Die Hände sind schon an der Bremse. Noah Scheuing sitzt auf seinem Dienstrad. Der Fahrradkurier, der für City-Logitik mehrmals die Woche in die Pedale tritt, sucht den Augenkontakt zu einem Autofahrer. Der Mann in dem roten Wagen fährt recht flott auf die Ausfahrt der ATU-Werkstatt in der Max-Stromeyer-Straße zu. Kurz vor der Bordsteinkante bremst der Autofahrer und sieht Scheuing auf seinem Lastenrad. „Das ist wieder so ein Kandidat“, sagt er und tritt wieder stärker in die Pedale.

Jeden Tag sitzt der 25-Jährige auf dem Fahrrad – beruflich und privat. Er hat schon viel auf den Konstanzer Straßen erlebt. „Ich suche immer den Augenkontakt zu Autofahrern – vor allem, wenn sie abbiegen oder auf die Straße einfahren. So wie gerade eben“, sagt Scheuing.

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Der Radkurier kommt an diesem Tag ohne weitere Zwischenfälle am Ziel an. Doch immer wieder nehmen Begegnungen zwischen Autofahrern und Radlern kein gutes Ende. Jüngstes Beispiel ist der Tod des Pforzheimer Radaktivisten Andreas Mandalka. Auf seinem Blog unter dem Namen „Natenom“ dokumentierte er regelmäßig gefährlichen Szenen im Straßenverkehr und zeigte sie bei der Polizei an.

Bis der 43-Jährige selbst zum Opfer wurde. Am 30. Januar wurde der Radler totgefahren. Ein von hinten kommender 77-jähriger Autofahrer war mit Mandalka, der auf dem Fahrrad laut Polizei Warnweste und Helm trug, kollidiert. Der Aktivist starb noch an der Unfallstelle – einer Landesstraße bei Pforzheim.

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Auf der Max-Stromeyer-Straße kracht es immer wieder

Auch in Konstanz kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen für Fahrradfahrer. Besonders auf der Max-Stromeyer-Straße fühlen sich Radler unsicher. Das zeigt eine Karte des Projekts Sicherheit im Radverkehr (SimRa) der Technischen Universität Berlin. Deutlich sticht dort die Straße heraus.

Bild 1: Immer wieder kracht es! Wie gefährlich ist die Max-Stromeyer-Straße für Fahrradfahrer?
Bild: Schönlein, Ute

Bei 334 erfassten Fahrten kam es 29 Mal zu gefährlichen Situationen. Autofahrer überholten Radler sehr dicht (mit weniger als dem geforderten Mindestabstand von 1,50 Meter), nahmen ihnen die Vorfahrt oder rissen plötzlich Autotüren auf. Allerdings, das betont Gregor Gaffga, Radbeauftragter der Stadt Konstanz, seien die Daten von SimRa nicht sehr aussagekräftig. „Für statistisch valide Aussagen bräuchte es einen größeren Datenbestand“, sagt er.

Auch die Polizei Konstanz bestätigt: „Ja, in der Max-Stromeyer-Straße wurden einige Unfälle aufgenommen“, sagt Polizeisprecherin Katrin Rosenthal auf SÜDKURIER-Nachfrage. Erst am Donnerstag, 15. Februar, kam es dort wieder zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Rad- und Autofahrer.

Ein 19-jähriger VW-Fahrer bog von der Opelstraße nach rechts auf die Max-Stromeyer-Straße ein. Dabei übersah er laut Polizeimeldung einen vorfahrtsberechtigten 39-jährigen Radfahrer. Der 19-Jährige fuhr mit seinem Auto den Radlern an. Der 39-Jährige erlitt bei dem Zusammenstoß Verletzungen und musste ins Krankenhaus.

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Kein einmaliger Vorfall. In den vergangenen 24 Monaten seien der Polizei „vier Kollisionen übermittelt“ worden, die genau in diesem Kreuzungsbereich stattfanden, sagt Rosenthal. „Auf der kompletten Länge der Max-Stromeyer-Straße wurden durch die Polizei 2022 und 2023 insgesamt 22 Unfälle unter Beteiligung von Radfahrern aufgenommen“, sagt die Pressesprecherin. Bei 17 dieser Unfälle seien die Radfahrer nicht Schuld gewesen.

Ist der Autofahrer an dem Unfall Schuld, hat dieser nach Auskunft der Polizei meist die Vorfahrt missachtet oder einen Fehler beim Abbiegen gemacht. Ist der Radfahrer der Unfallverursacher, nehmen diese auch oft die Vorfahrt oder halten den Sicherheitsabstand nicht ein.

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Stadt will die Straßen sicherer machen

Der Radbeauftragte Gaffga stuft Konstanz als sichere Stadt für Radfahrer ein: „Ein dezidierter Vergleich mit anderen Kommunen fand bei der Erarbeitung des Handlungsprogramms Radverkehr statt, und das Gutachterbüro kam seinerzeit zur Einschätzung, dass das Verletzungsrisiko für Radfahrende in Konstanz bezogen auf die Zahl der EinwohnerInnen im Vergleich zu anderen Städten mit hohem Radverkehrsanteil gering ist.“

Die Zahl der registrierten Unfälle zwischen Autos und Fahrrädern sei rückläufig. Dazu beigetragen hätten auch „einige Veränderungen der Radverkehrsinfrastruktur in den vergangenen Jahren“, so Gaffga – ein Beispiel ist die Einrichtung mehrerer Fahrradstraßen.

Der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Konstanz Gregor Gaffga findet, dass die Konzilstadt für Radfahrer eine sichere Stadt ist.
Der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Konstanz Gregor Gaffga findet, dass die Konzilstadt für Radfahrer eine sichere Stadt ist. | Bild: Stadt Konstanz

Dass sich in den vergangenen Jahren viel in Konstanz in puncto Radverkehr und -Sicherheit getan hat, sieht auch Ralf Seuffert, vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). „Grundsätzlich ist das Radwegenetz in Konstanz nicht schlecht, aber natürlich verbesserungswürdig“, findet er. Nach seiner Auffassung sei die Gesellschaft noch sehr autofixiert.

Gleichzeitig nehme der Radverkehr zu – in Konstanz liegt dieser bei 34 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Studienreihe der Technischen Universität Dresden. „Da muss auf die Radfahrer Rücksicht genommen werden“, erklärt er. Am besten sei es, wenn der Rad-, Auto- und auch Fußverkehr getrennt werde.

„Grundsätzlich ist das Radwegenetz in Konstanz nicht schlecht, aber natürlich verbesserungswürdig“, sagt Ralf Seuffert vom ...
„Grundsätzlich ist das Radwegenetz in Konstanz nicht schlecht, aber natürlich verbesserungswürdig“, sagt Ralf Seuffert vom ADFC Konstanz. | Bild: Patrick Brauns

Die Stadt möchte, dass sich Radfahrer sicherer fühlen. „Aus der Max-Stromeyer-Straße ist bekannt, dass Radfahrende sich auf dem Radfahrstreifen stadteinwärts teils unsicher fühlen“, sagt Gaffga. Das wolle die Stadt ändern.

„Hier fehlt neben den am Fahrbahnrand markierten Stellplätzen der Sicherheitstrennstreifen zu den parkenden Autos. Gleichzeitig gibt es entlang der Max-Stromeyer-Straße relativ viele Ein- und Ausfahrten zu Gewerbebetrieben“, so der Radbeauftragte. Deshalb wird dieses Jahr in „Teilen der Max-Stromeyer-Straße eine Fahrbahnsanierung geplant, in deren Zuge selbstverständlich auch die Markierungen optimiert werden.“

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