Das Abi hat er noch mit einem Notendurchschnitt von 2,5 hinbekommen, obwohl er ständig bekifft, aufgeputscht oder zugedröhnt war. Für einen Studienabschluss reichte es dann aber nicht mehr. Stattdessen lebte der Konstanzer oft in den Tag hinein, rauchte, schluckte, schnupfte, trank, spielte am Computer, kaufte Drogen und verkaufte sie teilweise weiter. Doch dann machte die Polizei diesem Leben ohne Halt und Ziel plötzlich ein Ende. „Fünf-Gramm-Joe“, wie ihn sein Kokain-Dealer nannte, war von eben diesem verpfiffen worden.
Zum Glück nicht völlig abgerutscht
Vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichtes Konstanz musste sich der 32-Jährige nun verantworten. Dass er trotz allem so intelligent und nicht völlig abgerutscht ist, bewahrte ihn dabei vermutlich vor einer höheren Strafe. Geht alles gut für ihn, ist er schon Ende 2025 wieder frei. Danach, davon waren alle Beteiligten überzeugt, hat er keine schlechten Chancen, sein Schicksal in den Griff zu bekommen.
Seit mehr als acht Monaten sitzt der großgewachsene und schlanke junge Mann in Untersuchungshaft. Weitere drei Monate im Gefängnis wird er überstehen müssen, ehe der zweijährige Maßregelvollzug in einer geschlossenen Entziehungsanstalt beginnen kann. Der Rest seiner Gesamtstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten könnte ihm als Ersttäter anschließend zur Bewährung erlassen werden.

„Fünf-Gramm-Joe“ hatte Pech – genau genommen aber wohl Glück –, dass Drogenfahnder 2021 einen größeren Rauschgiftring aushoben. Während der Ermittlungen gegen die unter anderem im Hegau ansässige Gruppe, die Drogen aus Süd- und Mittelamerika in Deutschland und der Schweiz verkaufte, belauschten die Fahnder auch Telefonate. Dabei stießen sie auf den ungewöhnlichen Spitznamen. Einer der Täter verriet den Ermittlern später, wer dahinter steckt.
Ob er wisse, worauf sich der Name gründe, erkundigte sich der Vorsitzende Richter Joachim Dospil beim Angeklagten. „Negativ“, antwortete der. Vielleicht lag es ja an den fünf Gramm Kokain, die er von dem Händler im Juni 2021 testweise erhielt, nachdem der ihn bei einer ersten Kontaktaufnahme zunächst hatte abblitzen lassen. Später kam mehr dazu. Mit dem Stoff will er allerdings keinen finanziellen Gewinn gemacht, sondern ihn einfach nur weitergereicht haben – seine Belohnung waren ein paar Gramm für den Eigenbedarf.
Den Handel mit kiloweise Marihuana und Amphetaminen gab er jedoch unumwunden zu. Als er am 10. November 2022 in seiner eher spartanischen Einzimmerwohnung in Petershausen festgenommen wurde, fanden die Ermittler bei ihm mehr als fünf Kilogramm von dem einen und mehr als neun von dem anderen. Außerdem unter anderem Koks und Cannabisöl, Drogenverpackungsmaterial und über 2000 Euro. Zudem stellten sie eine geladene Schreckschusspistole, zwei Klappmesser, einen Teleskopschlagstock und eine Machete mit einer halbmeterlangen Klinge sicher.
Waffen lagen oben auf dem Speicher
Damit handelte es sich um Drogenhandel mit Waffen – der Strafrahmen schnellte auf fünf bis 15 Jahre nach oben. Doch ein wichtiges Detail, auf das Verteidiger Martin Stirnweiß hinwies, war auch dem Gericht nicht entgangen. Die Waffen befanden sich nicht mit in der Wohnung des Konstanzers, also jederzeit griffbereit, um Kunden oder Mittäter einzuschüchtern oder zu bedrohen. Sie lagen zusammen mit einem Großteil der Drogen im Dachspeicher. Um sie nutzen zu können, hätte der 32-Jährige erst die Treppe hochsteigen und ein Schloss öffnen müssen. „Von den Waffen ging zu dem Zeitpunkt relativ wenig Gefahr aus“, fasste es Richter Dospil zusammen.
Schon zu Beginn des Prozesses hatten sich die Richter und Schöffen, Verteidiger Stirnweiß und Oberstaatsanwalt Robert Aichele in einem nicht-öffentlichen Rechtsgespräch im Falle eines Geständnisses auf eine Gefängnisstrafe zwischen fünf Jahren, neun Monaten und sechs Jahren geeinigt. Befragt wurden in der Verhandlung schließlich nur zwei Polizeibeamte. Auf andere Zeugen – unter anderem den Mann, der „Fünf-Gramm-Joe“ verraten hatte – verzichtete die Kammer.
Beweislage war „gar nicht so brillant“
„Es war eine gute Entscheidung, dass Sie hier alle Karten auf den Tisch gelegt haben“, wandte sich Ankläger Aichele in seinem Plädoyer an den Angeklagten. Damit habe er den Beteiligten angesichts der „gar nicht so brillanten Beweislage“ ein aufwendiges Verfahren erspart und einen echten Schnitt vollzogen. Oder wie es der Vorsitzende Richter später formulierte: „Wofür Sie sich entschieden haben, ist vernünftig und ergebnisorientiert.“

Oberstaatsanwalt Aichele (“Da sind schon Geschäfte zusammengekommen, die außergewöhnliche Mengen beinhalten – wir könnten bei der Gefängnisstrafe auch im zweistelligen Bereich sein“) forderte schließlich sechs Jahre Freiheitsentzug und die Einziehung von weiteren rund 42.000 Euro, die der Angeklagte zwischen 2019 und 2022 mit dem Drogenhandel verdient haben soll. Der Anwalt des 32-Jährigen (“Wir haben hier die Problematik des Hochsuchtkranken, der, wenn er nicht so intelligent wäre, total unter die Räder gekommen wäre“) wollte es mit fünf Jahren und neun Monaten sowie einer Zahlung von 24.000 Euro bewenden lassen.
Das Gericht blieb mit seinem Urteil fast in der Mitte. Knapp 35.000 Euro muss der junge Mann nun noch an die Staatskasse zahlen. Verteidiger Stirnweiß, der ebenso wie die Staatsanwaltschaft auf Rechtsmittel verzichtete, zeigte sich danach zufrieden mit dem Ergebnis. Der Prozess sei einer der seltenen Lichtblicke gewesen, wo die Dinge „mit offenem Visier, aber juristischem Sachverstand besprochen wurden.“ Alles andere wäre höchst kompliziert geworden – unter anderem wegen des Belastungseifers selbst straffällig gewordener Zeugen.