Der Konstanzer Gemeinderat macht mit. Sowohl bei der auf rund zehn Jahre angelegten Konsolidierung der Finanzen als auch beim Doppelhaushalt für die Jahre 2023 und 2024 folgen die Stadträte in den Grundzügen den Vorschlägen der Stadtverwaltung. Die klare Zustimmung im zuständigen Ausschuss täuscht allerdings über die Einschätzung der städtischen Finanzpolitik hinweg. So richtig wohl mit der Entscheidung fühlt sich keiner.

Schuldenkurve weist in den nächsten Jahren steil nach

Das liegt daran, dass die Mathematik der Haushalte landauf-landab inzwischen jede Menge Interpretationsspielraum lässt. In Konstanz wurde das insbesondere bei der langfristigen Konsolidierung deutlich. Über Kostenreduzierungen sowie Erhöhungen von Steuern und Gebühren kann man zwar davon ausgehen, dass der Etat langfristig pro Jahr um rund 15 Millionen Euro entlastet wird.

Gleichzeitig aber plant die Stadt Investitionen in den Klimaschutz, die sich just in dieser Größenordnung bewegen. Das Geld dafür wird man sich borgen müssen, von Schulden aber spricht man nur ungern. Während bundesweit für diese libertäre Variante der kreativen Buchführung der Begriff des Sondervermögens erfunden wurde, beharren Stadträte und Stadtverwaltung in Konstanz auf der Bezeichnung als Investition.

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Immerhin war in der jüngsten Ausschusssitzung Schluss mit der Beschönigung. Ulrich Schwarz und Joachim Helff von der Kämmerei legten dar, dass die Schuldenkurve in den nächsten Jahren steil nach oben weist. Bis Ende 2024 dürfte sie bei 77 Millionen Euro liegen (derzeit 22 Millionen Euro), danach sei von einer weiteren jährlichen Verschuldung von zehn bis zwölf Millionen Euro auszugehen. Das zu Beginn der Planungen anvisierte Ziel einer Verschuldung von unter 15 Millionen Euro pro Jahr immerhin sei somit erreicht.

Die Frage, wie dieses langfristig auf Pump angelegte Wirtschaften zu werten ist, wird unterschiedlich interpretiert. Oberbürgermeister Uli Burchardt sieht bereits im aktuellen Doppelhaushalt positive Spuren der langfristigen Konsolidierung und ordnete die kreditlastige Finanzpolitik in den globalen und interkommunale Kontext ein. Es handle sich um kein singuläres Konstanzer Phänomen, sondern stehe im Zusammenhang mit der Zuweisung gesellschaftlicher Pflichtaufgaben wie beispielsweise bei der Kinderbetreuung.

OB Uli Burchardt: „Ich gehe davon aus, dass ein Teil der Klimaschutz-Investitionen sich über die Entwicklung des CO2-Preises ...
OB Uli Burchardt: „Ich gehe davon aus, dass ein Teil der Klimaschutz-Investitionen sich über die Entwicklung des CO2-Preises refinanzieren lassen.“ | Bild: Hanser, Oliver

Bei den Investitionen (oder Schulden) für den Klimaschutz sieht der OB keine Chance zur Finanzierung über den Cash-Flow. Der Verzicht auf eine aktive Politik in dieser von ihm und dem gesamten Gemeinderat als zentral angesehenen gesellschaftlichen Aufgabe könnte die Stadt allerdings noch teurer zu stehen kommen.

Uli Burchardt geht in den nächsten Jahren von einer spürbaren Erhöhung des CO2-Preises als Regulativ zu den Klimaschäden aus, so dass sich die Investitionen zumindest zum Teil refinanzieren lassen. Die Abschätzung dieser Entwicklung allerdings gleicht momentan einer Kaffeesatzleserei – nur wiederum nichts zu tun, ist auch nicht im Sinne des Gemeinderats.

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Stadträte schwanken zwischen Selbstlob und Zweifel

Die Redebeiträge der Ausschussmitglieder waren geprägt vom Zwiespalt des Selbstlobs für die schmerzhaften Einschnitte im Zuge der Konsolidierung und den Bedenken vor einer Schuldenfalle. Am deutlichsten wurde Jürgen Faden. „Wir leben über unsere Verhältnisse“, so die Überzeugung des Stadtrats der Freien Wähler vor dem Hintergrund einer jährlich auf lange Zeit festgelegten Verschuldungsquote von mindesten zehn Millionen Euro.

Angesichts eines ebenfalls jährlich zu erwartenden Personalausbaus um 30 bis 40 Stellen, einer realistischen Einschätzung der Entwicklung bei den Tarifen sowie der steigenden Zinsbelastung rechnet Jürgen Faden mit dem Bedarf eines kontinuierlichen Kassensturzes. Den Glauben, dass es mit der Konsolidierungsdebatte im vergangenen Jahr getan ist, jedenfalls fällt ihm schwer.

Jürgen Faden, Freie Wähler: „Wir leben über unsere Verhältnisse.“
Jürgen Faden, Freie Wähler: „Wir leben über unsere Verhältnisse.“ | Bild: Optik Photo Hepp

Als hoch problematisch stuft auch Jan Welsch (SPD) die Verschuldungsbegründung von OB Burchardt ein. Die Notwendigkeit des Klimaschutzes steht für ihn wegen der Gefahren für die allgemeine Lebensgrundlage zwar außer Frage, in der argumentativen Rechtfertigung der Finanzpolitik rät er jedoch zur Orientierung an den Kriterien der Wertschöpfung.

Genau darauf zielte auch der Einwand von Dorothee Jacobs-Krahnen von der Freien Grünen Liste (FGL), die die Schräglage am Beispiel von Soll und Haben bei kommunalen Haushalten festmachte. Üblicherweise funktionieren diese so, dass im Ergebnishaushalt (zum Beispiel über Steuereinnahmen) ein Plus erwirtschaftet wird, das dann über den Finanzhaushalt für Investitionen genutzt wird. Davon aber ist Konstanz weit entfernt, von einem Überschuss im Ergebnishaushalt kann in den nächsten Jahren nicht ausgegangen werden.

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Wo fließen die Millionen hin? OB verspricht Transparenz

Zum Unwohlsein bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2023/2024 trägt neben Schuldenentwicklung die unklare Verbuchung der Klimaschutz-Investitionen bei. Diese unter anderem von Roger Tscheulin (CDU) eingeforderte Transparenz steht für Uli Burchardt außer Frage, denn „der Bürger soll verstehen, wo Klimaschutz stattfindet und wie hoch die CO2-Einsparung ist“. Die Voraussetzungen dafür sollen mit dem geplanten neuen Amt für Klimaschutz geschaffen werden, dessen Arbeit dann nach Ansicht des OB am besten vom Finanzausschuss begleitet wird.

Ganz einfach wird sich die Transparenz allerdings kaum herstellen lassen. Stadtkämmerer Ulrich Schwarz wies darauf hin, dass es sich beim Klimaschutz um eine Querschnittsaufgabe handle. Es sei zwar davon auszugehen, dass ein Großteil der Investitionen im Bereich des Hochbaus stattfinden werde. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Verbuchung der Klimaschutz-Kosten ebenso wie deren erhofften positiven Finanzeffekte im Detail eine Frage des Ermessens bleibt.