Wie bei den meisten handfesten Streits hat auch der zwischen der Marinekameradschaft (MK) und der Marinejugend (MJ) eine lange Vorgeschichte. Schon in den 1980er-Jahren soll es, so steht es in den Annalen des Vereinslebens, gekracht haben. Der damalige Chef soll gesagt haben: „Wenn das so weiter geht mit der Marinejugend, kündigen wir ihnen.“
Damals war die Jugend tatsächlich noch jung und kein eigenständiger Verein, sondern eine Abteilung der Marinekameradschaft am Winterersteig. Heute ist die Marinejugend selbstständig und in die Jahre gekommen – nur sechs der 56 Mitglieder sind unter 18 Jahren.
Die Ausgangslage: Zwei Vereine, ein Grundstück, unterschiedliche Ziele
Die Lage, die sich die beiden Vereine teilen, könnte idyllischer kaum sein: Den Bodensee fast in Griffweite, haben die Freunde und Mitglieder der MK von der Vereinsgaststätte aus immer unverbaute Seesicht. Der Streit, der in diesem Jahr eskalierte, ist deshalb so interessant, weil die Stadt das Gelände am See verpachtet hat – explizit an Vereine zu günstigen Konditionen.
Die Marinejugend ist mit auf dem Grundstück – in einem kleinen Bootshaus als Untermieter. Außerdem nutzte sie lange die Gaststätte mit, die Toiletten und derzeit – da die viel älteren Marinekameraden kaum Boot fahren – den Anlegesteg.
Die Vereine haben trotz der Ähnlichkeit im Namen gänzlich unterschiedliche Ziele. Während die Marinejugend Sport im See macht, Boote abschleift, dem Nachwuchs Knoten beibringt, ist die Marinekameradschaft eher geselliger Natur. Statt zu Wasser halten sich die Mitglieder meistens in der Vereinsgaststätte auf. Und bewirten etwa die Reservistenkameradschaft oder den Bundeswehrverband.
Das Zerwürfnis: „Es geht auch darum, was gestern und vorgestern passierte“
Geknistert hat es schon seit Jahrzehnten, immer wieder, das sagen beide Seiten. Doch eskaliert ist der Streit erst in diesem Jahr. Es ist ein Zerwürfnis, das jetzt die Konstanzer Stadtverwaltung und -politik, die sozialen Medien, natürlich die Vereinsmitglieder und bald, so sieht es derzeit zumindest aus, die Gerichte beschäftigen wird.
Was ist los? Auf den Punkt gebracht ist es ein Nachbarschaftsstreit. Die einen wollen etwas mitbenutzen, was der andere hat. Der andere erlaubt es nicht. Den Steg, die Wiese, die Toiletten. So erzählt es der Vorsitzende der Marinekameradschaft, Jürgen Engler: Als er 2020 zum neuen Vorsitzenden gewählt worden sei, habe er als Hausherr verlangt, dass die Marinejugend ihr Schild am Steg austausche gegen ein gemeinsames Schild. Und er forderte den Schlüssel für Bootshaus und Steg.
Daniel Wörner, 35 Jahre alt und Chef der Marinejugend, bestätigt, dass er dies verweigerte. Zum einen, sagt er beim Ortstermin mit dem SÜDKURIER, sei vertraglich abgemacht, dass die Marinejugend den Steg alleine nutzen könne. Zum anderen: „Was wollen sie am Steg? Sie haben keine Boote. Und dort zu ankern, um die Gaststätte zu besuchen, ist verboten.“
Auf die Abfuhr hin machte Kameradschafts-Chef Engler, 76 Jahre alt, kurzen Prozess und kündigte den Untermietvertrag. Mitglied Reinhold Bieger erklärt: „Es geht uns nicht um das, was heute passiert ist, sondern auch darum, was gestern und vorgestern passierte.“ Der andere Verein habe sich Platz genommen, der ihm nicht gehöre, sich gegenüber dem Wirt unhöflich verhalten – kurz: die Marinekameradschaft ausgenutzt.

Die Eskalation: Eine Petition, ein Zaun und ein zerschnittenes Tischtuch
„Ende August müssen wir raus sein“, sagt Daniel Wörner von der Marinejugend. Er startete eine Online-Petition mit dem Titel „Kein Profit mit Konstanzer Sport- und Freizeitflächen, gegen die Umnutzung zu Gastrozwecken“. 1490 Menschen haben unterschrieben, die Petition geht nun in den Sportausschuss des Gemeinderats. Liest man die Kommentare zu dem Fall auf Facebook, wird klar, dass in der Öffentlichkeit ein Eindruck entstand, der offenbar nicht ganz richtig ist: Nämlich, dass die Marinekameradschaft ihren Jugendlichen kündigt, weil sie die Gaststätte vergrößern will.
„Es stimmt, die Leute dachten, wir seien Jugendliche, so ist es aber nicht“, sagt Daniel Wörner. Gegenüber dem SÜDKURIER negiert Kameradschafts-Chef Engler zudem, dass eine Erweiterung der Gastronomie geplant sei. Die Stadt lasse dies laut Pachtvertrag gar nicht zu. Aus ganz Deutschland, sagen die älteren Herren der Kameradschaft, hätten sie Angriffe erhalten. „Das tat weh“, sagt Reinhold Bieger, der seit den 1980er-Jahren im Verein ist.
„Nach der Petition bekamen wir Hausverbot“, sagt Kontrahent Daniel Wörner. Der 35-Jährige ist seit 25 Jahren bei der Marinejugend. „Ich bin hier groß geworden“, sagt er, während er durch das winzige Bootshaus führt, das fast komplett mit einem Surfboot belegt ist. Draußen tritt er auf den Steg und erzählt: Laut Chronik hätten irgendwann, vor Jahrzehnten, die Mitglieder der Marinejugend die Materialien besorgt und sie gemeinsam mit der Marinekameradschaft verbaut.
2015 finanzierte die Marinekameradschaft einen Zaun, damit Nicht-Mitglieder den Steg nicht betreten können – denn bei einem Unfall müsste man haften. 2017 habe man sich darauf geeinigt, dass die Marinejugend alleine für den Unterhalt des Stegs aufkomme und ihn alleine nutzen dürfe. Sie bekamen den Schlüssel für den von der Kameradschaft finanzierten Zaun.
Daniel Wörner erklärt, dass er für Gespräche mit dem älteren Verein offen sei und auch erlauben wolle, dass beide den Steg nutzen – unter drei Bedingungen: Alle beteiligen sich am Unterhalt, im Vertrag steht, wer bei Unfällen haftet und die Gäste der Vereinsgaststätte dürfen nur zum Ein- und Aussteigen mit Booten an den Steg, nicht länger. Diese Bedingungen sind aus Sicht der Marinekameradschaft unverschämt und typisch für den Verein von Wörner.
Die Liste an gegenseitigen Vorwürfen ließe sich fortführen. Fakt ist: Aus Sicht der Marinekameradschaft ist das Tischtuch „nicht nur zerrissen, sondern fünfmal zerschnitten“, wie Reinhold Bieger es ausdrückt. Wenn die Marinejugend Ende des Monats nicht raus sei, wolle man Räumungsklage einreichen.