Zehn Polizeimeldungen aus Konstanz der vergangenen drei Wochen: Menschen werden Opfer von Gewaltdelikten, eine kriminelle Tat hätte leicht einen Seehas-Zug zum Entgleisen bringen können, gleich zweimal werden Männer mit einer Glasflasche geschlagen und schwer verletzt.

Die Taten ereignen sich am Herosé oder im Stadtgarten, die Täter sind meist flüchtig. Doch es gibt auch Fahndungserfolge der Polizei: Drei mutmaßliche Täter sind nach einer ganzen Serie von Raubdelikten in Haft. Auch weitere Tatverdächtige konnten die Beamten ermitteln. Und in einem Fall können sie Entwarnung geben: Der Mann, der Herosé-Park auf einer brennenden schlief, wäre nicht beinahe Opfer eine brutalen Straftat geworden.

Straftaten in Konstanz von Mitte Juli bis Anfang August

Was aber bleibt, ist ein ungutes Gefühl bei manchen Konstanzern. Sie fragen sich, wie sicher sie in der eigenen Stadt eigentlich noch sind. Denn sie vermuten, dass die Straftaten im öffentlichen Raum, die bekannt werden, nur die Spitze des Eisbergs sind. Weil in vielen Fällen die Polizei nicht öffentlich fahndet oder nach Zeugen sucht oder weil die Taten vielleicht weniger schwerwiegend wirken.

Update vom 10. August: Inzwischen hat das Polizeipräsidium Konstanz seine Einschätzung im Geschehen der vergangenen Wochen abgegeben. Danach ist es nicht zu einer Zunahme von Gewaltdelikten gekommen. In diesem Zusammenhang stellte sich auch heraus, dass die Matratze einer im Herosé-Park schlafenden Person den Ermittlungen zufolge nicht absichtlich in Brand gesteckt wurde. Wir haben diese Information im Text nachgetragen.

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An eine solche Serie von Straftaten können sich auch langjährige Beobachter des Konstanzer Geschehens kaum erinnern. Was auch auffällt: Oft sind ist als Waffe ein Messer im Spiel und die Brutalität scheint enorm. Dass ein Schlag mit einer Glasflasche schreckliche Folgen haben kann und dass es von besonderer Rohheit zeugt, auf eine bereits am Boden liegende Person einzuschlagen oder einzutreten, wirkt alarmierend.

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Bisher fühlten sich die Konstanzer sicher in ihrer Stadt

Und das in einer Stadt, in der sich die Bürger bisher sehr sicher fühlen konnten. Das zeigen die verschiedenen Bürgerbefragungen der vergangenen Jahre, aber auch die in vielen Städten durchgeführte Vergleichsstudie Urban Audit. Ihre Ergebnisse wurden soeben veröffentlicht, und sie zeigen: 78 Prozent der Befragten „stimmen sehr zu“ oder „stimmen zu“, wenn sie befragt werden, ob sie sich sicher fühlen, wenn sie nachts allein durch ihre Wohngegend gehen. Beim Gang allein nachts durch Konstanz beträgt die Zustimmung immer noch 65 Prozent.

Was das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger betrifft, erreicht Konstanz im Städtevergleich sogar Spitzenwerte, teils vor den ebenfalls untersuchten Städten Ingolstadt, Koblenz, Recklinghausen, Siegen und Würzburg. Auch in der nächst größeren Städte-Gruppe mit beispielsweise Freiburg, Osnabrück, Aachen oder Mannheim gibt es keinen Ort, in dem das Sicherheitsempfinden höher ist als in Konstanz. Die Daten wurden allerdings jeweils im Jahr 2021 erhoben.

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Auch Oberbürgermeister Uli Burchardt beruft sich auf die letzten Urban Audits, als der SÜDKURIER ihn auf die Fälle der vergangenen Wochen anspricht: Die Konstanzer Bürger hätten ein sehr hohes Gefühl der Sicherheit. Er sei im regelmäßigen Austausch mit der Polizei. Noch vor wenigen Monaten habe er wieder ein Gespräch mit der Polizei gehabt. Zu den aktuellen Vorfällen konnte OB Burchardt nichts sagen, denn aktuelle Zahlen von Vorfällen lägen ihm nicht vor. Allerdings merkt Walter Rügert, Pressesprecher der Stadt Konstanz, ergänzend an: „Wir haben eine Analyse bei der Polizei angefordert.“

Sicherheit im öffentlichen Raum „ist ein Thema, das mir extrem wichtig ist“, so Burchardt. Deshalb liege das Augenmerk darauf, ob es strukturelle Veränderungen gibt, auf die man reagieren muss. Aus diesem Grund wurden, beispielsweise um das Herosé-Areal zu entlasten, Angebote auf Klein Venedig geschaffen.

