Priscilla Ogundipe

„Das kann man sich nicht vorstellen, was hier los ist“, beschrieb Julian Bayer, stellvertretender Ortsbeauftragter des Technischen Hilfswerks (THW) Ortsverband Konstanz, damals die Situation vor Ort. Mittlerweile sind die Konstanzer Helfer von ihrem Einsatz im Flutkatastrophengebiet in Ahrweiler zurückgekehrt. Bayer berichtet über Herausforderungen, Erfahrungen und psychische Belastungen.

Der vierzehnköpfige Trupp des Technischen Hilfswerks Ortsverband Konstanz war zehn Tage in Ahrweiler im Einsatz.
Der vierzehnköpfige Trupp des Technischen Hilfswerks Ortsverband Konstanz war zehn Tage in Ahrweiler im Einsatz. | Bild: Wolfgang Rüdiger / THW Konstanz

Die Konstanzer Einsatzgruppe war im Logistikstützpunkt tätig und kümmerte sich um die Verpflegung, erklärt Bayer. Dabei seien sie vor ganz grundsätzlichen Herausforderungen gestanden. So zum Beispiel das Abkochgebot für Leitungswasser, das die Lebensmittelversorgung erheblich erschwerte: „Nudeln kochen war kein Problem, aber beim Salat wurde es dann schon problematisch“, erinnert sich Bayer.

Helfer des THW Konstanz im Einsatz in der Verpflegungsstelle.
Helfer des THW Konstanz im Einsatz in der Verpflegungsstelle. | Bild: Julian Bayer / THW Konstanz

Einsatz wird noch einige Monate dauern

Insgesamt war im Einsatz viel Improvisation gefragt. So habe das THW Konstanz auch einiges an Ausrüstung in Ahrweiler gelassen, damit die nachrückenden Kräfte direkt damit weiterarbeiten können. Der Einsatz sei nämlich noch lange nicht vorbei. Bayer geht davon aus, dass es noch mehrere Monate dauern wird. Er denkt auch, dass bestimmt noch mal eine Einheit des THW Konstanz nach Ahrweiler ausrücken wird, um zu helfen. Denn gerade das Errichten der Brücken werde vermutlich noch „ewig dauern“, so der stellvertretende Ortsbeauftragte.

„Der Einsatz hat definitiv psychische Belastungen mit sich gebracht“

Neben den logistischen und ganz grundsätzlichen Herausforderungen, kämpft man in Ahrweiler aber natürlich noch mit ganz anderen Dingen. „Der Einsatz hat definitiv psychische Belastungen mit sich gebracht“, sagt Julian Bayer. Sowohl für Bürger, als auch für Helfer. Am Logistikstützpunkt sei das Team laut Bayer zwar einigermaßen verschont geblieben, „aber wenn man mit den Leuten gesprochen hat, die draußen Tote geborgen haben“ bekomme man schon einen Eindruck davon, welche psychischen Folgen das hinterlasse.

„Das hatten wir so in Deutschland noch nie“

Bayer erinnert sich an ein Ereignis: Kammeraden mussten tote Rinder aus einer Fleischerei holen – mit Atemschutzmasken – so lange haben sie dort schon gelegen. „Das ist keine einfache Sache. Von der Bevölkerung ganz zu schweigen“. Der stellvertretende Ortsbeauftragte kann sich vorstellen, dass der Einsatz durchaus Traumata auslösen kann. Seiner Ansicht nach wird sich das vor allem in den nächsten Monaten zeigen: Dann würden die Verarbeitungsprozesse starten. „Eine einfache Assoziation reicht aus und es kommen wieder schlimme Bilder hoch“, so Bayer. Ihm persönlich hat sich vor allem eins eingeprägt: Das Bewusstsein über die Größe des Schadens. „Das hatten wir so in Deutschland noch nie“.

Der Bereitstellungsraum: Hier werden Einsatzkräfte und Einsatzmittel des Katastrophenschutzes für den unmittelbaren Einsatz gesammelt, ...
Der Bereitstellungsraum: Hier werden Einsatzkräfte und Einsatzmittel des Katastrophenschutzes für den unmittelbaren Einsatz gesammelt, gegliedert und bereitgestellt. | Bild: Julian Bayer / THW Konstanz

In dieser Ausnahmesituation sei es besonders wichtig mit anderem im Gespräch zu bleiben. „Wir achten gegenseitig aufeinander und haben gemeinsam über das gesprochen, was wir gesehen haben“, so Bayer. Zusätzlich stünden auch Einsatznachsorge-Teams des THW und die Notfallseelsorge zur Verfügung. Viele Helfer hätten auch täglich mit ihren Angehörigen telefoniert. Und auch für die ist das sicherlich nicht einfach, sagt Julian Bayer. Immerhin seien die Einsatzkräfte in der Regel Ehrenamtliche, die Arbeit und Familie für den Einsatz verlassen. „Wir sind sehr dankbar für unsere Angehörigen und dafür, dass sie das mitmachen“.

Wann genau ein weiterer Trupp des THW Konstanz wieder nach Ahrweiler ausrücken wird, lässt sich laut Bayer aktuell noch nicht sagen. Es komme auch darauf an, welche Hilfskräfte verfügbar sind: Nicht jeder könne Familie und Arbeit für zehn Tage verlassen. „Der Katastrophenschutz lebt vom Ehrenamt“, sagt Julian Bayer. Und das Ehrenamt suche Helfer. „Jeder kann sich einbringen mit seinen Fähigkeiten.“ Es geht etwa bei Feuerwehr, THW oder Rettungsdienst nicht nur um Rettung aus den Flammen oder Reanimation, gesucht werden genauso Helfer für einfachere, weniger gefährliche Aufgaben, wie etwa Kochen.

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