Im Juli 2016 schlängelt sich ein bunter Werbezug für Toleranz und Gleichberechtigung durch Kreuzlingen und Konstanz – vor den Augen zahlreicher Einkaufstouristen. Mehrere Hundert queere Menschen feiern den grenzenlosen Christopher Street Day später weiter bei einem kulturpolitischen Programm im Stadtgarten.

Mit auf der Bühne steht ein damals 22-jähriger Jura-Student, der zwar noch jung an Jahren ist, gleichwohl aber engagiert und in erster Reihe für seine politischen Ideale einsteht: Simon Pschorr, der wenige Monate vor seinem Auftritt an der Seite des Pfullendorfer Pop-Sängers Daniel Schuhmacher zum Landtagskandidaten der Linken gekürt worden war.

Die politische Karriere des promovierten Juristen nimmt in Konstanz ein für viele überraschendes Ende: Am Donnerstag, 30. Januar, wird Pschorr aus dem Gemeinderat verabschiedet. Der Grund: Der Volljurist räumt in diesen Tagen seinen Schreibtisch am Amtsgericht Singen und arbeitet seinen Nachfolger ein. Pschorr zieht es zurück nach Regensburg, in seine und die Heimatstadt seiner Frau.

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Zwar sei ihnen auch Konstanz zur Heimat geworden, doch hat ein äußerst freudiges Ereignis die Lebenssituation entscheidend verändert: Das Paar hat Nachwuchs bekommen, gleichzeitig leben beide Großeltern noch in der Donaustadt. „Es ist eine Entscheidung für die Familie, die Großeltern sollen ihr Enkelkind mit aufwachsen sehen“, erzählt Pschorr, der ab dem 1. Februar bei der Staatsanwaltschaft Regensburg beschäftigt sein wird.

Selbstverständlich werde er bei den Linken bleiben, eine aktive Tätigkeit so wie in Konstanz strebe er aber nicht mehr an. Jetzt stehe die Familie im Mittelpunkt. Pschorr kam 2012 zum Studieren nach Konstanz, 2014 kandidierte er dann das erste Mal auf der Liste der Linken für den Gemeinderat, damals als Listenfüller. Seine Kandidatur für den Landtag 2016 und ein Jahr später für den Bundestag machten ihn bekannt, 2019 klappte es dann mit dem Einzug ins Stadtparlament.

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Stadträte schätzen Pschorr als Person sehr

Und in dem Gremium hat er zu einem der Meinungsführer gebracht. Heike Rawitzer, Fraktionschefin der CDU, beschreibt Pschorr als „hoch sachlich, hoch analytisch und frei von Polemik“. Diskussionen mit ihm seien immer sehr befruchtend gewesen. Auch wenn sie eine andere politische Grundhaltung habe: „Als Person schätze ich Simon Pschorr außerordentlich. Er wird mir fehlen, auch als Sparringspartner.“

Dass er dem Gemeinderat in Zukunft nicht mehr angehöre, sei „ein großer, großer Verlust“, sagt sie. Und sein juristisches Know-how stehe ohnehin außer Zweifel: „Wenn er sagt, dass etwas rechtlich nicht drin ist, dann stimmt das.“ Auch Holger Reile, Fraktionsvorsitzender der Linken, findet nur lobende Worte für seinen langjährigen Parteifreund: „Simon Pschorr hinterlässt einen großen Fußabdruck.“

(Archivbild von 2024) Wolfgang Moßmann rückt für Simon Pschorr in den Gemeinderat nach.
(Archivbild von 2024) Wolfgang Moßmann rückt für Simon Pschorr in den Gemeinderat nach. | Bild: Simon Conrads | SK-Archiv

Pschorrs persönliches Fazit fällt gemischt aus. Auf der Erfolgsseite seines politischen Engagements verbucht er die nach Elterneinkommen gestaffelten Kita-Gebühren in Konstanz. Und dass der Flughafen gesichert werden konnte, ohne dass gleichzeitig die Gesellschafter freie Hand haben, diesen Kompromiss findet er auch gelungen.

Beim Ein-Euro-Ticket sei es ein großer Erfolg gewesen, es durch den Gemeinderat zu bekommen. Dass die Umsetzung dann an den Stadtwerken scheiterte, ärgert ihn immer noch. Überhaupt: Im Gemeinderat herrscht für ihn eine „Kultur der konstruktiven Zusammenarbeit“, das habe sich beim Umgang mit Geflüchteten gezeigt und als sich Konstanz der Seebrücke anschloss.

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Und was hätte aus seiner Sicht besser laufen können? Pschorr sähe das Bodensee-Forum gerne geschlossen und das dort ausgegebene Geld lieber in soziale Projekte investiert. Dann ist da noch der Klimanotstand, den die Stadt am 2. Mai 2019 ausgerufen hat. Pschorr hadert damit, dass damit bislang keine ernsthaften Konsequenzen einhergingen.

Neun Jahre lang hat Pschorr Politik in Konstanz gemacht. Seine öffentlichen Auftritte spiegeln seine Agenda: Im Stadtgarten machte sich der damalige Student gegen die Ausgrenzung von Menschen wegen derer sexueller Orientierung stark. Und zuletzt erklärte der promovierte Volljurist bei einer öffentlichen Veranstaltung des Bündnisses für Demokratie – klare Kante gegen Rechts in Stadt und Landkreis, weshalb aus seiner Sicht ein AfD-Verbot sinnvoll und angebracht wäre.