Am 18. Juni 2022 um kurz nach 0 Uhr geht bei der Wasserschutzpolizei Überlingen eine Meldung ein: Vor dem Hafen in Überlingen fahre ein Motorboot mit geringem Abstand zum Ufer und zu hoher Geschwindigkeit hin und her.

Im Nachgang stellt sich heraus, dass durch den dadurch erzeugten Wellengang mindestens ein im Yachthafen liegendes Boot zu Schaden gekommen ist. Ein Geschädigter versucht in der Nacht sein Boot mit den Händen zu sichern. Den 2,5 Tonnen schweren Koloss kann er allerdings nicht davon abhalten, gegen die Hafenwand zu stoßen, wie er vor Gericht aussagt. Ein Schaden in Höhe von 1700 Franken entsteht.

Alkoholisierter Schiffsführer steht sieben Monate später vor Gericht

Vor dem Amtsgericht Konstanz muss sich wegen dieses Vorfalls knapp sieben Monate später der alkoholisierte Fahrer des Motorboots verantworten. Er steht wegen der Gefährdung des Schiffsverkehrs, dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung vor Gericht.

Der zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alte Angeklagte fährt nach der Aktion mit dem Motorboot vor dem Yachthafen von Überlingen in Richtung Wallhausen. Eine Einheit der Wasserschutzpolizei Überlingen nimmt die Verfolgung auf. Beide Boote kommen im Hafen von Wallhausen zum Stehen. Auf der Außenmole bemerkt einer der Polizisten verdächtige Personen und fordert sie – nach Darstellung des Beamten – zum Stehenbleiben auf. Der Angeklagte wiederum sagt aus, die Beamten hätten sich in ihrer Funktion nicht zu erkennen gegeben. In der Folge habe ihn einer der Polizisten ohne Vorwarnung zu Boden gerungen.

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Dieser Punkt wird in der Gerichtsverhandlung breit diskutiert. Gab es Rufe wie „Stopp Polizei“? Wie gut war der Wallhauser Hafen beleuchtet? Waren die Polizisten als solche zu erkennen? Der Angeklagte und sein Verteidiger haben wenige Tage zuvor eine Liste mit Zeugen vorgelegt, die die Version ohne Rufe stützen würden. Denn neben den Personen, die mit dem Angeklagten auf dem Boot waren, gab es auch zwei Passanten, die die Festnahme beobachtet haben. Um die Zeugen zu vernehmen, müsste es vor Gericht allerdings einen zweiten Prozesstermin geben. Dazu wird es jedoch nicht kommen.

Der Angeklagte hatte fast 1,6 Promille

Ein Bluttest am 18. Juni ergibt beim Angeklagten einen Alkoholpegel von 1,58 Promille. Er gesteht vor Gericht, das Boot betrunken gefahren zu haben. Vier Personen befanden sich laut seinen Angaben insgesamt darauf. Die Polizei macht in jener Nacht Fotos vom Boot im Hafen. „Das sah aus wie die Sau“, sagt einer der Polizisten. Diverse Alkoholika, Zigarettenstummel, ein Sektkühler – die Fotos zeigen den verwüsteten Innenraum des Bootes. Dabei gehörte das Boot nicht einmal dem Angeklagten, sondern einem Bekannten. Das Fahren war dem damals 20-Jährigen grundsätzlich erlaubt – allerdings nicht im Rahmen eines Alkoholexzesses.

Wie genau die Festnahme erfolgte, kann vor Gericht nicht abschließend geklärt werden. Dem Angeklagten merkt man allerdings den Frust über die wahrgenommene, ungerechte Behandlung an. Von den Schilderungen der Polizisten zeigt er sich „geschockt“. Der Polizeibeamte, der ihn zu Boden brachte, habe Glück gehabt. In seinem Judotraining habe er Hinfallen gelernt, sagt der Angeklagte. Es hätte bei dem Vorgang Schlimmeres passieren können.

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Staatsanwältin Morgental sagt, dass der Angeklagte in diesem Punkt auf sie sehr überheblich wirke. Er habe bereits alles eingeräumt und stelle sich nun als Opfer dar. „Eigentlich sehe ich es nicht ein, deswegen noch mal ein Fass aufzumachen“, sagt Morgental. Sie beantragt daher den Anklagepunkt des Widerstands gegen Vollzugsbeamte fallenzulassen. Richter Klaiber und der Verteidiger stimmen dem zu. Zu einem weiteren Prozesstag muss es aufgrund dessen nicht kommen.

Kann der junge Mann nach Jugendstrafrecht verurteilt werden?

Der Angeklagte ist ein eloquenter junger Mann. Oder doch eher ein Jugendlicher? Auch darum geht es im Prozess am Ende. Für das Strafmaß ist relevant, ob der zum Zeitpunkt der Tat 20-Jährige nach Jugendstrafrecht verurteilt werden kann. Die Entscheidung darüber obliegt dem Gericht. Das weist zunächst darauf hin, dass der Angeklagte durch den nächtlichen Bootstrip nicht das erste Mal auffällig geworden ist.

Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis – all dies hat er sich bereits zu Schulden kommen lassen. Diese Taten liegen allerdings schon recht weit zurück. Ob ein „Betäubungsmittelproblem“ vorliegt, möchte der Richter vom Angeklagten wissen. Nicht mehr, antwortet dieser. Zum Tatzeitpunkt habe er bereits seit zwei Jahren kein Cannabis mehr konsumiert. Auch den Alkoholkonsum habe er laut eigenen Aussagen seit Jahresbeginn 2023 stark reduziert.

Der Angeklagte war bereits in psychiatrischer Behandlung

Vor Gericht kommt außerdem eine Gutachterin zu Wort. Sie schildert recht detailliert den Lebensweg und ihre Wahrnehmung des Angeklagten: Scheidungskind und im Konflikt der Eltern aufgerieben. Abgeschlossene Ausbildung, aber unglücklich mit der aktuellen Stelle. Psychische Probleme, wegen denen er bereits in einer psychotherapeutischen Klinik war und die er künftig in einer ambulanten Therapie aufarbeiten möchte.

Seit vergangenem Jahr wohnt er nicht mehr bei seinem Vater, sondern allein. Er komme mit dem selbstständigen Leben, also Behördengängen und Ordnung halten in den eigenen vier Wänden, aber noch nicht zurecht. Hier könnte eine verzögerte Entwicklung vorliegen, urteilt die Gutachterin und bringt daher das Jugendstrafrecht ins Spiel. Staatsanwältin Morgental tut sich zunächst schwer damit, schließt sich aber letztlich der Gutachterin an. Sie hebt außerdem erneut hervor, dass der Angeklagte in allen Punkten geständig war.

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Die Staatsanwaltschaft schlägt am Ende einen Schuldspruch mit Bewährungszeit von zwei Jahren vor. Die Verteidigung plädiert für eine Verwarnung ohne Schuldspruch. Das Gericht entscheidet sich am Ende gegen die Anwendung von Jugendstrafrecht. „Die meisten Erwachsenen haben noch gewisse Defizite“, sagt Richter Klaiber zu der Entscheidung. Am Ende wird der Angeklagte wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu je 50 Euro. Von einer von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagenen Verordnung zu einer Drogenberatung oder Verkehrserziehung sieht das Gericht ab.