Als Sabine Saez im Juli 2019 ihre Wohnungssuche begann, ahnte sie nicht, was auf sie zukommen würde. Ihre Vermieterin war verstorben, die Erbin wollte alles verkaufen, also musste Saez bis Juni 2020 raus. Mit ihren beiden Töchtern und dem kleinen Sohn. Die Alleinerziehende war zu Beginn noch guter Dinge. Hunderte Anzeigen habe sie kontaktiert. Mit jedem „Nein“, das eintrudelte, mit jedem Monat, der verging, sank die Stimmung.

Sabine Saez begann ihre Wohnungssuche im Juli 2019. Die Alleinerziehende hoffte auf die Wobak-Warteliste.
Sabine Saez begann ihre Wohnungssuche im Juli 2019. Die Alleinerziehende hoffte auf die Wobak-Warteliste. | Bild: Eva Marie Stegmann

Ende Januar berichtete der SÜDKURIER über sie, weil die einzigen Angebote, die sie erhielt, anzügliche waren.

Sexuelle Belästigung auf Wohnungssuche

Auf den Bericht hin meldeten sich noch mehr betroffene Frauen und Experten sagten: In einer Stadt mit derart angespanntem Wohnungsmarkt sind sexuelle Belästigungen bei der Wohnungssuche normal. Konstanz ist in einem Ranking der teuersten Städte Deutschlands auf Platz 18. Mit Mieten weit über dem Baden-Württembergischen Durchschnitt. Viele suchen einen Wohnraum, wenige bieten ihn an.

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Sabine Saez war verzweifelt. „Vermieter können es sich aussuchen, wen sie nehmen – sie wollen keine Kinder, keine alleinerziehende Mutter“, war sie überzeugt.

Wollen Vermieter wirklich keine Kinder?

Kaisa Zöphel hat die Probe aufs Exempel gemacht. Sie erfuhr Ende 2019, dass sie ein Baby erwartet. Deshalb war für die Labor-Mitarbeiterin und ihren Mann klar: Die eineinhalb Zimmer reichen nicht mehr. „Doch kaum ein Vermieter lud uns ein – wegen dem Kind“, sagt sie. Sicher? „Ja, wir haben denselben Vermieter angeschrieben und einmal das Kind angegeben, einmal nicht.“ Man bevorzugte das kinderlose Paar.

Sie zahlen 1222 Euro für 73 Quadratmeter

Irgendwann fanden sie eine Wohnung. Aber: „Sie ist viel zu teuer. Wir müssen wieder raus.“ 73 Quadratmeter für 1222 Euro warm. Seit August 2019 stehen sie, sagt Kaisa Zöphel, auf der Warteliste der Wobak. Sie hat wenig Hoffnung: „Uns wurde gesagt, wir haben schlechtere Chancen, weil wir beide eine Arbeitsstelle haben.“

Der Baugrund ist ausgehoben, die Schilder sind aufgestellt, hier baut die Wobak.
Der Baugrund ist ausgehoben, die Schilder sind aufgestellt, hier baut die Wobak. | Bild: Eva Marie Stegmann

Jackpot Wobak-Wohnung

Eine Wobak-Wohnung zu erhalten, ist für viele in Konstanz der Jackpot. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft bietet Bleiben zu Preisen an, die oft weit unter den Mieten auf dem freien Markt liegen.

In der SÜDKURIER-Serie „Frag den Kandidaten“ erklärten die fünf Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters, wie sie das Wohnproblem lösen wollen. „Wir müssen weiter bauen“, sagt der amtierende OB Uli Burchardt. Herausforderer Luigi Pantisano will, dass die Wobak aktiv Immobilien und Grundstücke kauft.

Auch Andreas Hennemann, Andreas Matt und Jury Martin. Das Problem: Schon jetzt hat die Wobak so viele Aufträge, dass sie an ihre Grenzen stößt. Sie bräuchte mehr Personal und mehr Geld. Davon, die Wobak besser auszustatten, sprachen Hennemann und Pantisano.

Warteliste: 3000 Bewerber, 500 Härtefälle

Die Gesellschaft hat eine Warteliste. 3000 Bewerber. 500 davon Härtefälle. Auch die Alleinerziehende Sabine Saez ist ein Härtefall. Doch was nützt das, wenn die Zeit knapp ist?

