Kevin Kühnert, SPD-Politiker und ehemaliger Bundesvorsitzender des Jusos
Kevin Kühnert, SPD-Politiker und ehemaliger Bundesvorsitzender des Jusos | Bild: Kay Nietfeld/dpa

Herr Kühnert, gestatten Sie eine persönliche Frage: Wie wohnen Sie? Sind Sie Mieter oder leben Sie in den eigenen vier Wänden?

Mir geht es wie vier von fünf Berlinern. Ich wohne zur Miete. Übrigens aus Überzeugung.

Und wie viel müssen Sie bezahlen?

Ich lebe seit zehn Jahren in einer Wohngemeinschaft in Berlin-Schöneberg und wir haben Glück. Es handelt sich um einen unsanierten Altbau und mein Anteil an der Warmmiete liegt unter 500 Euro...

... in Konstanz liegt der Mittelwert für ein WG-Zimmer bei 450 Euro.

Das kommt auch in meinem Fall ungefähr so hin. Natürlich spielt es gerade in einer so großen Stadt wie Berlin eine Rolle, wo man wohnt. Die Mieten in Berlin-Mitte sind anders als beispielsweise in Marzahn.

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In Berlin gibt es immerhin Unterschiede bei den Mietpreisen. In Konstanz ist so gut wie jede Wohnung einfach nur teuer. Hier würden sich Wohnungssuchende über Verhältnisse wie in der Hauptstadt freuen.

Daran zeigt sich, dass die Debatte nicht ohne Differenzierung auskommt. Sinnvoll ist beispielsweise, sich das verfügbare Einkommen der Haushalte vor Ort anzuschauen – und ich weiß, dass das in Konstanz im Vergleich zu Berlin verhältnismäßig hoch ist. Auf dieser Grundlage kann man dann den Anteil errechnen, der vom Netto-Einkommen für die Miete aufgewendet werden muss. Mehr als 30 Prozent sollten das nach Überzeugung der SPD nicht sein.

Wie lässt sich das Problem lösen? In Konstanz gibt es beispielsweise die städtische Wohnbaugesellschaft Wobak mit rund 4200 Wohnungen im Bereich des geförderten Wohnungsbaus. Auch in Berlin kann die Stadt über etwa ein Drittel des Wohnungsbestandes Einfluss auf das Mietpreisgefüge nehmen. Andere Städte und Kommunen haben diese Option nicht – und dennoch rauschen die Mietpreise in Konstanz und Berlin durch die Decke. Woran liegt‘s?

Das liegt daran, dass es schlicht zu wenige Wohnungen gibt.

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Und warum überlassen Sie das nicht dem Markt?

Weil der Markt seine privaten Investitionen refinanzieren muss und folglich im Neubau Kaltmieten ab 14 Euro aufwärts aufruft. Für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen ist das nicht leistbar. Das Wohnen hat sich bei uns längst zur Stellvertreter-Frage für die Schieflage im sozialen Gefüge entwickelt. In Berlin beispielsweise ist ein Wohnungswechsel vielfach mit dem Verlust sozialer Bindungen verbunden, weil der Umzug von einem Ende der Stadt zum anderen fast schon so etwas wie einer Fernreise gleichkommt. Das muss man sich ganz lebensnah vorstellen: Für die Großeltern kann das bedeuten, dass sie ihre Kinder oder Enkel sehr viel seltener sehen.

Der geförderte Wohnungsbau löst das Problem aber auch nicht – bestes Beispiel dafür ist Berlin.

Schuld ist nicht etwa der geförderte Neubau, sondern vielmehr dessen zu geringer Umfang. Wir arbeiten hier gegen die Zeit, denn andauernd fallen vormalige geförderte Wohnungen aus der Preisbindung heraus. Wir müssen also schneller bauen, als anderswo Belegungsbindungen entfallen. Deshalb will die SPD mindestens 100.000 preisgünstige Wohnungen bauen – und zwar ab jetzt jedes Jahr.

