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hat Verluste zu verbuchen: Nach 44,8 Prozent 2017 holt er nun nur noch 34,1 Prozent der Erststimmen. Den drastischsten Verlust verbucht Thomas Bareiß: 30,1 Prozent statt 45,0 (2017).

Lehre vier: Der Erfolg der FDP wird in der Region nicht mit Mandaten belohnt
Überall zwischen Schwarzwald und Bodensee legen die FDP-Kandidaten zwischen drei und vier Prozentpunkte zu – und zwar bei Erst- wie Zweitstimme. Zu den FDP-Hochburgen zählt der Wohnort der früheren FDP-Landeschefin Birgit Homburger Hilzingen (17,4 Prozent der Zweitstimmen). Vor allem aber im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen trumpfte die FDP auf – und legte mit 4,6 Prozentpunkten am meisten zu. In der Gemeinde Bösingen holte die FDP mit Kandidat Andreas Anton 22,6 Prozent der Zweitstimmen, in Vöhringen sogar 23,2 Prozent. Bei den Zweitstimmen liegen die Liberalen im Wahlkreis 285 klar auf dem dritten Rang, bei den Erststimmen sogar auf dem zweiten (nach der CDU).
Nicht ganz so stark, aber immerhin vor den Grünen auf Rang drei bei den Erststimmen liegt die FDP im Schwarzwald-Baar-Kreis mit Direktkandidat Marcel Klinge. Dennoch zahlt sich das für die FDP nicht bei den Mandaten aus. Wieder drin sind Benjamin Strasser (Ravensburg) und Christoph Hoffmann (Lörrach-Müllheim). Marcel Klinge, der nicht mehr auf der Landesliste kandidierte, ist raus. Dafür kommt Ann-Veruschka Jurisch mit 15 Prozent der Zweitstimmen in Konstanz neu hinzu.
Lehre fünf: Die AfD verliert leicht
Das ist in der Region ähnlich wie im Bundestrend, nämlich zwischen ein und zwei Prozentpunkten. Angefangen bei Spitzenkandidatin Alice Weidel, die im Bodenseekreis nur noch auf 8,7 Prozent der Zweitstimmen kommt (nach 10,4 2017). Eine Ausnahme macht Kandidat Joachim Bloch in Rottweil-Tuttlingen, der das Erststimmenergebnis von Reimond Hoffmann 2017 um 0,7 Prozentpunkte toppt (13,7 Prozent) und bei den Zweitstimmen nur um 0,5 Prozentpunkte auf 13,4 Prozent absackt.
Die AfD hat ihre Hochburgen in der Region. In Mühlingen liegt die AfD mit 14,4 Prozent der Zweitstimmen auf dem vierten Platz noch vor den Grünen. Im Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen holt die AfD allerdings noch ganz anderen Stimmanteile: 15,8 Prozent in Sulz am Neckar, 17,2 Prozent in Aldingen und 20,4 Prozent im 1362-Einwohner-Dorf Bubsheim, um nur einige zu nennen.
Lehre sechs: Die Wahlbeteiligung variiert enorm von Ort zu Ort
Während in Leibertingen im Landkreis Sigmaringen 84,4 Prozent der Wähler an die Urne gingen, in Stetten im Bodenseekreis 86 Prozent und in Allensbach 83,8 Prozent, lief die Mobilisierung andernorts deutlich schlechter: In Tuttlingen gingen laut Statistischem Landesamt nur 69,7 der Wähler zur Wahl. In Mundelfingen, einem Ortsteil von Hüfingen, gar nur 51,7 Prozent. Einzelne Wahlbezirke wie Bräunlingen Stadthalle liegen mit 37,2 Prozent Wahlbeteiligung noch deutlich niedriger.