Christoph Selig und Lukas Engelmann stehen beispielhaft für eine ganze Generation: Sie sind verwurzelt in Konstanz, leben mit ihren Partnerinnen jeweils in einer Drei-Zimmer-Wohnung und möchten die Familienplanung einläuten. Doch sie wissen um die Schwierigkeit, in Konstanz bezahlbare größere Wohnungen zu finden; viele Paare in ihrem Alter verlassen die Stadt unfreiwillig.

Die beiden Männer und ihre Freundinnen aber möchten bleiben und können sich vorstellen zu bauen. Deshalb sind sie – wie rund 375 weitere Interessierte – am Dienstagabend, 25. März, ins Bodenseeforum gekommen. Dort stellte die Stadtverwaltung das Bauprojekt am Hafner vor, von der Grundstücksvergabe über die Zeitschiene bis zu möglichen Haustypen. Erstmals wurden auch Grundstückspreise genannt.
Für Oberbürgermeister Uli Burchardt ist der geplante Stadtteil ein zentraler Baustein, um Familien in Konstanz zu halten. „Bei den Mieten gehört Konstanz zu den 20 teuersten Städten in Baden-Württemberg, bei den Kaufpreisen sogar zu den zehn teuersten in Deutschland“, sagte er. Deshalb ist es für ihn unabdingbar, dass am Hafner spekulationsfreier Wohnraum geschaffen wird, mit festgelegten Grundstückspreisen.
Townhouse für bis zu 610.000 Euro
Die Planer ließen anhand realer Gegebenheiten in Konstanz errechnen, was der Grund und Boden kosten wird. Dabei sind Preise für Photovoltaikanlagen, Außengestaltung und Erschließung inbegriffen. Hier ein Beispiel: Ein rund 114 Quadratmeter großes Grundstück für ein Townhouse kostet etwa 171.000 Euro. Dazu kommen knapp 400.000 Euro Baukosten, was einen Gesamtpreis zwischen 560.000 und 610.000 Euro ergibt. Angenommen wurde eine Bruttogrundfläche von rund 149 Quadratmetern.
In einem zweiten Beispiel gehen die Planer von einem 739 Quadratmeter großen Grundstück für Geschosswohnungsbau aus. Der Grund kostet hier über 1,2 Millionen Euro, die Baukosten belaufen sich auf etwa vier Millionen Euro für eine Vielzahl an Wohnungen. Die Investition pro Einheit mit 61 Quadratmetern schätzen die Planer auf 312.000 bis 371.000 Euro.

„Die Preise sind für Konstanzer Verhältnisse fair“, meinte Hafner-Projektleiter Lukas Esper. „Wir beobachten den Markt sehr eng. Bei Reihenhäusern ging hier zuletzt nichts unter einer Million Euro über den Tisch.“ Der neue Stadtteil überzeuge aber auch konzeptionell.
Damit meint er klimafreundliches Wohnen in Verbindung mit Gewerbe, Quartierszentren, Kitas, Schulen und ein besonderes Mobilitätskonzept. Parken vor der Haustür wird nicht möglich sein, die Autos stehen in zentralen Hochgaragen, außerdem gibt es Carsharing.

Im Vordergrund soll der Gemeinschaftsgedanke stehen: „Um gemeinsam genutzte Innenhöfe gruppieren sich verschiedene Haustypen, vom Reihenhaus bis zum Geschosswohnungsbau. Wichtig ist uns, dass nicht der Geldbeutel über die Vergabe der Grundstücke entscheidet, sondern soziale Kriterien“, so Esper.
Wer sich für ein Grundstück interessiert, muss deshalb mit Konzepten überzeugen – es geht um einen Wettbewerb der Ideen. Ein Gremium wird später entscheiden, wer den Zuschlag erhält. Dabei wird zwischen zwei Formen des Bauens unterschieden: Baugruppen und einzelne Familien.
Bei Baugruppen tun sich mehrere Personen zusammen, die ein Konzept erarbeiten und später zu Nachbarn werden, oft mit vielen gemeinsam genutzten Flächen. Wer doch lieber sein eigenes Haus mit eigenem Rasenmäher haben will, könne auch Townhouses oder Reihenhäuser bauen, erläuterte Patrick Betz vom Projektteam.

Die Botschaft des Abends lautete: Wer sich für eine Baugruppe interessiert, sollte sich jetzt Mitstreiter suchen und mit der Planung loslegen. Denn in rund eineinhalb Jahren beginnt die Vergabe der Grundstücke. Die Aussicht, in dieser Zeit Menschen zu finden, mit denen man bauen will, sich um Rechtsform, Architektur und Finanzierung zu kümmern und eine Bewerbung zu erstellen, ließ so manchen Zuhörer etwas überfordert zurück.

„Das geht an Paaren ohne Kinder vorbei“
So sagte Christoph Selig, 36-jähriger Unternehmer: „Grundsätzlich finde ich den Hafner ein cooles Konzept mit fairen Preisen. Aber es geht vorbei an Paaren, die erst noch eine Familie gründen wollen. Denn um bei den Grundstücken für Townhouses oder Reihenhäuser berücksichtigt zu werden, muss man schon Kinder haben.“
Lukas Engelmann ergänzte sinnbildlich: „Bei uns ist der Traum vom Eigenheim sehr real. Aber ich möchte erst mein Nest bauen und dann Eier hineinlegen.“ Das Baugruppenkonzept komme zwar auch infrage, doch der 33-Jährige findet es schwierig, „dass man für eine Bewerbung schon Geld für einen Architekten ausgeben muss, ohne zu wissen, ob man überhaupt ein Grundstück erhält“.

Im Gespräch mit dem SÜDKURIER entschärfen Lukas Esper und Patrick Betz die strikten Vorgaben. Die finanzielle Vorleistung der Bauwilligen wolle die Stadt gering halten: „Bei Baugruppen verlangen wir ein grobes Architekturkonzept, aber keine Detailpläne“, so Esper.
Auch das Kinderthema sei nicht absolut zu betrachten. „Tatsächlich ist der Bedarf für ein Grundstück bei schon vorhandenen Kindern am größten, denn das sind die Familien, die wegziehen“, sagt er. Dennoch sei es kein hartes Ausschlusskriterium, wenn noch kein Nachwuchs da ist.

Wer glaubhaft versichert, dass er eine Familie gründen will, könne ebenfalls ein Grundstück erhalten. Außerdem sei der Begriff Familie nicht mehr auf Vater-Mutter-Kinder beschränkt, so Patrick Betz: „Auch das gemeinsame Wohnen mit den eigenen Eltern oder Patchwork ist darunter zu verstehen.“
Die Planer freuen sich nach zehn Jahren Vorarbeit, dass der Stadtteil konkreter wird. „Wenn ich an den Hafner denke, sehe ich nicht den Acker vor mir, sondern architektonische Vielfalt und das Leben, das dort stattfinden wird“, begeistert sich Stadtplaner Lukas Esper. Patrick Betz formuliert es so: „Wenn das Ganze 2038 fertig ist, haben wir ein anderes Konstanz.“