Langsam senken sich die Halbschranken am Bahnübergang Petershausen. Ein Fahrradfahrer nach dem anderen muss bremsen und absteigen. Auf beiden Seiten des Schienenübergangs stehen mit jeder Minute des Wartens mehr Radler. Neugierig schauen sie die Bahngleise entlang. Wann kommt der Seehas oder die Schwarzwaldbahn vorbei? Nur ein Radler beweist keine Geduld. Ihm dauert es zu lange. Er fährt zwischen den runtergelassenen Halbschranken über die Schienen.

Tägliche Szene am Bahnübergang Petershausen Video: Steinert, Kerstin

Szenen wie diese sind keine Seltenheit am Bahnübergang Petershausen. Die Ungeduld der Wartenden ist für die Stadt Konstanz nachvollziehbar, stellt aber auch ein Sicherheitsrisiko dar. Erst im Juli 2023 hat ein Radfahrer am Bahnübergang Schneckenburgstraße die geschlossen Schranken missachtet.  Er wurde von einem Seehas erfasst und verstarb noch an der Unfallstelle. Zu diesem gefährlichen Entschluss beigetragen haben auch sicher die langen Wartezeiten an den Bahnübergängen. Wie die Stadt Konstanz in einer Pressemitteilung berichtet, kommt es pro Stunde zu 20 Minuten Wartezeit. Zu viel für die Stadt. Deswegen ist sie schon seit Jahren in Gesprächen mit der Deutschen Bahn (DB).

(Archivbild) Beim Bahnübergang Schneckenburgstraße ist es im Juli 2023 zu einem tödlichen Unfall zwischen einem Fußgänger und einem ...
(Archivbild) Beim Bahnübergang Schneckenburgstraße ist es im Juli 2023 zu einem tödlichen Unfall zwischen einem Fußgänger und einem Seehas gekommen. | Bild: Aurelia Scherrer/SK-Archiv

Aber: Ganz so schnell und einfach geht es nicht. Wer sich mit dem Bahnverkehr beschäftigt, weiß: Geduld ist eine Tugend. Die Stadt möchte die Weichen für schnell umsetzbare Lösung stellen, während die DB das Problem erstmal auf einem Abstellgleis geparkt hat.

Das könnte Sie auch interessieren

Lange Wartezeiten an Bahnübergängen

Doch erst mal die Frage: Warum sind die Wartezeiten eigentlich so lang? Grund dafür ist ein Schienen-Blockabschnitt, der vom Bahnhof Konstanz bis westlich der Schneckenburgstraße reicht. Kurz gesagt: Die vier Schranken auf dieser Strecke gehen alle gleichzeitig runter. Dann heißt es für alle Verkehrsteilnehmer auf der Straße oder dem Gehweg, die über einen der Bahnübergänge beim Konzil, dem Inselhotel, der Jahn-/Petershauser Straße oder Schneckenburgstraße wollen, warten.

Damit die Wartezeit geringer wird, hat die Stadt zwei Ideen: Erstens die Verkürzung der Blockabschnitte, zweitens der Bau einer Unter- oder Überführung – im Fachjargon sagt man auch eine planfreie Querung. „Wir sind mit der Bahn generell in Kontakt für eine Problemlösung“, schreibt Anja Fuchs, Pressesprecherin der Stadt.

(Archivbild) Der Bahnübergang beim Inselhotel ist einer von vier Übergängen, die in Konstanz gleichzeitig geschlossen sind.
(Archivbild) Der Bahnübergang beim Inselhotel ist einer von vier Übergängen, die in Konstanz gleichzeitig geschlossen sind. | Bild: Kirsten Astor/SK-Archiv

