Mit einem mehrtägigen Prozess beginnt die juristische Aufarbeitung einer ungewöhnlich brutalen Tat, die vier der Hauptverdächtigen bereits sieben Monate Untersuchungshaft in vier verschiedenen Gefängnissen beschert hat. Der Geschädigte konnte sich in der Nacht auf Ostermontag mit viel Glück selbst befreien und die Polizei rufen. In einem anschließenden spektakulären Polizeieinsatz wurden einige der Tatverdächtigten mit Hilfe eines Sondereinsatzkommandos festgenommen.

So brutal wie in den schlimmsten Gangsterfilmen

Laut Anklage und nach den am ersten Prozesstag vorgelegten Beweisen wurde ein junger Mann regelrecht gefoltert, weil er angebliche Drogenschulden nicht bezahlt hatte. Unklar ist, welcher Angeklagte welchen genauen Anteil an den Taten hatte, deren Rohheit auch die ermittelnden Polizeibeamten verstörte.

Welchen Anteil hatten zwei junge Frauen an den Taten?

So musste sich das Opfer ausziehen, erniedrigen und Hiebe mit einem Teleskop-Schlagstock erleiden. Auch wurde der junge Mann gezwungen, Ketchup vom Boden aufzulecken. Einer der Angeklagten soll auch mit einem Messer in der Hand gedroht haben, ihm einen Finger abzuschneiden. Zwei jungen Frauen wirft die Staatsanwaltschaft vor, an der vorangegangenen Entführung mitgewirkt zu haben, und eine von ihnen habe nichts unternommen, die folgenden schrecklichen Szenen zu beenden.

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Zum Auftakt des Prozesses am Konstanzer Landgericht wurde deutlich, dass die vier jungen Männer, zwischen 20 und 22 Jahre alt und in Deutschland aufgewachsen, wahrlich nicht zum ersten Mal auf der Anklagebank sitzen. Jeder von ihnen hat mehrere Vorstrafen, und alle sind oder waren sie regelmäßig Drogenkonsumenten. Teils schon mit 13 Jahren haben sie angefangen, Marihuana zu nehmen, später kam Kokain dazu. Einer trank nach eigenem Bekunden an einem Wochenende regelmäßig mehrere Flaschen Wodka und Whiskey.

Die beiden jungen Frauen, die bei der Straftat in Konstanz-Fürstenberg geholfen haben sollen, schilderten ihr bisheriges Leben dagegen als unauffällig. Sie machen ihre Ausbildungen und sagen, wie hätten bisher weder in großem Stil Drogen zu sich genommen noch Rauschmittel verkauft. Anders als die vier männlichen Angeklagten sind sie auf freien Fuß und konnten den Gerichtssaal ohne Fußfesseln betreten.

Sie sollen eine Drogenbande gebildet haben – aber lässt sich das beweisen?

Die Männer, die als Haupttäter gelten, erwiesen sich als ungleiches Quartett. Doch laut Anklage taten sie sich zu einer Bande zusammen, um mit Drogen zu handeln. Inwieweit dieser Vorwurf belegbar ist, wird die weitere Beweisaufnahme zeigen. Sie selbst stritten jedenfalls ab, Teil einer Bande zu sein oder eine gemeinsame Kasse geführt zu haben.

Bedroht, geschlagen, verletzt und verbrüht

Als die Angeklagten im Zusammenhang mit ihren Drogengeschäften von einem Kunden 1000 Euro eintreiben wollen, die er ihnen angeblich schuldete, vergingen sie sich mehrfach an ihm, so die Anklage.

Neben den Schlägen und Demütigungen musste er laut der Staatsanwältin noch mehr erleiden. Demnach quälten ihn die Angeklagten einer Zange und verbrühten ihrem gefesselten Opfer die Hand mit kochendem Wasser, und sie drohten ihm mit einem Messer. Strittig bleib zunächst, ob sie auch noch eine Schusswaffe auf den Mann richteten. Der Geschädigte wurde zunächst noch nicht als Zeuge vernommen.

Die Hauptangeklagten werden mit Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt.
Die Hauptangeklagten werden mit Fußfesseln in den Gerichtssaal geführt. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Die Anklage lautet, je nach der genauen angenommenen Tatbeteiligung der einzelnen Angeklagten, unter anderem auf schweren erpresserischen Menschenraub, Entführung, Erpressung, Raub, schwere Körperverletzung und weitere Straftaten.

Was in der Nacht zum 18. April, dem Ostermontag, in einer eigens für die Drogengeschäfte angemieteten Ferienwohnung in Konstanz-Fürstenberg genau geschah, wird wohl erst die Beweisaufnahme in dem auf drei Tage angesetzten Strafprozess genau zeigen. Viele der Brutalitäten sind aber auf Videos dokumentiert, die die auf dem Handy eines der Angeklagten fand.

Radolfzeller Hotelier brutal angegriffen

Ebenfalls angeklagt ist ein ebenfalls brutaler Übergriff auf einen Hotelier in Radolfzell. Von ihm sollen einige der Angeklagten eine Suite gemietet haben. Als dort eine Party aus dem Ruder lief und er seine Gäste hinauswerfen wollte, wurden er und ein Helfer vielfach geschlagen, auch als sie bereits wehrlos waren.

Einem der Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft vor, seinem auf dem Boden liegenden Opfer mit der Schuhsohle ins Gesicht getreten zu haben. Beide Männer mussten sich in der Folge im Singener Krankenhaus notfallmäßig behandelt werden. Auch sie werden möglicherweise ihren Peinigern nochmals gegenübertreten und vor Gericht aussagen müssen, denn die Angeklagten machten am Freitag zwar erste Aussagen, das Schöffengericht aber noch nicht als umfassende Geständnisse wertete.

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Alle sechs Angeklagten äußerten sich zu Prozessbeginn zur Person oder ließen dies ihre Verteidiger machen. Bei den jungen Männern wurde deutlich, dass sie in schwierigen bis verworrenen Familienverhältnissen aufgewachsen sind, es gab häufige Schulwechsel und Schwierigkeiten, beruflich Fuß zu fassen. Zu den Vorwürfen äußerten sie sich eher knapp und wollen zunächst auch keine weitere Fragen beantworten – was die Kammer um den Vorsitzenden Richter Joachim Dospil offenbar daran zweifeln ließ, wie es um ihre Einsicht und Reue wirklich bestellt ist.

Mit Anfang 20 schon eine langes Liste von Vorstrafen

Alle vier jungen Männer sind vorbestraft, und die Akten sind so umfassend, dass sie in der mündlichen Verhandlung gar nicht verlesen werden konnten. Drei der vier Hauptangeklagten haben bereits Haftstrafen verbüßt, zum Teil auch wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen. Einer ihrer Verteidiger ließ bereits durchblicken, dass er im nun gestarteten Prozess ebenfalls mit einer Freiheitsstrafe oder Unterbringung im geschlossenen Vollzug und Drogentherapie rechnet.

Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für alle Angeklagten die Unschuldsvermutung.