Wer rund zwei Wochen nach Wiedereröffnung des Guten Hirten in der Zollernstraße das Lokal betritt, trifft in gut besuchten Räumen auf einige Stammgäste. Auf den ersten Blick hat sich nicht viel verändert: Die Weinauswahl ist dieselbe, es gibt weiterhin den Hirtensalat und Dünnele, die altehrwürdigen Räume sind ähnlich eingerichtet wie vor dem Jahresende 2022 – dem Tag, an dem die frühere Wirtin Tamara Unterwerner nach 15 Jahren im Guten Hirten zum letzten Mal die Tür schloss.
Doch auf den zweiten Blick gibt es Unterschiede: „Die Küche ist neu, die Möbel auch“, sagt der neue Wirt Hubertus Reiber, der jetzt das Weinlokal mit seinem Sohn Max betreibt. „Außerdem wirken die Räume jetzt freundlicher. Die Wände sind gestrichen, wir haben ein neues Beleuchtungskonzept, keine Vorhänge mehr und die früher grünen Holzbalken sind jetzt auch hell.“

Hubertus Reiber, der seit 35 Jahren die Villa Barleben in der Seestraße betreibt, möchte das Konzept des Guten Hirten weitgehend so übernehmen, wie die Gäste es gewohnt waren: „Der Gute Hirte bleibt eine Weinstube, auch die Auswahl der Speisen und Getränke ist fast wie vorher“, so Reiber.
Ein paar neue Akzente möchte er aber dennoch setzen: „Die Gäste sitzen bei uns nicht mehr so dicht gedrängt und meine Dünnele sind dünner“, so Reiber. Insgesamt seien seine angebotenen Speisen „regional, nachhaltig und handgemacht“. So kurz nach der Eröffnung zeigt der Wirt sich zufrieden: „Wir bekommen positive Rückmeldungen der Gäste und sind gut besucht. Jetzt weiß ich auch immer, wann 16 Uhr ist“, sagt er und lacht. „Ich schließe die Tür auf und werde schon überrannt.“

Das sagen die neuen, alten Gäste
An einem großen Tisch sitzt eine Gruppe von Freunden. Vor ihnen stehen Maultaschen und Kartoffelsalat, Hirtensalat und ein Fleischgericht. „Ich habe hier seit der Wiedereröffnung auch mal Dünnele gegessen“, sagt Marianne Heinzle. „Die waren anders als vorher, aber auch gut.“
Die 73-Jährige ergänzt: „Wir waren schon in Tamaras ehemaliger Weinstube in der Niederburg und dann von Beginn an mit ihr im Guten Hirten. Tamara war eine Institution.“ Roland Bachmann ergänzt: „Aber auch Hubertus Reiber macht es gut, seine Servicekräfte sind ebenfalls nett.“

Auch Anni Steidle besucht regelmäßig die Weinstube. „Die Räume sind freundlicher geworden und das Personal ist sehr nett. Die neuen Wirte geben sich viel Mühe“, sagt die 70-jährige Konstanzerin und ergänzt ungefragt: „Aber Tamara haben wir auch geliebt.“ Sie war seit der Wiedereröffnung schon zweimal im Lokal. Ihre Begleitung ergänzt: „Tamara kannte halt jeden und hat sehr persönliche Gespräche geführt. Sie fehlt den alten Konstanzern, aber der neue Wirt muss uns Gäste ja erstmal kennen lernen.“
Im Nachbarraum genießt ein Ehepaar mit einer Bekannten den Abend. Auch die Drei sind zufrieden mit dem neuen Angebot, aber einen Wermutstropfen findet ein Gast dennoch: „Schade, dass es keine Kartoffelsuppe mehr gibt, die war ein Gedicht.“ Auch die Drei sind langjährige Weggefährten der früheren Wirtin. „Tamara war gästenah, wieselig und schnell“, sagt eine Besucherin.
Tamara hat schon neue Ideen
Und wie geht es inzwischen der umtriebigen 60-Jährigen, die nach dem Ende im Guten Hirten „von 180 auf 100 herunterschalten“ wollte? Die steht eine Tür weiter und ein Stockwerk höher am Empfang ihres Hotels am Fischmarkt und verspürt ebenfalls Wehmut: „Ich vermisse meine Gäste“, sagt sie. Eigentlich wollte sie endlich Zeit finden, die Geburtstagspost ihrer Gäste aus 40 Jahren zu lesen und mit einem E-Bike nach Barcelona zu fahren.
Doch das muss noch warten: „Die Briefe sind noch nicht gelesen und das Fahrrad noch nicht gekauft“, sagt Tamara Unterwerner. Sie kümmert sich noch vier Jahre lang um das Hotel, das sie mit ihrem Sohn betreibt. „Früher saß bei mir jeder Handgriff, aber jetzt muss ich mich an den Computer gewöhnen, das ist null meine Welt“, seufzt sie.

Kein Wunder, dass sie schon wieder Augen und Ohren offen hält und auf der Suche nach einem neuen gastronomischen Tätigkeitsfeld ist. „Jeden Tag sprechen mich Leute auf der Straße an und fragen, wann ich wieder was aufmache“, sagt Tamara Unterwerner. Ganz abwegig ist dieser Gedanke nicht: „Ich bin an was dran, aber es ist noch nichts in trockenen Tüchern“, sagt sie.