Wenn Alex Behning ins Erzählen kommt, nimmt er Tempo auf, dann nimmt seine Sprechgeschwindigkeit zu, und dann sprudelt es nur so aus ihm heraus. In seinem Kopf haben sich eine Menge Projektideen angesammelt, die wollen alle raus und umgesetzt werden. Der Corona-Stau muss endlich aufgelöst werden, und die Zeichen stehen hierfür gut.
Alex Behning ist Songwriter, Musiker, Produzent, die Gitarre ist sein Hauptinstrument. Seit nunmehr 17 Jahren lebt er mit seiner Familie in Konstanz, weil er sich bei einem Urlaub in die Stadt verliebt hatte. Zuvor war er in Hamburg, hat als Musiker für Labels und Clubs gearbeitet. „Ich war wegen der Musikindustrie dort“, sagt er.
Als Folk-und Bluessänger schreibt er seit längerem auf Deutsch seine eigenen Songs. Inzwischen sind drei Alben erschienen, die Musikkritik hat sein Schaffen sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen und auch gewürdigt.
Ein Jahr im Stillstand – doch die Kreativität steht nicht still
Für jedes Album wurde er für die Bestenliste beim Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert. Das ist doch was, das zählt wie ein Adelsschlag. Anerkennung, die man auf diesem steinigen, eigenen Weg dringend gebrauchen kann. Um durchzuhalten etwa, denn ein Leben von der Musik, das geht mit nur einem Standbein nicht.
Vor Corona hatte Alex Behning eine Anstellung als Musikpädagoge. Er kündigte, um ganz auf die Musik zu setzen. Dann kam das Virus. Alle Live-Auftritte, „mit denen du letztlich deine Alben verkaufen kannst“, waren gestrichen: ein Jahr totale Flaute, Stillstand, existenzielle Sorgen.
Im Sommer des vergangenen Jahres ist er mit seinem Plattenspieler, einer Playback-Aufnahme seiner Songs und der Gitarre durch deutsche Städte gezogen, hat sich vor Musikshops gestellt und gespielt. Einfach, um was zu tun, nicht untätig zu bleiben, Selbstwirksamkeit zu spüren.
Behing formuliert es so: „Sich selbst wachküssen aus dem Dornröschenschlaf der Pandemie.“ Er hat es mit der Sprache und die Sprache mit ihm. Aber bevor er sie für die Arbeit nutzt, braucht es die Beobachtungen, den aufmerksamen wachen Geist, der die Impulse für die Songs wahrnimmt, aufgreift und bearbeitet.
In der Bar oder auf die Fähre: Inspiration findet Behning überall
Ein Beispiel: Ein Abend im Konstanzer Kula, eine junge Bedienung trägt auffällige Schuhe. Darauf angesprochen, erzählt sie begeistert, die habe das Paar in New York in einem Hinterhof gekauft. Seitdem sie die Schuhe trage, fühle sie sich einfach wohl. Für Alex Behning ein wunderbares Motiv, Die Bedienung hieß Desiree und sie erlaubte ihm, ihre Geschichte zu verwenden. So hieß das Titellied und das erste Album dann „Hinterhofschuhe aus New York“.
So geht ein Songwriter mit dem um, was ihm im Leben begegnet. Oder er fährt mit dem Bus zur Fähre. Nebenan hält ein Auto, ein Mann steigt aus, streitet sich mit der noch im Auto sitzenden Frau und geht weg. Alex Behning inspiriert das darüber nachzudenken, welche Situationen es im Leben geben kann, in denen man aussteigt und zu Fuß weitergeht. Schon hat er Stoff für das nächste Lied.
Es geht auch anders: Drei Musiker treffen sich, würfeln Akkorde zusammen, jeder setzt sich hin und schreibt eine kleine Melodie daraus. Später, in einem Café, taucht aus dem Nirvana der Text auf: „Egal was passiert.“ Aber das ist nicht alles, der Kopf ist immer noch voll.
Zwölf bis 15 Konstanzer Musiker, die selbst Lieder schreiben, hat er zusammengebracht, mit denen er nun in Kooperation mit dem Kulturamt Konstanz ein Album aufnimmt. Mit seiner eigenen Tontechnik und mit einem Cover von der Künstlerin Simone Albert, die am Konstanzer Gassenfreitag gerne ihr Atelier in der Niederburg für Musiker öffnet.
Liedermacher aus der Region starten gemeinsames Musik-Projekt
Unter den Musikern sind lokal und überregional bekannte Musiker wie Rüdiger Bierhorst, Bene Sienz, Tasben, Thea Tanneberger, Hanna Fearns und Mohamed Badawi, alle im Alter zwischen Anfang zwanzig und kurz vor der Sechzig. Der Liedermacher-Sampler erscheint auf Alex Behnings Label Ufer Records, eine Reihe ist geplant.
Und im Sommer sind endlich wieder Live-Konzerte, vielleicht im Bodenseestadion, möglich? Dort läuft gerade die Planung für eine Veranstaltung, Alex Behning soll dabei sein. Wäre das schön, wenn es wieder los geht. Wobei: In seinem kreativen Kopf war Alex Behning die ganze Zeit fern von Lockdown.