Doch die Rechnung, so wie die Stadt sie gerne aufmachen möchte, wird wohl nicht funktionieren. Das deutete die Bahn in einer Antwort der Stadt gegenüber an. Das bestätigt ein Sprecher der Deutschen Bahn auch gegenüber dem SÜDKURIER. Eine Blockverkürzung sei technisch sehr aufwendig und teuer. Des Weiteren würde es wohl kaum das Problem der Wartezeiten reduzieren. Dennoch würde die Stadt das gerne umsetzen. Zum einen wegen der Wartezeiten an den Bahnübergängen als auch wegen des grenzüberschreitenden Schienenprojekts Agglo-S-Bahn, welches sich sonst nur schwer realisieren ließe.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Bahnsprecher erklärt: Würde man die Blöcke verkürzen, würde man zwar die Kapazitäten auf der Schiene erhöhen. Eine Taktverdichtung für das Projekt Agglo-S-Bahn könnte so eventuell umgesetzt werden (aber auch nur, wenn der Abschnitt zwischen Sternenplatz und Bahnhof zweigleisig ausgebaut werden würde). Das hätte wieder zur Folge, dass die Schranken wegen der höheren Anzahl der verkehrenden Züge, öfter runtergehen müssten. Die Wartezeiten für den querenden Verkehr würden dann sogar noch steigen.

Bahn sieht erst mal keinen Handlungsbedarf

Und was ist mit der zweiten Idee: der Unter- oder Überführung? Generell ist die Bahn da aufgeschlossen. Auch sie möchte Übergänge, wo sich Schienen, Straßen und Gehwege treffen, verschwinden lassen. „Bahnübergänge sind störungsanfällig und die Instandhaltung ist kostenintensiv“, sagt der Bahnsprecher. Daher sei das Unternehmen durchaus daran interessiert, Brücken und Unterführungen zu bauen.

Jedoch sei der Bau einer Unterführung sehr teuer. „Die Kosten dafür würden im zweistelligen Millionenbereich liegen“, sagt er. Auf die Stadt würden in dem Fall keine Kosten zukommen. Diese würden auf den Bund (50 Prozent), die Infra Go (ein Drittel, ehemals DB Netz) und das Land (ein Sechstel) aufgeteilt werden.

Trotzdem wird aus der Idee wohl erst mal nichts. Der Bahnübergang Petershausen sei ungefähr 40 Jahre alt, werde regelmäßig gewartet und funktioniere. Es bestehe also zunächst kein Handlungsbedarf aus Sicht der Bahn. Das Wunschprojekt der Stadt genieße daher keine hohe Priorisierung bei der Bahn. Das Schienennetz in Deutschland umfasse 33.000 Kilometer und es gebe Tausende Bahnübergänge, die man zuerst modernisieren müsse, erklärt der Bahnsprecher. „Wir wollen in etwa fünf Jahren den Bahnübergang Petershausen auf den Investitionsplan setzen“, heißt es. Doch auch dann würden noch einige Jahre ins Land ziehen, bevor der erste Spatenstich gemacht werde. Das dauere dann sicher noch zehn Jahre, vermutet der DB-Sprecher.

Das könnte Sie auch interessieren

Dabei finden schon seit Jahren Gespräche zwischen Bahn und Stadt wegen dieser Idee statt. Die Stadt Konstanz habe bereits im November 2021 einen „Antrag auf ein planfreie Querung“ gestellt, teilt Stadtsprecherin Anja Fuchs auf SÜDKURIER-Nachfrage mit. „Bis heute haben wir trotz wiederholter Aufforderung keine Antwort auf den konkreten Antrag erhalten“, sagt die Stadt-Sprecherin. Damit verzögere sich auch die Verkehrsplanung für das Projekt Agglo-S-Bahn, die eine Taktverdichtung auf der Schiene ermöglichen würde. Dieses Versäumnis will die Bahn jetzt tilgen. „Wir werden die Antwort jetzt nachholen“, entschuldigt sich der Bahnsprecher am Telefon. Jedoch macht er wenig Hoffnung, dass die Antwort im Sinne der Stadt ausfallen werde. Aufgegleist werde das Projekt wohl erst mal nicht.