Helga Jauss-Meyer war eine engagierte Sozialdemokratin, die sich in den Jahrzehnten ihrer kommunalpolitischen Tätigkeit einen guten Ruf erarbeitet und Respekt erworben hatte. Sie war eine starke, intelligente, vielseitig interessierte und vor allem couragierte und selbstbewusste Frau, die sich von niemandem den Schneid abkaufen ließ. Und dies zu einer Zeit, als Frauen in der Politik noch eher die Seltenheit waren. Am Sonntag, 17. September, ist sie im Alter von 96 Jahren verstorben. Allen, die sie kannten, ist sie unvergessen, obwohl sie bereits vor 24 Jahren ihre politischen Ämter abgab.
Gebildete Frau mit wachem Intellekt
1966 kam die promovierte Romanistin Helga Jauss-Meyer gemeinsam mit ihrem Mann Hans Robert Jauss nach Litzelstetten, der neuen Wahlheimat, die sie nicht mehr verlassen sollte. „Helga und ihr Mann Hans Robert waren Gesicht und Motor der von Hunderten unterstützten sozialliberalen Wählerinitiativen (1969 für die Wahl Willy Brandts, 1972 für die Wiederwahl der Regierung Brandt/Scheel)“, schreibt Alt-SPD-Stadtrat und langjähriger Weggefährte Jürgen Leipold. Die gebildete Frau mit ihrem wachen Intellekt hätte problemlos eine akademische Laufbahn einschlagen können.

„Doch die Mutter dreier Töchter und Frau eines renommierten Wissenschaftlers fühlte die Verpflichtung, Erhalt und Ausbau des demokratischen Gemeinwesens nicht nur kommentierend von der Seitenlinie zu begleiten“, so Leipold. „Ihr Feld dafür war und blieb über Jahrzehnte die Kommunalpolitik und Konstanz.“ Dem Eintritt in die SPD und der Wahl in den Gemeinderat im Jahr 1975, dem sie bis 1999 angehörte, folgten rasch Führungspositionen in Partei und Fraktion.
Taffe Frau in der Männerdomäne
„Ganz bewusst wählte Helga ‚harte‘, männerdominierte Arbeitsfelder getreu ihrer Devise als Förderin junger Frauen“, so Leipold, der Helga Jauss-Meyer wie folgt zitiert: „Frauen, engagiert euch nicht zu weiblich, lasst euch nicht auf die Sozialschiene abdrängen.“
Zu den männerdominierten Arbeitsfeldern gehörte auch der Technische Ausschuss, in dem sich Helga Jauss-Meyer als Sprecherin der SPD-Fraktion Gehör verschaffte. „Sie war eine sehr geschätzte und anerkannte Persönlichkeit“, stellt FGL-Gemeinderat Peter Müller-Neff fest, der viele TUA- und Gemeinderatssitzungen mit ihr verbracht hatte. „Sie war an verkehrspolitischen wie auch an gesellschaftspolitischen Themen gleichermaßen interessiert“, sagt er. Unvergessen ist ihm: „Sie hat sich sehr für das in Konstanz umstrittene Minarett eingesetzt.“
„Sie war eine wichtige Persönlichkeit“, stellt Peter Müller-Neff fest. Wenn sie sprach, sei „alles wohl überlegt und klar und mit großem Nachdruck“ von ihr dargelegt worden. Über die Parteigrenzen hinweg sei der politische Austausch sehr konstruktiv gewesen.
Sie hatte eine gewichtige Stimme im Rat
„Sie hat eine starke und gewichtige Stimme im Gemeinderat gehabt“, erinnert sich Konrad Frommer, der seinerzeit als Hauptamtsleiter bei den Sitzungen dabei war. „Helga Jauss-Meyer (SPD), Hermine Preisendanz (Freie Wähler) und Inge Egler (FGL) – das war eine starke Frauen-Gruppe im Gemeinderat; das waren Persönlichkeiten, mein lieber Mann“, sinniert Konrad Frommer mit Hochachtung in der Stimme.
Über Helga Jauss-Meyer sagt Frommer: „Sie hat gewusst, was sie will, und hat sich durchsetzen können. Wenn sie gesprochen hat, hat man zugehört.“ Polemik war für sie ein Fremdwort, denn sie war insgesamt sehr sozial eingestellt und hatte Humor. Aber wenn es um die Sache ging, da wurde sie deutlich. „Sie war bekannt für ihre klare Sprache, ihre Überzeugungskraft, Durchsetzungsvermögen, Sachverstand und Redegewandtheit“, schildert Konrad Frommer.