Michael Hitch ist glücklich: Er hat eine Wobak-Wohnung gefunden. Bilder: Eva Marie Stegmann
Michael Hitch ist glücklich: Er hat eine Wobak-Wohnung gefunden. Bilder: Eva Marie Stegmann | Bild: Eva Marie Stegmann

Michael Hitch und seine Partnerin haben vier Jahre lang gewartet. Vor zwei Wochen bezogen sie ihre neue Wobak-Wohnung. Mit einem breiten Grinsen steht er im Baumarkt zwischen Kartons. „Es ist eine große Erleichterung.“ Das Paar lebt seit 2019 in Litzelstetten. „Aber knapp 70 Quadratmeter für 1250 Euro? Viel zu teuer“, sagt Hitch. Eine Wahl hatten sie nicht, von den Dutzenden Vermieterin, die sie anriefen und -schrieben, meldeten sich zwei zurück.

Sparen für die Familienplanung? Fehlanzeige bei der Miete

Zwar hatten sie ein Dach über dem Kopf, ans Sparen aber war nicht zu denken. „Gerade, wenn man an Kinder denkt, ist es doch wichtig, etwas zur Seite gelegt zu haben“, sagt der 37-Jährige. Der Anruf von der Wobak im Frühjahr änderte alles. Ihre neue Bleibe in Petershausen zählt 70 Quadratmeter, drei Zimmer und kostet 730 Euro warm. Michael Hitch: „Ein wahr gewordener Traum“.

Wobak-Liste: Wer wegzieht, ist raus

Die Wobak-Liste ist ein Angebot für Konstanzer. Wer wegzieht, ist raus. So war es bei Nico Meier. Insgesamt zwei Jahre hoffte er auf eine günstige Wohnung. Der 24-jährige Masterstudent an der Uni Konstanz finanziert sich mit Nebenjobs selbst, zeitweise sind es vier gleichzeitig.

Nico Meier pendelt jeden Tag nach Konstanz. Er würde gerne zurückziehen, findet aber keine Wohnung.
Nico Meier pendelt jeden Tag nach Konstanz. Er würde gerne zurückziehen, findet aber keine Wohnung. | Bild: Eva Marie Stegmann

Jetzt musste er mit seinem Freund ins Umland ausweichen, Konstanz war nicht mehr bezahlbar. Sie leben in Mühlhausen-Ehingen in zwei Zimmern mit Garten für 500 Euro warm. „Es ist wunderschön“, sagt er. Aber er muss täglich pendeln.

Und: „Die Freunde kommen uns kaum besuchen, wir fahren nach Konstanz.“ Erst, als Meier einmal wieder bei der Wobak anrief, um nach dem aktuellen Stand zu fragen, erfuhr er, dass er eigentlich kein Recht mehr auf einen Wartelistenplatz hat.

Verdrängt aus Konstanz?

„Ja, ich fühle mich schon verdrängt aus der Stadt“, sagt er. Das Paar sucht aktiv. Bis zu 900 Euro warm für zwei Zimmer sind sie bereit, zu zahlen.“Es gibt Tage, an denen ich mich frage: ‚Warum soll ich so viel mehr Geld ausgeben?‘“, erzählt Nico Meier. Für ein Gefühl, für so etwas wie Identität? „Aber das Herz sagt: Wir wollen zurück. Der Wunsch ist riesengroß.“

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Der Informatiker Stefano di Martino wollte sich in Konstanz eine Eigentumswohnung kaufen. Eine, die groß genug für zwei Personen ist. „Als ich die Preise sah, bin ich erschrocken.“ Als er ein Angebot in Singen erhielt, schlug er zu. Die Wohnung musste noch renoviert werden. Trotzdem hat er für seine 65 Quadratmeter mit Balkon am Stadtrand nur 130.000 Euro gezahlt.

Ist das also die Lösung: ins Umland ziehen?

Di Martino ist zwiegespalten: „Charakterlich passt Konstanz besser zu mir.“

Stefano Di Martino hat keine bezahlbare Wohnung in Konstanz gefunden, nun lebt er in Singen.
Stefano Di Martino hat keine bezahlbare Wohnung in Konstanz gefunden, nun lebt er in Singen. | Bild: Eva Marie Stegmann

Kaisa Zöphel und ihr Mann sind unterdessen immer sicherer, dass sie ins Umland ziehen müssen. Es belastet sie sehr. Sie fühlen sich aus Konstanz verdrängt.

Hilfe beim Oberbürgermeister gesucht

Und die Alleinerziehende Sabine Saez? Im Februar war sie sogar beim Oberbürgermeister. „Er hat mir zugehört, aber helfen konnte er nicht.“ Sie suchte weiter, gab nicht auf. Und hatte Glück: Vor kurzem bezog die Familie vier Zimmer in einem Neubau, mit zwei Bädern, Fußbodenheizung und Tiefgarage für knapp 1000 Euro warm. Es ist eine Wohnung der Wobak.