Mit dem Wohnraummangel steht die Stadt Konstanz vor einer großen Herausforderung. Dabei läuft in der Konzilstadt bereits einiges gut, was auch die SÜDKURIER-Serie #wohnreport2030 zeigt. Aber es gibt auch Defizite im Bereich Wohnen. Diese aufzuarbeiten, ist eine Aufgabe der kommunalen Politik. Und nicht nur die Stadtverwaltung hat Einfluss auf die wohnpolitische Entwicklung der Stadt. Auch die Fraktionen im Gemeinderat sind daran beteiligt. Denn das Gremium entscheidet etwa über Bebauungspläne oder Ziele im Klimaschutz.
Deshalb hat sich der SÜDKURIER bei den Fraktionen des Gemeinderats zur Zukunft des Wohnens in Konstanz erkundigt. Alle Parteien haben dafür dieselben drei Grundsatzfragen gestellt bekommen. In einem ersten Teil ging es um die Ziele und Erwartungen der Politiker. Nun steht im Mittelpunkt, was in der Stadt bereits gut läuft und welche Probleme es beim Thema Wohnen in Konstanz noch gibt. Und die Lösungsvorschläge der Fraktionsvorsitzenden unterscheiden sich stark.
Jürgen Faden für die Freien Wähler: „Alle Bevölkerungsgruppen einbinden“

Was läuft im Bereich Wohnen bereits gut in Konstanz?
Die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum.
Wo sehen Sie aktuell die größten Defizite im Bereich Wohnen?
Bauvorhaben werden inzwischen durch Einsprüche stark behindert.
Wie wird Konstanz eine Stadt für alle?
Indem wir alle Bevölkerungsgruppen in unsere Überlegung einbinden und beachten.
Anke Schwede von der Linken Liste Konstanz fordert: „Vorfahrt für eine konsequente Sozialpolitik“

Was läuft im Bereich Wohnen bereits gut in Konstanz?
Die Wobak war in den letzten Jahren sehr rührig und hat geförderten Wohnraum geschaffen, aber leider nicht im erforderlichen Maße. Es haben sich erfreulicherweise auch Baugemeinschaften gefunden, die aber schon seit Jahren auf Grundstücke warten.
Wo sehen Sie aktuell die größten Defizite im Bereich Wohnen?
Es ist dringend notwendig, die Bodenspekulation einzudämmen. Das heißt für uns: keinerlei Verkauf von städtischem Grund und Boden. Es muss vorrangig geprüft werden, ob die Wobak auf solchen Flächen Wohnraum schaffen kann. Die Stadt hat leider in der Vergangenheit Chancen, bezahlbaren Wohnraum in größerem Stil zu schaffen, ungenutzt gelassen.
Wie wird Konstanz eine Stadt für alle?
Vorfahrt für eine konsequente Sozialpolitik, eine autofreie Innenstadt, Vorfahrt für ÖPNV, Fußgänger:innen und Fahrräder, genug Plätze für die Kinderbetreuung, eine ökologische Bau- und Verkehrspolitik als Maßnahme gegen den Klimawandel.
Gisela Kusche antwortet für die Freie Grüne Liste: „Wir brauchen eine autofreie Innenstadt“

Was läuft im Bereich Wohnen bereits gut in Konstanz?
Positiv anzumerken ist die starke Bautätigkeit der Wobak. Die Stadt dagegen hat ein Umsetzungsproblem.
Wo sehen Sie aktuell die größten Defizite im Bereich Wohnen?
Es wird zu viel hochpreisiges Bauen realisiert, teilweise leider auch mit Beteiligung der Stadt, zum Beispiel beim Bauprojekt Laubenhof. Es werden zu selten vorhabenbezogene Bebauungspläne erstellt. Wir wünschen uns, dass beschlossene Bebauungspläne zügig umgesetzt werden.
Wie wird Konstanz eine Stadt für alle?
Durch ein schlüssiges Transformationskonzept hin zu einer Stadt mit hoher Aufenthaltsqualität! Die Vielfalt der Altstadt muss erhalten und eine einseitige Schwerpunktbildung bei Handel und Kommerz vermieden werden. Die Stadt benötigt die Stärkung des öffentlichen, nicht kommerziell genutzten Stadtraums. Wir brauchen eine autofreie Innenstadt mit mehr Stadtgrün. Die bedeutet eine bessere Fußgänger- und Fahrradinfrastruktur. Der ÖPNV muss gestärkt werden, zum Beispiel durch dichtere Taktung sowie ausreichend schützende und mit elektronischer Anzeige ausgestattete Haltestellen.
Matthias Schäfer vom Jungen Forum Konstanz: „Veränderungen, die noch viel mehr Themen aufwerfen“

