Michael lebt noch nicht lange auf der Straße. Noch Anfang des Jahres arbeitete und lebte er als Deutscher in der Schweiz, hatte eine Aufenthaltsbewilligung. Doch dann sei die Bewilligung abgelaufen, durch Corona habe sich die Bearbeitung verzögert, er verlor seinen Job und musste daraufhin zurück nach Deutschland, so erzählt es Michael. „Ich hatte fünf Tage Zeit, das Land zu verlassen“, sagt er.

Im September sei er so nach Konstanz gekommen, ohne Job und ohne Wohnsitz. Weil er ein Dach über dem Kopf gebraucht habe, sei er dann in der Unterkunft im Haidelmoosweg gelandet. Dort wieder auf die Beine zu kommen, sei allerdings unmöglich gewesen, sagt Michael.

Nachts wurde gestritten, tagsüber geschlafen

Ständig sei es dort laut, immer wieder käme es bis spät in die Nacht zu Streitereien. An Schlaf sei kaum zu denken gewesen. „Wenn man nachts nicht schlafen kann, dann schläft man halt tagsüber“, sagt Michael.

Inzwischen ist er in einem von insgesamt sechs Wohnwagen bei der ehemaligen Fleischerei Müller in der Byk-Gulden-Straße untergebracht. Er lehnt in der Sitzecke des Wohnwagens, den er sich mit einem weiteren Obdachlosen teilt.

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Ein Laptop steht vor ihm auf dem Tisch. Eine mit Strom betriebene Heizung sorgt für eine angenehme Wärme. Hier am äußersten Rand von Konstanz gehe es ihm besser. Er habe seine Ruhe, habe die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Und könne sich nun endlich um seine Angelegenheiten kümmern.

Diesen Wohnwagen teilt sich Michael mit einem weiteren Leidensgenossen.
Diesen Wohnwagen teilt sich Michael mit einem weiteren Leidensgenossen. | Bild: Jennifer Moog

Er hofft, dass seine Zeit auf der Straße begrenzt ist, er wieder eine Arbeit und eine Wohnung findet. Deswegen will er auch nicht seinen vollen Namen nennen. Er befürchtet, dass potentielle Arbeitgeber abgeschreckt sein könnten, wenn sie erfahren, dass er gerade keinen festen Wohnsitz hat.

Als Übergangslösung sei der Wohnwagen, in dem er derzeit lebt, jedenfalls eine gute Alternative. Auch wenn nicht immer alles perfekt laufe, der Strom ab und zu ausfalle. Aber es würde sich um alles gekümmert. Bisher habe es auch mit den anderen Obdachlosen, die dort leben, keine Reibereien gegeben. „Aber kommen Sie in einem Monat nochmal her, dann kann ich Ihnen mehr sagen“, fügt er schmunzelnd hinzu.

Nicht jeder Obdachlose will im Wohnwagen leben

Neben Michael wohnen noch fünf weitere Obdachlose derzeit in den Wohnwagen, die auf dem Hof der ehemaligen Fleischerei stehen. Fünf weitere Plätze seien derzeit noch frei, sagt Bettina Parschat, Abteilungsleiterin des Amtes für Öffentliche Sicherheit und Gewerbe.

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Sie hat das Projekt mit initiiert. Sie sagt auch: „Nicht alle Wohnungslosen sind bereit, so weit weg von der Innenstadt zu leben.“ Deswegen sei sie noch auf der Suche nach weiteren Menschen, die dort einziehen wollen.

Brennpunkt Haidelmoosweg

Erst einmal sei die Wohnwagen-Siedlung als Übergangslösung für den Winter gedacht. Denn an Unterbringungsmöglichkeiten für Obdachlose mangle es in Konstanz. Immer wieder versuche man für diese Zeit Wohnungen anzumieten, doch auch das reiche meist nicht aus. Und die Unterkunft im Haidelmoosweg sei kein guter Ort, um wieder auf die Beine zu kommen.

„Der Haidelmoosweg ist eine Brennpunktunterkunft, das brauchen wir nicht zu beschönigen. Bei fast jeder Person dort gibt es Sucht- oder psychische Probleme“, sagt Eva Parascandolo. Sie ist für die Unterbringung von Obdachlosen und Geflüchteten in der Stadt zuständig. Deswegen habe es dringend eine Alternative gebraucht.

Mit den Wohnwagen habe man eine zufriedenstellende Lösung gefunden. Denn außerdem stehen den Obdachlosen nämlich auch die Küche und Sanitäranlagen des ehemaligen Schlachthofs zur Verfügung. „Immer wieder schauen Sicherheitsmänner nach dem Rechten“, sagt Parschat. Einen Weihnachtsbaum haben sie auch aufgestellt.

„Ohne die Küche und die Sanitäranlagen wäre es nicht gegangen“, sagt Parschat. Obwohl die Wohnwagen als kurzfristige Lösung gut funktionieren, würde allerdings bereits an weiteren Ideen der längerfristigen Unterbringung gearbeitet.

Diese Küche teilen sich die Bewohner der Wohnwagen gemeinsam. Bisher sei es dabei nicht zu Reibereien gekommen.
Diese Küche teilen sich die Bewohner der Wohnwagen gemeinsam. Bisher sei es dabei nicht zu Reibereien gekommen. | Bild: Jennifer Moog

„95 Prozent der Obdachlosen müssen längerfristig untergebracht werden“

Parascandolo sagt: „Eigentlich müssen wir nur für eine kurzfristige Unterbringung der Obdachlosen sorgen, aber das ist an der tatsächlichen Lebenswelt vorbei gedacht. 95 Prozent der Obdachlosen müssen längerfristig untergebracht werden.“

Deshalb sei innerhalb der Stadtverwaltung eine Projektgruppe aus mehreren Mitgliedern verschiedener Ämter gebildet worden. Die Gruppe wolle künftig an längerfristigen Lösungen für die Unterbringung der Wohnungslosen arbeiten. „Gleich nach den Weihnachtsferien wollen wir mit der Projektarbeit anfangen“, so Parschat.