Wer sich auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt umsieht, überlegt es sich zweimal, ob er sich für einen Arbeitsplatz in der Konzilstadt bewirbt. Im Zweifel zieht man die Bewerbung lieber zurück. Alexander Spießer kennt das. Er hat es dieses Jahr bereits dreimal erlebt. Aber nicht als Bewerber – Spießer ist Geschäftsführer von Misol, einem Konstanzer Maler- und Stuckateurbetrieb.
Er wollte Fachkräfte von außerhalb für seine Firma gewinnen. Vergeblich. Der Grund war der Konstanzer Wohnungsmarkt. „Da gab es die Anfrage, ob wir Betriebswohnungen stellen könnten“, erzählt er. Eigene Mitarbeiterwohnungen kann sich die Firma aber nicht leisten. „Aus den drei Bewerbungen wurde dann schlussendlich nichts.“ Spießer hört ähnliche Erfahrungen auch von Kollegen. Das knappe Wohnungsangebot und die hohen Mieten in der Konzilstadt machen einigen Betrieben schwer zu schaffen.
„Das ist kein rein konstanzerisches Problem“, erklärt Beate Behrens. Sie ist die Leiterin der städtischen Wirtschaftsförderung. In der Konzilstadt sei es aber tatsächlich ein „größeres Nadelöhr“ für die Wirtschaft. Allerdings sind die verschiedenen Branchen davon nicht gleichermaßen betroffen: IT-Firmen sind zum Beispiel weniger darauf angewiesen, dass die Angestellten auch vor Ort arbeiten. „Die Mitarbeiter kommen dann vielleicht hin und wieder mal nach Konstanz. Aber eigentlich funktioniert das genauso im Homeoffice aus ganz Deutschland“, erklärt Behrens.
Handwerk, Pflege oder Gastronomie haben es besonders schwer
Anders sei es bei Berufen, die sich nicht von woanders ausüben lassen. Handwerker oder Kellner, Busfahrer, Erzieher oder Pflegekräfte müssen nun mal dort leben, wo sie auch arbeiten. „Das ist die größte Krux“, sagt Behrens. „Dienstleistung am Menschen kann man nicht auslagern.“ Und dabei kommt hinzu: In genau diesen Berufen verdient man weniger Geld. Auf dem hart umkämpften Konstanzer Wohnungsmarkt wird es dadurch noch schwieriger.
Die Geschäftsleitung von Misol versucht ihrem Personal zu helfen, wo es geht. „In unserer Branche kriegen wir mit, wo überall Wohnungen entstehen. Da probieren wir dann schon, uns für unsere Mitarbeiter und deren Familien umzuhören und zu vermitteln“, sagt Alexander Spießer. „Aber das machen die anderen Firmen genauso.“

Viele Unternehmen, sagt auch Beate Behrens, sind erfinderisch im Umgang mit der Wohnungsnot. „Wenn Firmen den Standort gut finden, dann versuchen sie auch Lösungen für die Schwierigkeiten zu finden“, so die Leiterin der Wirtschaftsförderung. Manche Firmen mieteten etwa Ferienwohnungen an, um Fachkräfte am Ort zu halten. Aber gibt es nicht langfristigere, nachhaltigere Lösungen?
Eine Möglichkeit sind betriebseigene Personalwohnungen. Kleine Unternehmen haben meist nicht genügend Kapital, um in Immobilien zu investieren oder selbst zu bauen, selbst wenn sie es gerne tun würden. Größere, oft alteingesessene Konstanzer Arbeitgeber können eigene Mitarbeiterwohnungen viel eher bieten.
Mieterbund: Betriebliches Wohnen als „Chance“
Die Stadtwerke machen das zum Beispiel. Aber deren Betriebswohnungen sind oft über viele Jahre belegt, gegen die kurzfristige Nachfrage helfen sie nicht, gibt Stadtwerke-Pressesprecher Christopher Pape zu. „Kürzlich haben wir jedoch eine Betriebswohnung zu einer WG umgestaltet, die auch zum vorübergehenden Wohnen genutzt werden kann, was insbesondere zum Anfang hilfreich ist.“
Auch etwa die Spitalstiftung verfügt über Personalwohnungen und plant derzeit neue im Sierenmoos. Bei der Verwaltung arbeitet das Unternehmen mit dem städtischen Wohnbauunternehmen Wobak zusammen. Für Winfried Kropp vom Deutschen Mieterbund Bodensee ist das ein positives Beispiel: „Dadurch wird die spezifische Kompetenz der Wobak gut genutzt, und die Spitalstiftung gibt ihr Grundstück und Geld dazu. Andere öffentliche Arbeitgeber müssten diesem Modell folgen“, fordert Kropp und betont, dass betriebliches Wohnen genauso förderfähig sei wie andere Teile des sozialen Wohnungsbaus auch. „Die Wirtschaft muss dringend erkennen, dass das betriebliche Wohnen für sie eine Chance darstellt.“
Mitarbeiterwohnungen bergen auch Risiko
Aus Mietersicht geht mit dem Mitarbeiterwohnen ein Risiko einher: Der Mietvertrag ist oft an den Arbeitsplatz gekoppelt. Beim Verlust des Arbeitsplatzes oder größeren Konflikten mit dem Arbeitgeber droht dann die Wohnungskündigung. Dennoch sieht Winfried Kropp einen großen Vorteil in dem Konzept: Arbeitskräfte kommen im besten Fall unkompliziert an eine bezahlbare Unterkunft in Konstanz.
Was aber, wenn Unternehmen sich – wie Alexander Spießer mit seinem Maler- und Stuckateurbetrieb – keine Immobilien für ihr Personal leisten können? Eine Möglichkeit wäre die stärkere Zusammenarbeit von Unternehmen mit der Stadt. Beate Behrens verweist auf die Idee zusammen Wohnheime für Auszubildende zu schaffen. Solche Azubi-Wohnungen sind auch im städtischen Handlungsprogramm Wirtschaft angedacht.

Georg Hiltner, Geschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz, sieht das als vielversprechenden Lösungsansatz: „Für Studierende gibt es zahlreiche Wohnheime in Konstanz. Das wäre auch eine Option für Auszubildende, die hier elternunabhängig oder fern der Heimat eine Ausbildung starten wollen.“ Seiner Meinung nach sollten Auszubildende, die eine geringbezahlte Ausbildung antreten, bevorzugt Anspruch auf bezahlbaren Wohnraum erhalten.
Winfried Kropp vom Mieterbund hat einen anderen Vorschlag, der ganz ohne das Zutun der Stadt auskommen könnte: Eine überregionale Gesellschaft, die gemeinschaftlich Betriebswohnungen baut. „Warum nicht die Nachfrage bündeln und einen Fonds machen, in den sich kleinere Betriebe einkaufen können und dann ein Belegungsrecht kriegen?“ Das wäre für Betriebe interessant, die vielleicht nur drei Wohnungen für ihr Personal bräuchten und sich das Bauen alleine nicht leisten können.