Also kommunaler Wohnungsbau um jeden Preis?

Die Kommunalen und Genossenschaften müssen das nicht alleine stemmen. Unser Ziel ist es, mit einer neuen Wohngemeinnützigkeit hunderttausende Wohnungen langfristig bezahlbar zu halten. Das ist keine neue Erfindung, in Deutschland wurde das durch Schwarz-Gelb 1989 dummerweise abgeschafft.

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Wie soll das funktionieren? Hier in Konstanz sind die Vermieter per se ja keine Heuschrecken. Das sind zum Beispiel Handwerker, für die vermietete Wohnungen so etwas wie eine Altersversorgung darstellen. Warum sollten diese Vermieter auf Gemeinnützigkeit umschwenken?

Private Kleinvermieter passen idealtypisch in die Wohnungsgemeinnützigkeit. Sie kennen ihre Mieter, sind an langfristiger Belegung interessiert und streben in der Regel keine Mondrenditen an. Und wir fragen uns, wie man diese Art der Vermietung unterstützen und fördern kann.

Ihr Vorschlag?

In der Wohnungsgemeinnützigkeit wird vor allem kostendeckend gewirtschaftet und es gibt dementsprechend eine Gewinnbeschränkung. Die sichert eine kleine Rendite und Rücklagen für die Instandhaltung. Wer sich freiwillig daran bindet, soll im Gegenzug von der Politik durch Steuervergünstigungen unterstützt werden. Das bietet wechselseitige Sicherheit und Planbarkeit.

Und der Berliner Mietendeckel? Der wurde vor Gericht kassiert...

... aber nur, weil das Land Berlin das nicht im Alleingang machen darf. Laut Verfassungsgericht ist das Sache der Bundespolitik.

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Da hat die SPD seit 1998 – mit Ausnahme der Jahre 2009 bis 2013 – ein gewichtiges Wort mitzureden. Musste Kevin Kühnert erst geboren werden, damit die SPD die Behebung der Wohnungsnot als flächendeckende Aufgabe erkennt?

Gewiss nicht. Aber man erkennt, was es bedeutet, wenn seit 16 Jahren eine Partei wie die Union das Sagen hat. Als Juniorpartner lässt sich die Politik nur bedingt beeinflussen. Und die grundsätzlichen Unterschiede werden jetzt beim Wohnen deutlich. Denn was nützt es den Menschen, wenn höhere Löhne oder Renten durch die rasant steigenden Mieten aufgefressen werden? Da mag es zwar lokale Unterschiede geben, aber es läuft immer aufs Selbe hinaus. In Baden-Württemberg gibt es in Unternehmen zum Beispiel mehr als anderswo die Beteiligung am Unternehmensgewinn in Form von Prämien. Aber das ist angesichts der Mieten oder der Preise für Eigentumswohnungen und Bauland in Konstanz schnell wieder weg. Das alles zeigt, dass die Politik aktiv werden muss.

Herr Kühnert, eine letzte Frage: Wie ist Ihre Position zu Enteignungen von Grundstücken zum Zweck des Wohnungsbau? Das ist hier in Konstanz im Zusammenhang mit einem Baugebiet namens Hafner ein heiß diskutiertes Thema. In dem Gebiet sollen mehr als 3000 Wohnungen gebaut werden.

Ich kenne die konkrete Gemengelage rund um das Bauvorhaben natürlich nicht und möchte mich daher nicht besserwisserisch einmischen. Die Rechtslage ist grundsätzlich klar. Artikel 14 unseres Grundgesetzes betont die Sozialpflichtigkeit des Eigentums und wo wäre dieser Hinweis wichtiger als beim Wohnen. Bauland und Wohnungen erfüllen elementare soziale Zwecke, die schwerer wiegen, als die Gewinnabsichten einzelner. Am besten ist immer die Überzeugungsarbeit in Verhandlungen, aber irgendwann muss die Politik auch entscheiden. Wann was entschieden werden muss, das wissen Verantwortliche vor Ort am besten.

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