Herr Gaffga, Sie der Radbeauftragte der Stadt Konstanz. Haben Sie Verständnis für Autofahrer, die sich sehr über Radler aufregen?

In manchen Aspekten ja. Wir alle wurden nicht als Heilige geboren. Menschen, die zu Fuß gehen, laufen auch mal auf dem Radweg. Radfahrer fahren auch mal in der falschen Richtung auf der Straße. Und Autofahrer halten sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung oder den Überholabstand. Das betrifft alle Verkehrsteilnehmer. Aber wenn man grundsätzlich einen Hass auf Radfahrende hat, das verstehe ich nicht. Da hört für mich das Miteinander in der Stadt und die Rücksichtnahme auf. Wenn wir als Gesellschaft zusammenleben wollen, braucht es ein gewisses Maß an Toleranz.

2022 wurde Konstanz vom Land zur fahrradfreundlichen Kommune gekürt. Zu Recht?

Ja, Konstanz ist eine Fahrradstadt. Das ist nicht nur unser Selbstbild, sondern eben auch durch die Auszeichnung des Landes attestiert. Die Beschlüsse des Gemeinderats zum Thema Klimaschutz zeigen ja ganz klar die Richtung auf, in die sich diese Stadt auch weiter entwickeln wird. Das heißt: Radfahren wird noch mehr werden und nicht weniger.

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Das Fahrrad löst aber noch nicht das Auto ab.

Verhaltensänderungen sind langfristige Prozesse. Wir gehen nicht davon aus, dass alle Konstanzerinnen und Konstanzer innerhalb von drei Jahren ihr Verhalten ändern und ihr Auto abschaffen. Aber man kann Veränderungen erkennen. Der Klimaschutz nimmt einen immer höheren Stellenwert ein.

Dieser Wandel wurde sicherlich auch unterstützt durch große gesellschaftliche Bewegungen wie Fridays for Future. Und auch die Infrastruktur wird Stück für Stück besser in der Stadt. Daran arbeiten wir. Zum Beispiel mit Push-and-Pull-Maßnahmen, die das Radfahren attraktiver und das Autofahren weniger attraktiv machen.

Haben Sie ein Beispiel für mich?

Wir können es nicht beziffern. Aber ein Beispiel ist die Anhebung der Parkgebühren für Anwohner und Anwohnerinnen des Paradieses. Die Gebühren steigen, das Auto wird dadurch unattraktiver. Durch solche Maßnahmen kann man die Bürger und Bürgerinnen dazu bewegen, das Auto öfters mal stehen zu lassen.

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Das Auto unattraktiv machen, ist das eine. Anreize fürs Radfahren schaffen, das andere. Die Stadt versucht das durch die Einführung von Fahrradstraßen. Wenn Sie morgen eine neue Fahrradstraße beschließen könnten, wo würde diese entstehen?

Es gibt schon drei konkrete Überlegungen, zum Beispiel die Sankt-Gebhard-Straße. Die Straße geht schräg ab vom Ebertplatz Richtung Bahngleise. Wir haben im Arbeitskreis Rad- und Fußverkehr besprochen, dass das dort verkehrsrechtlich Sinn ergeben würde. Die Achse führt direkt zur Z-Brücke und dem Bodenseeradweg. Da sind heute schon über 3000 Radfahrende am Tag unterwegs.

Die zweite Idee wäre die Stärkung der Hauptverbindung für den Alltagsradverkehr Richtung Fähre – also von der Innenstadt nach Staad. Ich denke da an die Beethoven-, Hebel und Lindauer Straße. Eine weitere Maßnahme, die wir gerade untersuchen ist, wo eine Radschnellverbindung nach Radolfzell lang gehen kann. Dazu gibt es noch keinen Gemeinderatsbeschluss, weil wir das gerade bearbeiten. Diskutiert wird, das erste Stück von der Max-Stromeyer-Straße zu einer Fahrradstraße zu machen – auch, um den Radweg entlang der Bahnlinie zu entlasten.

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Das wären neue Radstraßen, aber warum hält man nicht die alten Radstraßen in Schuss? Die Schützenstraße im Paradies, die offiziell seit zwei Jahren eine Fahrradstraße ist, ist eine reine Buckelpiste. Sie hat sehr viele Schlaglöcher.

