Auch wenn der Vorgang (so sehr sich das manche wünschen oder schon herbeizureden beginnen) noch lange nicht abgeschlossen ist, steht schon jetzt fest: Das Schlamassel um Noch-Philharmonie-Intendantin Insa Pijanka offenbart eine wohl beispiellose Serie von teils unverständlichen Fehlentscheidungen. Und es sind teure Fehlentscheidungen – in jeder Hinsicht. Denn verloren gehen nun nicht nur knappes (Steuer-) Geld, sondern auch politisches Kapital, Vertrauen und Perspektive.

In Konstanz wird Geld für Dringenderes gebraucht als für einen goldenen Handschlag

Ja, die Trennung von Insa Pijanka wird nicht billig. Ihren laufenden Vertrag aufzulösen, gelingt nicht zum Nulltarif, da es für eine verhaltensbedingte Kündigung offenbar keine Handhabe gibt. Egal, auf wie viele Monatsgehälter Abfindung man sich am Ende einigt, es wird eine mittlere fünfstellige Summe sein.

Nichts, was die Stadt Konstanz nicht verkraften könnte, aber doch ein Betrag, der an anderer Stelle besser ausgegeben wäre. Zum Beispiel in dem aus Sparzwang gestrichenen Programm, in dem die jüngsten Konstanzer die überlebenswichtige Fähigkeit des Schwimmens hätten lernen können.

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Warum nur hat der Gemeinderat den Vertrag nicht einfach auslaufen lassen?

Politisches Kapital verspielt hat der Gemeinderat. Er war es, der im vergangenen Sommer mit knapper Mehrheit dafür gestimmt hat, Insa Pijanka den Vertrag um zwei Jahre zu verlängern. Diejenigen, die damals Ja sagten, haben das nun aufgetretene Debakel maßgeblich zu verantworten.

Man hätte sich, erhobenen Hauptes und ohne gegenseitige Verletzungen, in Frieden trennen können; einen auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern, ist kein Drama. Ob es nun darum ging, eher ein kultur- oder eher ein identitätspolitisches Zeichen zu setzen oder einfach nur gegen den verantwortlichen Bürgermeister aufzumucken, kann dahingestellt bleiben. Im Ergebnis ist es gründlich schief gegangen.

(Archivbild) Der Gemeinderat von Konstanz: Eine Bürgermeisterin zu wählen, hat er noch nie geschafft, dafür aber zwei Intendantinnen. ...
(Archivbild) Der Gemeinderat von Konstanz: Eine Bürgermeisterin zu wählen, hat er noch nie geschafft, dafür aber zwei Intendantinnen. Würde eine von ihnen scheitern, wäre das schlechte Gewissen in Teilen der Politik wohl noch größer. | Bild: Rau, Jörg-Peter | SK-Archiv

Konnte oder wollte sich Kulturbürgermeister Osner sich nicht durchsetzen?

So muss auch der zuständige Kulturbürgermeister Andreas Osner neue Blessuren hinnehmen: Warum konnte er für seine, offenbar berechtigten, Zweifel an einer weiteren Zusammenarbeit mit Insa Pijanka keine Mehrheit im Rat erringen? Konnte er der Fürsorgepflicht, die ein Arbeitgeber für seine Leute nun einmal hat – gerade wenn sie überfordert wirken –, nicht gerecht werden?

Oder wollte er es womöglich nicht? Oder wäre hier Osners Chef, Oberbürgermeister Uli Burchardt, gefordert gewesen? Oder, beklemmendstes aller Szenarien, scheitern beide an den Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat, weil sie der falschen Partei, dem falschen Geschlecht oder sonst irgendetwas Falschem angehören?

(Archivbild) Am 24. April 2018 wählte der Gemeinderat Insa Pijanka zur neuen Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie. Da war der ...
(Archivbild) Am 24. April 2018 wählte der Gemeinderat Insa Pijanka zur neuen Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie. Da war der Optimismus auf allen Seiten groß. | Bild: Rau, Jörg-Peter | SK-Archiv

Weshalb hat Insa Pijanka selbst nicht auf die Warnsignale gehört?

Die wohl bitterste Niederlage freilich muss Insa Pijanka selbst tragen – und zwar nicht, weil ihre mutmaßlichen Verfehlungen jetzt an die Öffentlichkeit gekommen sind; wer so argumentiert, verdreht Ursache und Wirkung. Nein, Insa Pijanka steht auf der Verliererseite, weil sie es war, die gegen eine klare Faktenlage und guten Rat die Vertragsverlängerung haben wollte.

Sie hätte wissen müssen, dass ein derartiges Kleben am Posten fast zwangsläufig schief geht. Und dass sie sich nie hätte auf ein zum Scheitern verurteiltes Modell einlassen dürfen: Zwei Jahre, eine Art Intendanz auf Bewährung. In einer kleinen und gut vernetzten Branche ist das ein denkbar schlechtes Sprungbrett, um sich irgendwo zu bewerben.

(Archivbild) Sie stehen nun erst einmal führungslos da: Die Musiker der Südwestdeutschen Philharmonie und ihr neuer Chefdirigent Gabriel ...
(Archivbild) Sie stehen nun erst einmal führungslos da: Die Musiker der Südwestdeutschen Philharmonie und ihr neuer Chefdirigent Gabriel Venzago (hier beim Neujahrskonzert in der Singener Stadthalle) werden sicher trotzdem großartige Musik aufführen. | Bild: Carmen Biehler | SK-Archiv

Das Orchester und sein Publikum haben das alles nicht verdient

Den Preis bezahlen nun alle: Insa Pijanka selbst in Gestalt einer beschädigten Karriere; die Steuerzahler mit Geld für nicht erhaltene Leistung; die Stadträte mit einer Erosion an Vertrauen; der Bürgermeister mit einem Verlust an politischem Gestaltungsraum und nicht zuletzt das Orchester: Es steht erst einmal führungslos da, und die Neubesetzung der Intendanz, die recht einfach hätte sein können, gestaltet sich nun maximal schwierig.

Diese Tragödie kennt nur Verlierer. Und das Schlimmste daran ist: Etliche der Beteiligten sehen das gar nicht so.

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