Sie wollten den Autoverkehr aus der Innenstadt verbannen, Straßen für die Bürger erlebbar machen und ihnen damit beispielhaft zeigen, wie schön Straßen ohne Autos sind. Deshalb hatte das Junge Forum Konstanz im Jahr 2019 die Einführung eines autofreien Sonntags, jeweils am zweiten Sonntag im Monat, beantragt. Die Sache hat aber nicht nur einen Haken.
Bereits damals machte die Stadtverwaltung darauf aufmerksam, dass lediglich partielle Sperrungen rechtlich zulässig sind, und auch nur dann, wenn diese mit einer Veranstaltung gekoppelt sind. Der Gemeinderat beauftragte dann die Marketing- und Tourismus Konstanz GmbH (MTK) mit der Ausarbeitung eines Konzepts. Das Ergebnis sorgte für Ernüchterung und MTK-Chef Eric Thiel bezweifelte offen die Sinnhaftigkeit einer solchen Aktion.
Die Fakten
Es gibt generell keine rechtliche Befugnis, flächendeckende Innenstadtsperrungen oder pauschale Fahrverbote zur Durchführung eines autofreien Tags anzuordnen. Lediglich partielle Sperrungen anlässlich konkreter Veranstaltungen sind rechtlich möglich. Die Verwaltung und die MTK weisen nachdrücklich daraufhin, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen lediglich die Laube weitestgehend gesperrt werden könne. Die MTK kalkulierte für diese Veranstaltungsvariante rund 26.000 Euro, wobei mehr als 17.000 Euro allein für Infrastruktur, Technik und Sicherheit veranschlagt wurden.
Eine Komplettsperrung des Altstadtrings hätte Kosten in sechsstelliger Höhe zur Folge. Darüber hinaus müssten etwa 600 Busse umgeleitet werden, wodurch Schadstoffemissionen erhöht und das Ziel, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, ad absurdum geführt würde. Zudem müssten die Betreiber der Parkhäuser, die nicht mehr angefahren werden könnten, entschädigt werden.
Komplizierter als gedacht
„Es ist komplizierter, als es aussieht“, seufzte Oberbürgermeister Uli Burchardt, der sich als „Freund der Idee“ bezeichnete. 600 Busse, die täglich den Konstanzer Hauptbahnhof anfahren, sind eine Hausnummer; die Umleitung dieser Masse an Fahrzeugen sei nicht sinnhaft. Burchardt befand daher, es sei „klug, die reduzierte Form zu machen“. Von Thiel wollte er wissen, wann die kleinere Variante frühestens umsetzbar wäre.
Erst zum 1. Oktober würde eine Event-Managerin eingestellt, so Thiel, der dann aber seine Skepsis gegenüber dem Vorhaben äußerte, zumal er an den aktuell notwendigen Sparkurs der Stadt erinnerte. „Die Erfolge wären eher symbolischer Natur“, so Eric Thiel. „Man müsste eher die Sinnhaftigkeit prüfen.“ Er empfahl, derartige Gelder eher in die Prozessarbeit statt in Einzelmaßnahmen zu investieren. Und er berichtete, dass ohnehin im kommenden Jahr vielerlei Veranstaltungen und Aktionen unter dem Thema Mobilitätsjahr gebündelt würden.
„Ich fand die Idee spontan gut, aber die Vorlage war ernüchternd“, stellte Gisela Kusche (FGL) rundheraus fest. Die Innenstadt erlebbar zu machen, sei „furchtbar teuer“. Zudem habe sie ein Déjà-vu gehabt; sie dachte an die Mobilitätstage und folgerte: „Ich bin sehr skeptisch, was die Wirksamkeit betrifft“, denn auch zum Aktionstag „Stadtwandel ist niemand gekommen“. Einem autofreien Sonntag stimme die FGL nicht zu, doch das Mobilitätsjahr „gefällt uns gut“, so Kusche, denn da könnten verschiedenste Aktionen geboten und unterschiedliche Bevölkerungsschichten angesprochen werden. Sie freue sich schon auf die Ideensammlung der MTK.
Autofreier Sonntag ist „Quatsch“
Daniel Groß (CDU) wurde deutlich: „Das ist ein Quatsch! Etikettenschwindel.“ Die Laube sei sonntags ohnehin wenig frequentiert; sie für Buggy-Rennen für 25.000 Euro zu sperren und Busse ins Paradies zu verlagern, sei schwer zu verstehen. Aktionen auf dem Augustinerplatz zu veranstalten, hält er nicht für sinnvoll, weil niemand dort hinkomme. „Der Augustinerplatz ist wie ein Blinddarm. Er ist da und man braucht ihn nicht“, formulierte Groß. Geld und personelle Ressourcen sollten sinnvoller eingesetzt werden, wobei Groß die Handlungsfelder Corona-Spätfolgen und Leerstand als Beispiele nannte.
„Wir bekommen in dem Paket nichts, was den Namen verdient“, stellte Alfred Reichle (SPD) fest. „Die Kosten sind nicht mehr vertretbar. Wir raten ebenfalls von einer Durchführung dringend ab.“ Wenn, dann mache ein autofreier Tag in Verbindung mit einer zugkräftigen Veranstaltung, wie beispielsweise dem Weinfest Sinn, aber Hilfsorganisationen wie das DRK kämen aktuell wegen gehäufter Veranstaltungen bereits an ihre Leistungsgrenzen, so Reichle.
Die Hoffnung stirbt zuletzt
„Wir haben den Antrag 2019 gestellt“, versuchte Matthias Schäfer (Junges Forum) den Vorstoß zu verteidigen und zog ins Feld, seinerzeit habe es weder Corona noch Energiekrise gegeben. „Wir sind mit einem Samstag gestartet und bei einem Sonntag gelandet. Ich weiß nicht, was in diesem Gremium passiert wäre, wenn wir einen Samstag vorgeschlagen hätten.“ Vielleicht würde der Bund in Kürze einen Energiespar-Sonntag einführen, meinte Schäfer hoffnungsvoll, um dann wieder in die Offensive zu gehen und das vorgelegte Konzept zu kritisieren: „Das haben wir uns definitiv anders vorgestellt und bestellt.“
Außerdem sei die Konzeption „nicht das, was wir wollten und das Geld nicht wert, was daruntersteht.“ Kleinere Projekte brächten mehr, „und wir müssen keine Parkhäuser entschädigen – das ist eine harte Nummer“, so Schäfer. „Ich weiß nicht, wer bei Thiel was bestellt hat“, konterte Holger Reile (Linke Liste) und gab dem autofreien Sonntag das Prädikat „seealemannische Symbolpolitik“. Damit war das Thema vom Tisch und die Bürgervertreter warten nun gespannt auf das Programm zum Mobilitätsjahr 2023.