Ja, das stimmt. Doch hier geht es um das Thema Bauunterhalt, das ist nicht mein Verantwortungsbereich. Das ist eine Aufgabe des Tiefbauamts, das mehr dazu sagen könnte.

Aber blutet da nicht das Herz eines Radbeauftragten, wenn man auf einer Fahrradstraße mit dem Rad nicht wirklich fahren kann?

Ja, die Schützenstraße ist sanierungsbedürftig. Das finde ich auch. Vor der Umsetzung der Fahrradstraße hat man in Abwägung in der Haushaltsdiskussion beschlossen: Die Einrichtung einer Fahrradstraße ist prioritär. Das soll umgesetzt werden, ohne die Straße gleich grundlegend zu sanieren. Es gibt viele Straßen im Stadtgebiet, die dringend gemacht werden müssen. Aber Bauunterhalt ist eine teure Angelegenheit, da sind die finanziellen Ressourcen begrenzt.

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Es gibt noch andere Radprojekte, die geplant werden. Eines ist das Fahrradparkhaus am Bahnhof. Es wird 20 Millionen Euro kosten, etwa 8 Millionen entfallen auf die Stadt – abzüglich verschiedener Förderungen. Wie viele Stellplätze wird es dort für Räder geben?

Etwa 750 sind geplant. Die Zahl konkretisiert sich noch. Wir sind noch am Anfang der Planung.

Kann man den Konstanzer Fahrradfahrer so umerziehen, dass er sein Rad nicht mehr auf der Marktstätte abstellt, sondern im Parkhaus?

Da sind wir bei der richtigen Frage: Wer ist die Zielgruppe? Die Zielgruppe sind in erster Linie Menschen, die auf die Bahn umsteigen. Berufstätige, die morgens mit dem Zug nach Konstanz reinfahren und dann aufs Rad umsteigen und wissen, dass ihr Rad über Nacht sicher verwahrt ist. Aber auch Pendler, die aus Konstanz rausfahren.

Es gibt also einen abgeschlossenen Bereich in dem Parkhaus?

Zwei Drittel der Stellplätze sind kostenlos und frei zugänglich, ein Drittel der Stellplätze muss bezahlt werden. Sie befinden sich in einem extra abgesicherten Bereich. Für den Zugang braucht man eine Authentifizierung. Der Bereich wird auch videoüberwacht. Damit erreicht man einen hohen Diebstahlschutz.

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Ist es nicht unfair, dass für Fahrräder innerstädtische kostenlosen Stellplätze angeboten werden und für Autos nicht?

Ich finde die Argumentation unfair. Wir haben die Aufgabe, Klimaschutz in dieser Stadt zu betreiben. Das heißt, die Beschlüsse des Gemeinderats sind so, dass wir umweltfreundliche Mobilitätsangebote fördern sollen. Dass Autostellplätze was kosten sollen, passt daher in das Gesamtkonzept. Außerdem hat ein Autostellplatz einen anderen Flächenverbrauch. Auf einen Autostellplatz passen acht bis zehn Räder.

Das Parkhaus ist konkret in der Planung. Was soll sich in ferner Zukunft noch verbessern?

Wir schreiben das Handlungsprogramm Radverkehr weiter fort. Was wir gerade aktiv bearbeiten, ist das Thema einer neuen Fuß- und Radbrücke über den Seerhein. Die soll in die Mitte zwischen die Fahrrad- und Europabrücke. Das Angebotsnetz wird dadurch dichter und die Wege werden kürzer. Das gehört auch zur Quartiersentwicklung. In Petershausen ist entlang der Bahnlinien ja viel passiert in den vergangenen Jahren. Das setzt sich nun fort – ich sage nur Bücklepark, Weiherhof, Brückenquartier. Da ändert sich die Stadtstruktur und darauf reagieren wir.

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In ein paar Jahren kommt noch ein ganz neuer Stadtteil hinzu: der Hafner.

Auch da sind wir daran, aber auf vieles haben wir noch keine Antwort, weil wir noch mitten in den Planungen sind. Wie der Hafner fahrradtechnisch an die Stadt angebunden sein wird, entwickeln wir nun.