Neun Meter hoch, 18 Tonnen schwer. Die Angaben genügen, schon weiß man in Konstanz, wer gemeint ist: Imperia, die im Hafen der Konzilstadt als Wahrzeichen der Stadt steht. Seit dem April 1993 dreht sie sich dort auf dem Sockel eines früheren Hafenturms. Erschaffen wurde sie von dem Bildhauer Peter Lenk.
Aber wer war die Imperia? Eine Geschichte, die man sich über die Herkunft des leichtbekleideten Konstanzer Wahrzeichens erzählt, handelt vom Konstanzer Konzil. Von 1414 bis 1418 tagte in der größten Stadt am Bodensee die Kirchenführung der katholischen Kirche mit rund rund 600 Geistlichen. Neben theologischen Fragen war auf dem Kirchenkongress aber auch das Thema Lust ein großes Thema.
Ein Konstanzer, der Bescheid weiß

So sollen rund 700 Prostituierte während des Konzils beschäftigt gewesen sein – eine von ihnen die Imperia. Aber stimmt das? Ulrich Büttner kennt die Geschichte. Er ist Historiker, Germanist und Politologe, unterrichtet am Alexander von Humboldt Gymnasium, vor allem aber ist er ein Konstanzer. Nebenher ist er außerdem Stadtführer, mal als Nachtwächter, mal als Henker oder Werwolf.
Eines zumindest gilt nach seiner Aussage als sicher: Die Imperia gab es wirklich. Lucrezia de Paris, so der wahrscheinlich bürgerliche Name, sei vermutlich im Jahr 1485 auf die Welt gekommen – also rund 50 Jahre nach dem Konzil in Konstanz tagte.
Neben der entscheidenden Zeitspanne zwischen Konzil und der Geburt der Imperia zeigt sich schnell ein zweites Problem an der Geschichte. „Die Imperia war nie in Konstanz. Sie lebte in Rom, wirkte in Rom und ist auch in Rom gestorben“, erklärt der Konstanzer Stadtführer.
In ihrer Stadt war Lucrezia de Paris bekannt als Kurtisane, eine Edelprostituierte. „Sie ist berühmt geworden, weil sie ein Grab bekommen hat, das über viele Jahrhunderte existierte und wurde von Raffael auf einem Gemälde verewigt“, sagt Ulrich Büttner. Zumindest was ihren Berufsstand angeht, stimmt mit der Geschichte der Konstanzer mit der Historie also überein.
Die Verbindung zu Konstanz
Erst hunderte Jahre später entsteht die Verbindung zwischen der Prostituierten aus Rom und der Stadt am Bodensee. Denn im 19. Jahrhundert veröffentlichte der französische Schriftsteller Honoré de Balzac eine Geschichtensammlung. In einer dieser Geschichten taucht die Figur der Imperia auf – aber eben nicht in Rom, sondern in Konstanz und zu einer anderen Zeit als sie wirklich lebte, so Ulrich Büttner. „Balzac war Künstler, kein Historiker. Ihm ging es also nicht um die geschichtliche, sondern um eine tiefere künstlerische Wahrheit.“

Auch hierfür kennt Ulrich Büttner den Grund: „Balzac war ein sehr bissiger Kritiker seiner Zeit und sein Lieblingsopfer war die katholische Kirche. Deren herrschende sexuelle Doppelmoral hat er gerne mit spitzer Feder angegriffen. Deswegen hat er die Imperia auch während des Konzils auftauchen lassen, um damit klar zu machen, dass sie hier die Kirchenmänner beglückt hat.“
Die Folge ist, dass aus dem satirischen Stück Weltliteratur wurde. Und weil die Imperia im Hafen steht, sagt Ulrich Büttner, ist die Imperia inzwischen untrennbar mit Konstanz verbunden.