Zuerst die Schulschließungen im Frühjahr, jetzt verschärfte Maßnahmen und Regeln im Schulalltag und für die Freizeit: Welche Folgen hat das Corona-Jahr für Konstanzer Kinder und Jugendliche – in schulischer wie in sozialer Hinsicht? Der SÜDKURIER hat bei Schulleitern und Sozialarbeitern nachgefragt.
Haben sich die Schulschließungen vom Frühjahr auf die schulischen Leistungen ausgewirkt?
Nein, sagen die Schulleiterinnen der Gemeinschaftsschule Gebhard und der Grund- und Werkrealschule Berchen unisono. „Wir fanden es erstaunlich, dass bei den Abschlussklassen der Real- und Hauptschule kein Leistungsabfall und kein Unterschied zu anderen Jahrgängen festzustellen war“, so Elke Großkreutz von der Gebhardschule. Es habe aber auch ein wahnsinnig intensives Programm gegeben, in dessen Rahmen die Schüler fokussiert auf die Prüfungen vorbereitet worden seien.
„Und die Jugendlichen haben sich gut darauf eingelassen.“ Auch an der Berchenschule habe der Stillstand keine Auswirkungen auf die Noten gehabt, wie Schulleiterin Angela Murmann-Ise erklärt: „Was wir gemerkt haben, war der Vorteil vom Lernen in kleinen Gruppen.“ Viele ihrer Kollegen hätten gesagt, dass sie sich eine solche Unterrichtsform generell wünschen würden. „Denn in kleinen Gruppen kann man viel intensiver auf einzelne Schüler eingehen.“
Gab es also gar keine Probleme?
Doch. „Wir hatten ja vom ersten Tag an Notgruppen für Eltern mit systemrelevanten Berufen. Zusätzlich haben wir dann mit dem Jugendamt abgeklärt, in welchen Familien es schwierig werden könnte, und dann einzelne Kinder zusätzlich in die Notgruppen aufgenommen“, sagt Berchen-Schulleiterin Murmann-Ise.
Am Anfang sei es auch um die Frage gegangen: Welche Kinder und Jugendlichen erreichen wir nicht? „Etwa bei Eltern, die das Material nicht abgeholt haben oder nicht die entsprechende technische Ausstattung wie Laptops hatten.“ Der digitale Schub sei sowohl an den Schulen als auch bei den Eltern ausgeblieben. „Deshalb musste man individuell schauen und die Lernpakete teilweise auch selbst vorbeibringen“, erklärt Murmann-Ise.
Und der Leiter der Sozialen Dienste in Konstanz, Markus Schubert, betont: „Als Jugendamtsbehörde haben wir vor allem mit Jugendlichen Kontakt, die nicht so ideale Rahmenbedingungen haben. Und da war Corona schon ein Verstärker.“ Wenn eine Familie in ohnehin beengten Verhältnissen aufeinandersitze, mache das durchaus einen Unterschied. „Und es sind ja auch alle Angebote weggefallen, die sonst die mangelnde Förderung zuhause auffangen“, ergänzt Schubert.
Auch Anja Fischer hat nicht nur positive Erinnerungen an den Stillstand. Sie arbeitet als Schulsozialarbeiterin an der Grundschule Haidelmoos. „Einzelne Kinder, die man gar nicht auf dem Schirm hatte, sind auf einmal aufgefallen“, so Fischer. Durch die Polizei habe man etwa von Suchtproblemen in der Familie erfahren.
„Die soziale Kontrolle war während des Lockdowns auch stärker, viele Hinweise kamen von Nachbarn.“ Und noch etwas anderes ist Fischer in Erinnerung geblieben: „Einzelne Kinder hat man kaum wiedererkannt, weil sie so stark an Gewicht zugelegt hatten. Man hat schon gemerkt, dass in einzelnen Familien ein verstärkter Medienkonsum stattgefunden hat und sich Kinder weniger bewegt haben.“
Und wie geht es den Jugendlichen und Kindern jetzt, in Zeiten von Teil-Lockdown und Kontaktbeschränkungen?
Claudia Fechner, Schulsozialarbeiterin an der Gemeinschaftsschule Gebhard, stellt bei Gesprächen mit Jugendlichen derzeit „einen extrem hohen Stresslevel“ fest, wie sie erklärt. Das habe verschiedene Gründe: Zum einen gäbe es Ängste, auch Existenzängste, die von Eltern auf Kinder übertragen werden. Zum anderen sei in der Schule alles sehr stark reglementiert, „bis zum Gang auf die Toilette.“ Freiräume hingegen seien kaum noch vorhanden.
„Herrschen zuhause dann noch beengte Verhältnisse, verschärft das die Situation zusätzlich.“ Und die Möglichkeiten, den Stress abzubauen, etwa im Sportverein, fielen auch alle weg. Die Einteilung der Schüler nach Kohorten, die den ganzen Tag zusammen verbringen, trage ebenfalls nicht unbedingt zur Entspannung bei, so Fechner: „Die Jugendlichen sehen immer die gleichen Menschen. Wenn in einer Kohorte ein Konflikt entsteht, explodiert das irgendwann.“