Bernhard Müller zeigt auf das Schild, nach dem das Radfahren auf dem Konstanzer Hauptfriedhof verboten ist. Dieses werde ständig ignoriert. Er habe noch nie Kontrollen gesehen und niemanden, der bestraft wurde. „Es passiert einfach nichts“, bemängelt Müller. Er sei regelmäßig auf dem Friedhof, weil er dort ein Grab besuche.
In der Stunde zwischen 11 und 12 Uhr, in der er zum Gespräch auf dem Friedhof steht, sind zwischen den Gräbern neun Radfahrer und Menschen auf E-Rollern zu sehen. Zwei junge Frauen auf einem E-Roller sind sehr schnell unterwegs. Ein Radfahrer weicht einer Trauergesellschaft gerade noch aus.
Bernhard Müller ist der Meinung: Vor allem Radfahrern in Gruppen fehle es an Anstand und Respekt. „Die fahren überall.“ Als er das Problem einmal auf einem sozialen Forum ansprach, sei er beschimpft worden. Er vertritt die Ansicht: Wenn das Schild, welches das Radfahren auf dem Friedhof verbietet, stehen bleiben solle, ergebe es nur Sinn, wenn es auch Kontrollen gebe. Gebe es keine, könne man das Schild auch abschrauben.

Und was sagen andere Friedhof-Besucher dazu?
Viele Radfahrer kommen aus Richtung Taborweg, sie sehen offenbar den Friedhof als Durchgang an. Hier gibt es breite, asphaltierte Wege. Auffallend viele sind wie selbstverständlich mit dem Rad oder dem Elektro-Roller auf dem Friedhof unterwegs.
Doch ist das überhaupt ein Problem? Die 89 Jahre alte Lucie Zurek, auch ein stetiger Gast am Friedhof, berichtet, sie sehe immer wieder Menschen auf dem Rad. Diese seien aber freundlich und rücksichtsvoll und würden absteigen, wenn es eng wird.
Eleonore Spitzner sagt Ähnliches: „Die passen auf.“ Ihr sei es egal, wenn ein Radfahrer eine Abkürzung nimmt. Sie sagt: „Wenn ich aufs Rad angewiesen wäre, würde ich auch zum Grab fahren.“ Die Strecken auf dem Friedhof seien lang, und für Menschen, die nicht mehr so gut gehen können, mühsam.
Helga Binder hat den Eindruck, dass vor allem ältere Personen mit dem Rad unterwegs sind. Sie hat kein Problem damit. Otto Zeitler, der seit elf Jahren fast täglich auf dem Friedhof ist, sagt über die Radler: „Mich hat noch nie einer gestört.“ Auch Florian Dotzer sagt, er sehe in Radfahrern keine Bedrohung.

Peter Hasemann, Leiter der Technischen Betriebe, widerspricht vehement, denn er und sein Friedhofsteam haben ganz andere Erfahrungen gemacht: „Nein, es wurde nicht darüber nachgedacht, langsames Radfahren zu erlauben. Vielmehr wurde und wird darüber nachgedacht, was gegen das rücksichtslose Rasen auf dem Friedhof unternommen werden kann. Die Sicherheit aller Besucher steht bei uns klar im Vordergrund.“
Mehr Beschwerden über Radler als über Hunde
Die am häufigsten vorgetragene Beschwerde betreffe Radfahrer, noch deutlich vor Hunden auf dem Friedhof „Ich selbst kann aus leidvoller Erfahrung berichten: Einmal bin ich von einem Schulkind angefahren worden. Die begleitende Mutter hat sich nicht entschuldigt, sondern mir noch wüste Vorwürfe gemacht, ich hätte doch besser aufpassen sollen.“
Eine weitere Situation ist ihm im Gedächtnis geblieben: „Ein andermal wurde ich von einem Seniorenpärchen beschimpft, die ich auf das Fahrverbot hingewiesen habe. Auch den Mitarbeitenden des Friedhofs geht es so, wenn sie Radfahrer über das Fahrverbot ansprechen: häufig Beleidigungen, so gut wie nie Einsicht.“

Auch eine Besucherin, die jüngst einen Radler angesprochen habe, sagte, sie sei aufs „Übelste beleidigt“ worden und ihr sei „Gewalt angedroht“ worden. Hasemann berichtet weiter: „Es kam auch schon zu Beinahe-Zusammenstößen zwischen Besuchern, Trauerfeiern, Mitarbeitern oder mit Fahrzeugen der Handwerker. Leider sind das keine Ausnahmen.“
Er hält es für einen Widerspruch, von rücksichtsvollen Radfahrern auf dem Friedhof zu sprechen. „Es ist verboten, auf dem Friedhof zu radeln, und wer es trotzdem tut, ist nicht rücksichtsvoll. Wer sein Rad schiebt, ist eine rücksichtsvolle Person, die sich an Vorschriften hält, aber kein Radfahrer mehr.“ Das Radfahrverbot auf dem Friedhof wurde vom Gemeinderat beschlossen. Es gelte bereits „seit vielen Jahrzehnten in Konstanz, genauso wie in fast allen anderen Friedhöfen in der ganzen Bundesrepublik“.

Denn Friedhöfe seien besondere Orte, auf denen Hinterbliebene einen Platz für ihre Trauer, aber auch Ruhe, Entspannung, Erholung und Austausch fänden. „Hier soll es zu keinen Störungen bei Trauerfeiern, beim Trauerzug zu den Gräbern oder bei der Stillen Andacht kommen. Allein vor diesem Hintergrund gebietet der Respekt vor den Verstorbenen und deren Angehörigen besonders rücksichtsvolle Umgangsformen.“
Wird auf dem Friedhof bald der Verkehr kontrolliert?
Peter Hasemann hat noch viele Gründe, warum der Friedhof mit seiner Parkanlage, der besonderen Wegestruktur und Topografie für Fahrräder, Roller, Skateboards und Pedelecs gesperrt sein muss. „Die vielen engen Wege haben verschieden Untergründe und Beläge. Durch die reichhaltige Bepflanzung mit Bäumen und Hecken sind die Wege teils schwierig einzusehen.“
Neben den Trauernden seien auch viele Spaziergänger unterwegs, aber auch Personen, darunter Kinder, die den Friedhof erkunden wollten. Es müsse zudem gewährleistet sein, dass der Friedhofsbetrieb mit seinen Baggern, Lastwagen und Rasenmähern sowie andere Handwerksbetriebe wie Gärtner, Steinmetze und Bestatter störungsfrei ihrer Arbeit nachgehen können.
Der Leiter der Technischen Betriebe will den Vorschlag aufgreifen, das Ordnungsamt für Kontrollen ins Boot zu holen. Denn bisher nähmen Mitarbeiter aufgrund des umfangreichen Arbeitspensums nur Stichproben vor. In der Regel versuche man es mit Ansprache, und ernte oft Beleidigungen. Immer wieder würden sie von Friedhofsbesuchern aufgefordert, mehr zu kontrollieren. „Wir halten fest: Wenn wir kontrollieren, werden wir beschimpft, wenn nicht, dann auch.“
Was auf dem Friedhof auffällt: Alle (Neben-)Eingänge sind offen, auch für illegale Radfahrer. Wären hier Sperrbügel eine Lösung? Peter Hasemann sagt: Wahrscheinlich nicht, denn so würde der Durchgang mit Rollstuhl, Rollator oder Handwagen verhindert. „Wir greifen den Gedanken aber nochmals auf.“