Was läuft im Bereich Wohnen bereits gut in Konstanz?
Kommunikation und Einbindung. Mit den Bürger*innen gemeinsam lässt sich noch sehr viel in dieser Stadt bewegen. Aber eben nur gemeinsam.
Wo sehen Sie aktuell die größten Defizite im Bereich Wohnen?
Bebauungspläne sind ein schlagkräftiges und bereits vorhandenes Instrument der Stadtentwicklung. Klug und kooperativ eingesetzt, lässt es bereits viel Steuerung zu. Die Stadt nutzt das bereits, könnte es aber noch sehr viel mutiger und klarer tun. Am Döbele ist zu beobachten, dass genau das geschieht. Das erfordert etwas mehr Zeit, wird aber zu einem entsprechend guten Ergebnis führen, wenn der eingeschlagene Weg weitergegangen wird.
Wie wird Konstanz eine Stadt für alle?
Aktuell dreht sich jede Debatte um bezahlbaren Wohnraum und Parkplätze. Dabei stehen wir vor Veränderungen, die noch viel mehr große und wichtige Themen aufwerfen. Dabei wird es um kurze Wege innerhalb der Quartiere, die Abkehr vom Auto bei gleichzeitig weiterem Ausbau von Fahrradstrukturen, ÖPNV und Aufenthaltsqualität gehen. Dabei geht es aber auch darum, die Wohnfläche pro Kopf wieder deutlich zu reduzieren. Bereits eine Reduktion auf etwa 40 Quadratmeter pro Kopf schafft zusätzlichen Wohnraum für 20.000 Menschen.
Roger Tscheulin von der CDU: „Wir sind eine Stadt für alle“

Was läuft im Bereich Wohnen bereits gut in Konstanz?
Aufgrund der sehr hohen Nachfrage ist das Wohnen in Konstanz teuer. Das Thema steht ganz oben auf der städtischen Agenda und die Stadt hat einen Plan, wie man der schwierigen Situation begegnet.
Wo sehen Sie aktuell die größten Defizite im Bereich Wohnen?
Es mangelt an bebaubaren Flächen, was die Grundstückspreise in die Höhe treibt. Zudem sind die Baupreise in den letzten Monaten nochmals exorbitant gestiegen und auf Grund von Lieferengpässen werden zum Teil auch keine verbindlichen Angebote mehr gemacht. Die steigenden Zinsen kommen als zusätzliche Belastung hinzu. Bauen wird gerade auch für Bauwillige unkalkulierbar.
Wie wird Konstanz eine Stadt für alle?
Konstanz ist eine Stadt, die nach wie vor wächst, denn ansonsten wäre die Nachfrage nach Wohnraum nicht ständig größer als das Angebot. Wir sind eine Stadt für alle, müssen aber dafür sorgen, dass wir zum Beispiel für junge Familien genügend bezahlbaren Wohnraum durch geförderten Wohnungsbau haben, damit diese nicht ins Umland abwandern müssen, und wir bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht verlieren. Und oftmals haben es gerade diejenigen, die knapp über einer Fördergrenze liegen, besonders schwer.
Heinrich Everke antwortet für die FDP: „Wohnraum für alle anbieten“
Was läuft im Bereich Wohnen bereits gut in Konstanz?
Die Aktivität von bauwilligen Unternehmen ist vorhanden. Das Interesse an Wohnraum in der Stadt ist hoch. Die Wobak ist erfolgreich.
Wo sehen Sie aktuell die größten Defizite?
Es besteht ein Mangel an bebaubaren Flächen und Hindernisse beim Bau von höheren Gebäuden. Es bestehen Hindernisse bei Baugenehmigungen für Wohnraum in Gewerbegebieten. Es gibt zu viele Einsprüche von Nachbarn oder politischen Gruppierungen aus ideologischen Gründen.
Wie wird Konstanz eine Stadt für alle?
Indem wir Wohnraum für alle anbieten.
Jürgen Ruff sagt für die SPD: „Die Wohnungen müssen bezahlbar sein“

Was läuft im Bereich Wohnen bereits gut in Konstanz?
Die wichtigsten Weichen sind gestellt: das Handlungsprogramm Wohnen, die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Hafner, die Stärkung der WOBAK, ein sozial orientiertes Vergabeverfahren und nicht zuletzt der Bau von Mitarbeiterwohnungen bei der Spitalstiftung, deren Beispiel bald andere städtische Gesellschaften folgen sollten.
Wo sehen Sie aktuell die größten Defizite im Bereich Wohnen?
Zu lange Genehmigungs- und Planungsprozesse; zu viel Blockade von Neubauvorhaben nach dem St. Florians-Prinzip durch lokale Initiativen, die zum Teil im Gemeinderat sogar Unterstützung finden; zu viel hochpreisiger Wohnungsbau vonseiten der privaten Wohnungswirtschaft. Trotz vieler Klagen über den Wohnungsmarkt keine Initiativen für Mitarbeiterwohnungen aus der Wirtschaft.
Wie wird Konstanz eine Stadt für alle?
Noch ist Konstanz eine Stadt für alle. Doch die Tendenz geht zur sozialen Entmischung, nach der zunehmend nur noch Wohlhabendere einerseits und staatlich Unterstützte andererseits hier leben können, während vor allem Erwerbstätige mit Familie wegziehen. Wohnungsbau mit sozial gut gemischten und gemeinschaftlich organisierten Quartieren kann dem entgegenwirken.