Der Einkaufstourismus aus der Schweiz ist seit Anfang Juli in voller Stärke zurück: Zu diesem Schluss kommt auf den ersten Blick, wer sich die von 'Monitoring Consumption Switzerland' veröffentlichten Zahlen anschaut. Das Forschungsprojekt erhebt die Debitkarten-Transaktionen von Schweizern in Deutschland.

Aussagen von Konstanzer Händlern gegenüber dem SÜDKURIER ließen jedoch bereits vor einem Monat Zweifel aufkommen, ob diese Schlussfolgerung richtig ist. Denn die Debitkarten-Erhebung erfasst keine Bargeldzahlungen. Und laut Konstanzer Händlern fehlten Mitte Juli noch immer rund 20 bis 30 Prozent der Schweizer Kunden im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten.

Anzahl „Grüner Zettel“ um rund die Hälfte eingebrochen

Dass der Schein trügt, belegen jetzt auch Zahlen des Hauptzollamts Singen zu den abgefertigten Ausfuhrscheinen, den „Grünen Zetteln“, dank denen Schweizer die Mehrwertsteuer auf in Deutschland gekaufte Produkte zurückerstattet bekommen.

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Seit Mai stiegen die Abfertigungszahlen im Zuständigkeitsbereich des Hauptzollamts zwar wieder, erklärt Pressesprecher Mark Eferl auf SÜDKURIER-Nachfrage. Aber sie hätten – Stand 5. August – das Niveau vor Beginn der Corona-Krise immer noch nicht erreicht. „Derzeit liegt das Niveau ungefähr 50 Prozent unter dem Niveau vor Corona“, so Eferl weiter.

Genaue statistische Zahlen zur Anzahl „Grüner Zettel“ veröffentlicht die Zollverwaltung während des Jahres keine. Jedoch machen die Abfertigungszahlen der Vorjahre deutlich, dass der Einkaufstourismus nach Beginn der Corona-Pandemie 2020 stark eingebrochen ist: Die Zollämter entlang der Grenze von Konstanz bis Bad Säckingen fertigten 57 Prozent weniger Ausfuhrscheine ab als im Jahr 2019.

Bild 1: Schweizer Einkaufstourismus noch lange nicht auf Vor-Corona-Niveau: Das belegt die Anzahl der „Grünen Zettel“
Bild: Alexander Bernhardt (Grafik) | Quelle: HZA Singen

„Die Gründe dieses massiven Rückgangs sind zum einen der Einführung der Bagatellgrenze zum Jahresbeginn 2020 und zum anderen den Grenzschließungen beziehungsweise den verschärften Corona-Einreisebeschränkungen geschuldet“, so Hauptzollamt-Pressesprecher Eferl.

IHK: Wichtigste Pfeiler des Schweizer Einkaufstourismus bleiben

Die Zahlen des Hauptzollamts zeigen aber, dass die Anzahl abgefertigter Ausfuhrscheine in den Zollämtern an der Grenze zur Schweiz bereits seit 2016 leicht zurückgegangen ist. Darauf weist auch Claudius Marx hin, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee. Marx bestätigt, dass die Einkaufstouristen aus der Schweiz noch nicht vollumfänglich zurückgekehrt sind.

Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer IHK Hochrhein-Bodensee
Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer IHK Hochrhein-Bodensee | Bild: Achim Mende/SK-Archiv

Er betont aber zugleich: „Man muss einfach auch wissen, dass es schon vor Corona einen leichten Rückgang gab.“ Und dann sei zusätzlich die Bagatellgrenze Anfang vergangenen Jahres gekommen. Seither wird Schweizern die Mehrwertsteuer nur noch dann zurückerstattet, wenn sie für mehr als 50 Euro einkaufen. Auch ohne Corona würde der Handel wohl nicht mehr die Spitzenwerte erreichen – wie noch vor einigen Jahren.

„Hüben wie drüben“ setze zudem der Online-Handel dem stationären Handel zu, betont Marx. Der IHK-Hauptgeschäftsführer ist aber dennoch zuversichtlich, dass sich die Situation für den Handel in Konstanz weiter erholen wird. Denn auf absehbare Zeit würden sich die wichtigsten vier Pfeiler, auf denen der Einkaufstourismus ruht, nicht groß verändern: „Das unterschiedliche Preisniveau und Einkommensniveau sowie der Wechselkurs und die Umsatzsteuerrückerstattung“ – diese Punkte seien wesentlich, so Marx.

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Dass diese Erholung derzeit noch auf sich warten lässt, liegt für Marx unter anderem an einer allgemeinen Verunsicherung, die sich in den vergangenen Monaten unter Schweizer Kunden breit gemacht habe. Aufgrund der sich ständig ändernden Corona-Regeln in Deutschland. „Das führte dazu, dass viele nicht wussten, was ihnen blüht, wenn sie über die Grenze gehen“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Händlervereinigung: „Das Einkaufserlebnis ist nach wie vor getrübt“

Daniel Hölzle sieht in den Corona-Maßnahmen ebenfalls mit einen Grund dafür, dass mancher Schweizer noch zögert, wieder in Konstanz einzukaufen. Laut dem Vorsitzenden der Konstanzer Händlervereinigung Treffpunkt geht man derzeit davon aus, dass sowohl in Konstanz als auch Singen branchenübergreifend noch immer etwa 25 Prozent weniger Umsatz generiert werde als 2019.

Daniel Hölzle, Vorsitzender der Händlervereinigung Treffpunkt aus Konstanz.
Daniel Hölzle, Vorsitzender der Händlervereinigung Treffpunkt aus Konstanz. | Bild: Bernd Kern/SK-Archiv

„Vor allem in Konstanz ist das Einkaufserlebnis durch die Maskenpflicht und ähnliches noch immer etwas getrübt“, sagt Hölzle. Denn nach Konstanz gingen viele Schweizer nicht nur zum Einkaufen, sondern würden dies mit einem Ausflug, inklusive Essen im Restaurant, verbinden.

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