Eva Marie Stegmann

Als die Konstanzer Studentin auf der Verkaufsplattform Ebay Kleinanzeigen ihr Wohnungsgesuch aufgab, hoffte Pia Häuser, für sich und ihre Freundin eine bezahlbare Bleibe zu finden. Oder überhaupt eine Bleibe. Sie stellte ein Foto dazu, auf dem die beiden Freundinnen zu sehen waren, zwei sympathisch aussehende Studentinnen.

Statt Wohnungsangeboten erhielt sie das Bild eines Geschlechtsteils.

Und den Anruf eines älteren Mannes. Er habe eine Wohnung, sie müsse auch kaum Miete zahlen. „Als ich wissen wollte, was es damit auf sich hatte, antwortete er: ‚Ich bin halt einsam.‘“ Pia Häuser legte auf und löschte das Bild, wenig später ihre Anzeige.

Anstößige Bilder, zweifelhafte Angebote sind kein Einzelfall

Erzählungen wie diese hat der SÜDKURIER in den vergangenen Tagen einige gehört. Von Männern, teilweise auch Frauen, die auf Online-Wohnungsgesuche mit anstößigen Bildern reagieren, zweifelhafte Angebote unterbreiten. Männer, die Frauen, vor allem Studentinnen, Wohnungen anbieten gegen „erotische Model-Jobs“ oder „vergnügliche Stunden, zweimal die Woche, einmal mit dir, einmal mit deiner Freundin“.

Auf eine Facebook-Anzeige meldet sich bei einer Konstanzer Studentin ein Mann. Seine Absichten werden schnell deutlich ...
Auf eine Facebook-Anzeige meldet sich bei einer Konstanzer Studentin ein Mann. Seine Absichten werden schnell deutlich ... | Bild: Screenshot/Privat

Losgetreten hatte das Thema der Artikel über die alleinerziehende Konstanzerin Sabine Saez, die verzweifelt eine Wohnung sucht – und stattdessen anzügliche Mails, Anrufe und Bilder erhielt. Saez nutzte das Portal Ebay Kleinanzeigen. Dem SÜDKURIER sind weitere Vorfälle über die Plattformen WG-gesucht und Facebook bekannt.

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„Ich habe die meisten Bilder und Nachrichten sofort gelöscht und anschließend bei Ebay gemeldet“, sagt Sabine Saez.

Nicht nur Blockieren, Belästigungen auch Melden!

Laut Pierre du Bois von Ebay Kleinanzeigen hat sie genau richtig gehandelt. Auf Nachfrage von SÜDKURIER sagt er: „Nach unserem Eindruck zielen die Belästigungen häufig auf die Empörung der Empfänger ab. Deshalb raten wir dazu, auf entsprechende Nachrichten nicht zu reagieren, den Absender an uns zu melden sowie anschließend zu blockieren.“

Das Problem Belästigung von Frauen auf Wohnungssuche sei bekannt. „Wir erfassen die Zahl entsprechender Belästigungen nicht, nehmen jedoch wahr, dass das Thema im zurückliegenden Jahr an Bedeutung gewonnen hat“, so der Pressesprecher des Portals.

Phänomen eher in Großstädten

Das Phänomen lasse sich nicht regional begrenzen. Es trete überall auf, vermehrt aber in Ballungsgebieten und Metropolen wie Berlin und Hamburg. Konstanz ist zwar keine Großstadt, doch der Wohnungsmarkt ist hier besonders angespannt. Pierre du Bois: „Das ist zugleich das besonders perfide – dass die Notlage Wohnungssuchender gezielt ausgenutzt wird.“

Der Mann spricht erst von seiner Mutter, die angeblich eine Wohnung habe. In der nächsten Nachricht, diesmal über den ...
Der Mann spricht erst von seiner Mutter, die angeblich eine Wohnung habe. In der nächsten Nachricht, diesmal über den Facebook-Messenger, ist die angebliche Wohnungsbesitzerin tot. | Bild: Screenshot/Privat

Auch Anna Unglaube aus Konstanz hat verzweifelt nach einer Wohnung gesucht. Die Person, die sie auf ihrem Handy anschrieb, wirkte zunächst normal. „Dann fing er damit an, dass ich etwas für die Wohnung tun müsse. Richtig erbärmlich ...“, ärgert sie sich. Sie blockierte ihn, drohte sogar mit der Polizei.

Belästigungen im rechtlichen Graubereich

Allerdings sind derlei Belästigungen in einem rechtlichen Graubereich. Würde man sie anzeigen, würden sie als „Beleidigung“ gelistet. Einen eigenen Straftatbestand für Beleidigungen auf sexueller Grundlage gibt es nicht. „Bezogen auf die Wohnungssuche wurde dies in Konstanz bisher weniger angezeigt. Man kennt es eher von Großstädten“, so Tatjana Deggelmann vom Polizeipräsidium Konstanz.

Erst ist es nur ein Kompliment ...
Erst ist es nur ein Kompliment ... | Bild: Screenshot/Privat

Keine der zehn belästigten Frauen, mit denen der SÜDKURIER gesprochen hat, hat eine Anzeige erstellt. Tatsächlich ist der Großteil dieser Delikte laut Polizei nicht strafrechtlich relevant.

Warum tut jemand so etwas?

Pierre du Bois geht von einem perfiden Spiel mit den Emotionen der betroffenen Frauen aus. „Ich möchte nochmals betonen: Betroffene sollten in keinem Fall auf derlei Nachrichten antworten, auch nicht mit Empörung. Die Reaktionen bestärken die Täter in ihrem Handel.“

Diese Nutzerin reagiert wütend auf den Mann, der sie angeschrieben hat. Er schickt daraufhin ein Bild seines Geschlechtsteils.
Diese Nutzerin reagiert wütend auf den Mann, der sie angeschrieben hat. Er schickt daraufhin ein Bild seines Geschlechtsteils. | Bild: Screenshot/Privat

Er fügt hinzu: „Mir ist im Übrigen kein Fall bekannt, wo die vorgeblichen Vermieter tatsächlich eine Wohnung zu offerieren hatten.“

Auch die Konstanzerin Anna Unglaube fand bald heraus, dass der Mann, der sie angeschrieben hatte, kein Vermieter war. Mittlerweile hat sie eine Bleibe gefunden. Sabine Saez hingegen sucht noch immer.