Manchmal ist es für Richter wirklich nicht einfach. Besonders, wenn es um Fälle von Kinderpornografie geht. Im Fall des 28-jährigen Konstanzer ist Richterin Heike Willenberg hin- und hergerissen. „Mich ärgert sowas immer brutal, wenn ich lese, dass Kinder mit Entzugssymptomen auf die Welt kommen und dann ihr Leben lang darunter leiden“, sagt sie während der Verhandlung im Amtsgericht Konstanz.

Sie liest gerade das Gutachten eines Psychologen vor, in dem der Angeklagte charakterisiert und die Frage beantwortet wird, ob der Mann vermindert schuldfähig ist. Denn ihm wird von der Staatsanwaltschaft Konstanz zur Last gelegt, dass er sich vier kinderpornografische Bilder von einem anderen Chatpartner besorgt hat.

Eine verminderte Schuldfähigkeit schließen zwei Gutachter allerdings aus. Beide schreiben übereinstimmend: Der 28-Jährige ist nicht sonderlich intelligent, aber zurechnungsfähig. Der Grund liegt darin, dass seine Mutter schwer alkohol- und drogenabhängig ist und auch während der Schwangerschaft weiter konsumierte. Er ist als Frühchen auf die Welt gekommen, seine geistige Entwicklung war gestört, er hat ADHS. Emotional und körperlich sei er in seiner frühen Kindheit vernachlässigt worden.

Das könnte Sie auch interessieren

Sein Rechtsanwalt Gerhard Zahner kennt den Angeklagten von klein auf. Zahner ergänzt daher die Gutachten: Sein Mandant sei leicht abzulenken und beeinflussbar. „Er hat sich von einem Freund dazu bringen lassen, in Kryptowährungen zu investieren“, führt er als Beispiel für dessen Naivität an. 40.000 Euro habe er investiert – alles sei weg. Diesen Schuldenberg zahle der 28-Jährige jetzt ab.

Angebliche Mutter bietet Kind an

In die Straftat, die ihm zur Last gelegt wird, sei er so „hineingerutscht“. Der Angeklagte sei neugierig gewesen. Auf einer Internetplattform für Kleinanzeigen habe er verschiedene Anzeigen aufgegeben – immer auf der Suche nach erotischen Abenteuern. Mal bot er Massagen an, ein anderes Mal suchte er eine Jungfrau oder homosexuelle Erfahrung. „Die Kontaktaufnahme hat für ihn den Reiz ausgemacht“, erklärt Rechtsanwalt Zahner. Weiter sei er nie gegangen.

Im April 2023 antwortet schließlich auf eine seiner Massage-Angebote eine Mutter aus Kreuzlingen. Sie suche angeblich für ihre neunjährige Tochter einen Masseur, der aber auch mit dem Kind schlafen sollte. Richterin Willenberg liest den Chat vor. Der 28-Jährige lässt sich schnell auf das Gespräch ein, fragt nach Bildern, schickt im Gegenzug ein Nacktbild von sich. Gleichzeitig fragt er, ob er sich damit strafbar mache. „Es bleibt ja unter uns“, schreibt die vermeintliche Mutter.

Das könnte Sie auch interessieren

Was der Konstanzer zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Er chattet nicht mit einer Frau aus Kreuzlingen, sondern mit einem Mann aus Lüneburg, der sich einen Spaß daraus macht, regelmäßig Menschen zu manipulieren. Deutschlandweit chattet er mit Fremden und bietet seine vermeintliche Tochter für Sex an. Zum Beweis schickt er die Fotos eines Mädchens in eindeutigen Posen.

Diese Bilder hat auch der Angeklagte bekommen. Er verabredet sich mit der Mutter. „Er hatte aber nie vor, zu dem Treffen zu gehen“, beteuert der Anwalt immer wieder. Sein Klient habe keine pädophilen Neigungen. Das bestätigen auch die Gutachten der Mediziner. „Er war so schockiert von dem Angebot der Mutter, dass er immer weiter gefragt hat. Er wollte die vermeintliche Mutter auffliegen lassen“, sagt Zahner. Doch zur Polizei sei er letztlich nicht gegangen.

Polizei in Lüneburg deckt Fall auf

Dafür standen einige Monate später die Beamten vor seiner Haustüre. Der Chatpartner aus Lüneburg ist in der Zwischenzeit nämlich durch eine Strafanzeige des Portals aufgeflogen. Bei der Hausdurchsuchung der örtlichen Behörden werden sie auch auf den Chat mit dem Konstanzer aufmerksam und geben den Fall nach Konstanz. Und so werden die Fotos auf dem Mobiltelefon des Konstanzers entdeckt. Weiteres Material gibt es aber nicht.

Das könnte Sie auch interessieren

Der 28-Jährige ist still während des Prozesses. Selten ergreift er das Wort. Blickkontakt meidet er. Meistens schaut er auf die Tischplatte. Sein Anwalt Zahner spricht für ihn. „Er räumt die Vorwürfe vollumfänglich ein“, sagt der Rechtsanwalt. Sein Mandant habe verstanden, dass er sich strafbar gemacht habe, sei aber geläutert. In seinem Plädoyer fordert der Rechtsanwalt daher auch eine Geldstrafe und nicht wie die Staatsanwältin Held eine Freiheitsstrafe zur Bewährung.

Richterin Willenberg, die sich mit zwei Schöffen zurückzieht, kommt nach 15 Minuten wieder. Der Konstanzer wird zu einer Geldstrafe verurteilt: Er muss 120 Tagessätzen je 40 Euro zahlen – also 4800 Euro. Das Urteil ist rechtskräftig.