Diese Eigenschaften verdeutlicht Jürgen Leipold anhand eines Beispiels: „Mit argumentativer Stärke kämpfte sie selbstbewusst für die Erhaltung und schonenden Ausbau der Bodenseeregion („Um zu sagen, dass eine Autobahn nicht über den Bodanrück laufen darf, muss man kein Straßenbauer sein“).
First Lady von Litzelstetten (1986 – 1999)
„Die Wahl zur Ortsvorsteherin von Litzelstetten darf man als Krönung der politischen Laufbahn der überzeugten Republikanerin sehen“, findet Jürgen Leipold. Dass aus dem Bauerndorf Litzelstetten eben kein Professorendorf, sondern ein lebendiger und eigenständiger Teil von Konstanz wurde, sei ihr und ihrer Vorgängerin Hermine Preisendanz zu verdanken. „Als Ortsvorsteherin und damit in der Führungsriege der Stadt verband sie ihre Stärken – verbindlich im Ton, klar in der Sache – mit ihrer Definition der Position“, so Leipold, der das entsprechende Jauss-Meyer-Zitat anfügt: „Ich bin nicht vom OB weisungsabhängig.“
Dieses Zitat spiegelt die Persönlichkeit der couragierten Ortsvorsteherin wider, die selbstbewusst für ihren Teilort eintrat und die Interessen ihrer Bürger gegenüber der großen Stadt mit Nachdruck vertrat. Und wenn die Stadt nicht wirklich willig war, dann verwies sie gerne auf den Eingemeindungsvertrag. Auch nachdem Jauss-Meyer 1999 von ihren politischen Ämtern zurücktrat – die ihr nachfolgenden Ortschaftsräte taten es ihr gleich und zückten bei gegebenem Anlass eben jenen Eingemeindungsvertrag.
Auch nach ihrem Ausscheiden aus den Ehrenämtern nahm sie – ebenso wie Hermine Preisendanz – Anteil am Geschehen in Litzelstetten. Ob bei der Verabschiedung des langjährigen Ortsverwaltungsleiters Herbert Mayer im Jahr 2009 oder des Ortsvorsteher Rudolf Riedle im Jahr 2012 – Helga Jauss-Meyer und Hermine Preisendanz würdigten allein schon mit ihrer Anwesenheit den jeweils Geehrten. Auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren, so traten die beiden Ladies, denen eine natürliche Autorität und der Mut zu klaren, deutlichen Worten zu eigen war, gerne gemeinsam auf.

Abschied von einer herausragenden Persönlichkeit
Sie habe sich immer „die kritische und ironisch-heitere Distanz auch zum eigenen Tun über Jahrzehnte (‘Politik konserviert wie Essig‘)“ bewahrt, so Jürgen Leipold. „Viele haben ihr innerhalb und außerhalb der Politik zu danken, ganz besonders auch für ihre persönliche Freundschaft und mitfühlende Zuneigung. Eine Große ist von Konstanz gegangen.“
„Lokalpolitik ist ein tolles Feld“, hatte Helga Jauss-Meyer einmal gesagt, erinnert sich Oberbürgermeister Uli Burchardt, der über die Grand Dame der Kommunalpolitik sagt: „Das Engagement für die Heimat Konstanz und im speziellen ‚ihr‘ Litzelstetten war Jauss-Meyer immer eine Herzensangelegenheit. Sie wollte mitsprechen, aktiv mitgestalten. Ihr Fokus dabei waren Sozial- und Kulturfragen aber insbesondere auch die familienpolitischen Interessen in unserer Stadt.“ Uli Burchardt stellt fest: „Wir haben mit ihr eine herausragende Persönlichkeit verloren, an die wir uns mit großer Dankbarkeit und Hochachtung erinnern werden.“