Oberbürgermeister Uli Burchardt setzt auf ein gutes Miteinander mit der Polizei, „die an unserer Seite steht und mit der wir ein ...
Oberbürgermeister Uli Burchardt setzt auf ein gutes Miteinander mit der Polizei, „die an unserer Seite steht und mit der wir ein gutes Vertrauensverhältnis haben.“ | Bild: Oliver Hanser | SK-Archiv

Wenn es in Konstanz einen Hotspot gibt, wie beispielsweise „Komasaufen“ auf der Marktstätte in den 2010er Jahren, dann sorge die Stadt für Durchmischung, Licht, Sichtbarkeit und schaffe Ausweichräume, damit man sich der Situation entziehen könne. Die Stadt setze, so der OB, auf „viel Angebot, wenig Verbot“ und dies „im guten Miteinander mit der Polizei, die an unserer Seite steht und mit der wir ein gutes Vertrauensverhältnis haben.“

Der kommunale Ordnungsdienst gehe regelmäßig auf Patrouille, auch an den Wochenenden. Der KOD „wurde bereits personell aufgestockt“, so Rügert. „Sie haben Routen und Schwerpunkte in der Stadt“ und würden auch an Wochenenden Dienst tun. Aber, wenn es um prekäre Situationen geht: „Eingreifen können sie nicht“, sagt Uli Burchardt. „Da ist die Polizei der Ansprechpartner.“ Gleichwohl treibt auch ihn das Thema Sicherheit und Sicherheitsempfinden um: „Ich will keine Abwärtsspirale“, so Burchardt. Da müsse dagegengehalten werden.

Gewaltexzesse 2022: Ausgerechnet vor dem Seenachtfest

Für Konstanz kommt die Sicherheits-Debatte allerdings zur Unzeit. Am Samstag, 13. August, soll das Seenachtfest maximal sicher über die Bühne gehen. Aggressivität und Gewalt gegen Gäste nach mehr als zwei Jahren voller Einschränkungen und zwei abgesagten Seenachtfesten wollen weder Veranstalter noch Besucher, entsprechend viel Polizei und Sicherheitsdienst werden im Einsatz sein.

Wenige Tage, bevor das Seenachtfest wieder stattfinden kann, fühlen sich allerdings gerade ältere Konstanzer an die Jahre 1980 und 2000 erinnert: 1980 endete das Seenachtfest in einem Gewaltexzess. Am 28. Juli 1980 berichtete der SÜDKURIER: „Sachbeschädigungen, Betrunkene im Notarrest, schwere Schlägereien mit Körperverletzungen und schließlich 20 Verkehrsunfälle, die einen Toten, vier Schwerverletzte und rund 100.000 Mark Sachschaden forderten – so sieht für Polizei und Rettungsdienste die vorläufige Bilanz des Seenachtfestes 1980 aus“. In der Folge strich der Gemeinderat das damals noch von der Stadt selbst ausgerichtete Fest aus dem Veranstaltungskalender. Erst 1987 findet es wieder statt.

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20 Jahre später nutzen Neonazis aus der Region das Seenachtfest zu Gewalttaten und rassistischen Übergriffen. Die 19- bis 26-Jährigen, die später vor Gericht landeten, wurden der Skinhead-Szene zugeschrieben, die meisten von ihnen wurden im Januar 2001 zu Haftstrafen verurteilt. In der Folge bleib das Seenachtfest von Gewaltexzessen verschont. Nicht nur die aktuellen Veranstalter, Tommy Spörrer, Frank Schuhwerk und Carina Speidel von der eigens gegründeten Firma KLE Seenachtfest GmbH, hoffen, dass es so bleibt.