Ob sie jemals noch einen Ton von sich geben wird, ist ungewiss. Nun liegt die möglicherweise älteste Glocke von ganz Konstanz bei den Technischen Betrieben und sieht einem ungewissen Schicksal entgegen. Und das, obwohl dieses rund 750 Kilogramm schwere Stück Bronze schon so viel durchgemacht hat, dass man es eigentlich nur mögen kann.
Im 14. Jahrhundert gegossen, dann wahrscheinlich über Jahrhunderte irgendwo in Süddeutschland die Gläubigen in die Kirche gerufen oder die Toten auf ihrem letzten Weg begleitet. Eingezogen von den Nazis, um das Metall für Waffen zu verwenden. Dem Einschmelzen entkommen, auf einem Glockenfriedhof in Hamburg entdeckt und um 1947 nach Konstanz gebracht. Und dann, im Dezember 2022, schweigt sie plötzlich.

Wenn Peter Längle von der Schnetztor-Glocke spricht, ist klar, dass das nicht irgendeine Handwerksarbeit ist. Er ist Ehrenzunftmeister der Blätzlebuebe-Zunft und war maßgeblich daran beteiligt, dass die Narren einen von nur noch drei vorhandenen Konstanzer Stadtmauer-Türmen wieder herrichtet.
Das Schnetztor kennt er besser als viele andere, und an den 7. Dezember 2022 erinnert er sich noch sehr genau. Da löste sich die Glocke plötzlich von ihrer angegossenen Verankerung, krachte auf ein Gestell und bleib fortan stumm.

Ob das so bleibt, kann die Stadt Konstanz noch nicht sagen. Am Montag wurde die Glocke in einer Hauruck-Aktion aus dem Turm geborgen, selbst die Blätzlebuebe als Nutzer des städtischen Gebäudes waren überrascht. Nun sei zu klären, „ob sie gegebenenfalls repariert werden kann“, so Anja Fuchs, die Sprecherin der Stadtverwaltung. Zunächst aber untersucht das Landesamt für Denkmalpflege die Glocke.
Können Fachleute eine neue Halterung anschrauben?
Ob die Experten es gestatten, dass eine neue Halterung angeschraubt wird, kann Peter Längle nicht abschätzen. Auch ob das technisch möglich ist, vermag er nicht zu sagen. Immerhin ist eine Theorie, warum es vor zwei Jahren zum überraschenden Absturz der Glocke kam, die: Da die Glocke fest mit dem Turm verbunden war und nur der Klöppel bewegt wurde, könnten die Vibrationen die Befestigung zerstört haben. Ob eine Reparatur das Problem dauerhaft lösen könnte, ist Länge zufolge ungewiss.
Aber dass auch künftig wieder ein Stundenschlag erklingt, ist Längle ihm wichtig. Immerhin war es nach seinen Worten die einzige nicht-kirchliche, regelmäßig geläutete Glocke der Stadt. „Unser Schnetztor ist nur komplett mit Glocke“, betont Längle. Und er fragt sich, mit fasnächtlichem Ernst, wie sonst die Konstanzer Fasnacht am Abend vor dem Schmotzigen Duntschtig beginnen soll, wenn nicht die Schnetztor-Glocke sie um Punkt sechs Uhr im Wortsinn einläutet.
Wie durch ein Wunder kam niemand zu Schaden
„Die Entscheidung, was mit der Glocke passiert, liegt bei der Stadt“, betont Längle. Er ist vor allem froh, dass beim Bruch nichts Schlimmeres passiert ist. „Zum Glück war da so eine Art Podest, auf der sie zu stehen kam. Die hätte auch das Dach durchschlagen und Leute unten auf der Straße treffen können“, sagt der Fasnachter. Dass es nun fast zwei Jahre gedauert hat, die Glocke zu bergen, sei schon ein wenig verwunderlich.
Und die Blätzlebuebe wären wohl nicht die Blätzlebuebe, wenn sie nicht auch schon Ideen hätten. Falls es der Stadt am Geld fehle, die Glocke zu reparieren – da habe man schon mit ersten Sponsoren gesprochen, sagt Peter Längle. Und wenn sie gar nicht mehr zu retten ist? Dann helfen gute Kontakte. Zum Beispiel nach Wil im Kanton St. Gallen, wo es auch ein Schnetztor gibt. Und dort gibt es einen Fundus, in dem eine Glocke verwahrt wird. Nicht ausgeschlossen also, dass es doch wieder eine Schnetztor-Glocke gibt, die auch ihre eigene abenteuerliche Geschichte mitbringt.