Einmal mehr wird die Geduld der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr auf die Probe gestellt. Die Gewerkschaft Verdi hat für Donnerstag, 29. Februar, und Freitag, 1. März, in Baden-Württemberg die Beschäftigten der kommunalen Nahverkehrsbetriebe in Stuttgart, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg, Konstanz, Esslingen und Heilbronn zu ganztägigen Warnstreiks aufgerufen.
Auch diesmal fährt ein BSB-Ersatzschiff
In der größten Stadt am Bodensee fallen damit an beiden Tagen die Buslinien, die Schulbusse und der Fährbetrieb der Stadtwerke aus Zudem verkehren die Regionalbusse Konstanz-Friedrichshafen (7394) und Konstanz–Ravensburg (700) nicht auf Konstanzer Stadtgebiet. Für die Autofähre Konstanz–Meersburg werde es wie am 2. Februar einen Ersatzverkehr für Fußgänger und Radfahrer geben, sagte Stadtwerke-Sprecher Christopher Pape. Diesmal mit dem Fahrgastschiff MS „Schwaben“ der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB), das zwischen den beiden BSB-Häfen verkehrt.
Pendlern, die aufs Auto angewiesen sind, Lastwagen- und Fernbusfahrern nützt dieses Angebot allerdings nichts – sie müssen den langen Weg außen um den Überlinger See herum nehmen beziehungsweise eine ganz andere Route wählen.

Die Stadtwerke gehen davon aus, dass am Donnerstag und Freitag lediglich die Buslinie 908 zwischen Konstanz und Kreuzlingen/Landschlacht fährt. Sie verkehrt ab dem Bodanplatz und von der Schweiz kommend nur bis zum Bahnhof. Der Streik im Busbetrieb beginnt laut Ankündigung am Donnerstag um 3.45 Uhr und endet 48 Stunden später.
Das städtische Unternehmen bat die Fahrgäste um Verständnis. Sie sollten während der Dauer des Warnstreiks auf andere Verkehrsmittel wie Zug, Regionalbusse oder wenn möglich Fahrrad umsteigen oder Fahrgemeinschaften bilden. „Die Fahrscheine für den Bus sind auch im Seehas zwischen Bahnhof Wollmatingen und Hauptbahnhof Konstanz gültig“, so Sprecher Pape.
Die Fähre wird nach Angaben der Stadtwerke ebenfalls zwei Tage lang bestreikt, und zwar ab Donnerstag, 4.35 Uhr. Für die Fahrt mit dem Ersatzschiff gelten laut Pape die Tarife der Fähre. Fahrausweise der Regionalbuslinien 700 und 7394 werden nach Angaben der Geschäftsstelle ÖV Bodenseeraum ebenfalls akzeptiert. Das Schiff fährt an beiden Tagen ab Konstanz (Stadthafen) um 6 Uhr, 7.30 Uhr, 9 Uhr, 13.30 Uhr, 15 Uhr, 16.30 Uhr, 18 Uhr und 19.30 Uhr, ab Meersburg um 6.45 Uhr, 8.15 Uhr, 9.45 Uhr, 14.15 Uhr, 15.45 Uhr, 17.15 Uhr, 18.45 Uhr und 20.15 Uhr.
Die Arbeitsniederlegungen finden außer in Bayern in allen Bundesländern statt, verhandelt wird aber jeweils regional. Mit den Warnstreiks will Verdi im Ländle den Druck auf die Arbeitgeber, den Kommunalen Arbeitgeberverband Baden-Württemberg (KAV), vor den Verhandlungen nächste Woche deutlich erhöhen.
Verdi verteidigt Forderungen
Verdi-Verhandlungsführer Jan Blecker wies den Vorwurf des KAV zurück, die gestellten Forderungen seien maßlos: „Die Arbeitgeber reden vom Goldstandard bei den Arbeitsbedingungen und sind noch nicht einmal bereit, tatsächlich geleistete Arbeitszeit bei Verspätungen vollständig zu bezahlen oder Fahrerinnen und Fahrern im Schichtdienst die Schichtzulage zu gewähren. Es geht in dieser Runde nicht um Goldstandards. Arbeitsbedingungen und Bezahlung, die zur Belastung und Verantwortung passen, würden uns schon reichen für einen Abschluss.“

Und wie sieht es derzeit aus? „Aktuell haben wir die 39 Stunden-Woche, der Forderungskatalog von Verdi sieht eine schrittweise Absenkung bis zur 35-Stunden-Woche im Jahr 2028 vor“, sagte Stadtwerke-Sprecher Christopher Pape. Für den Fahrdienst fordere Verdi eine Schichtzulage, die es derzeit nicht separat gebe. „Dieser Bestandteil ist vor Jahren bereits in die speziell für die Busfahrer eingeführte Entgeltgruppe eingeflossen.“

Für Überstunden infolge von Verspätungen bis zu 15 Minuten wird laut Pape heute noch keine Vergütung gezahlt. Bei Verspätungen von mehr als 15 Minuten bis zu einer halben Stunde und für jede weitere angefangene halbe Stunde bekommen die Mitarbeiter je eine halbe Stunde vergütet.
„Viele sind an Belastungsgrenze“
Verdi fordert dagegen eine Vergütung ab der ersten Minute, konkret „eine volle Anrechnung der Arbeitszeiten bei Verspätungen und von bisher unbezahlten Wegezeiten im Betrieb.“ Außerdem soll es eine Nahverkehrszulage geben, die den täglichen Stress am Steuer und die Verantwortung für die Fahrgäste widerspiegelt. Ob es die Fahrgäste mit den Streiks in dieser Woche dann erst einmal überstanden haben, weiß momentan niemand. Die dritte Verhandlungsrunde im Tarifstreit ist für 5. und 6. März in Stuttgart vereinbart.
In einer Pressemitteilung von Fridays for Future Konstanz, die bei dem Streik an der Seite der Mitarbeiter von Bus und Fähre stehen, wird Fährmitarbeiter Alexander Boos zitiert: „Viele von uns sind an einer Belastungsgrenze, wir haben teilweise neun Stunden Dienst ohne richtige Pause.“ Kollegen seien krank oder gäben den Beruf ganz auf. „Wenn Bund und Länder jetzt nicht handeln, bricht unser Nahverkehr bald zusammen.“
Nach dem Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit liegt das mittlere monatliche Bruttoentgelt für Busfahrer in Baden-Württemberg bei 3567 Euro (Stand 2022) – das ist der Spitzenwert unter den Bundesländern. Bundesweit sind es mit 3177 Euro deutlich weniger. Am wenigsten verdienen die Busfahrer in Brandenburg (2779).