Die ungewisse Zukunft des Herz-Zentrums Bodensee ist im Alltag der rund 200 Mitarbeitenden spürbar. Beim SÜDKURIER-Besuch grüßen sich die Kollegen auf den Gängen lächelnd – und doch hat sich die Stimmung verändert. Seitdem Anfang Juli 2025 bekannt wurde, dass die Einrichtung Insolvenz anmelden musste, „merken wir die Verunsicherung“. Das sagt Sven Domres, Oberarzt der Herzchirurgie und Betriebsrat. Manche Mitarbeitenden hätten Angst, andere seien optimistisch und vertrauten darauf, dass eine Lösung gefunden werde, so der Oberarzt.

Als Betriebsrat betont er: „Uns geht es um den Erhalt des gesamten Hauses, damit alle ihre Arbeitsplätze behalten können.“ Denn eine Zerschlagung in mehrere Einheiten oder Teilschließungen sind theoretisch mögliche Szenarien. Hier gibt es allerdings gute Neuigkeiten: Auf Nachfrage schreibt Rechtsanwältin Nora Sickeler aus der beauftragten Kanzlei Grub Brugger in Stuttgart, eine Zerschlagung zeichne sich „zum aktuellen Zeitpunkt nicht“ ab.

Derzeit laufen laut der Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht sowohl Verhandlungen mit dem Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) sowie mit weiteren potenziellen Investoren, „die ihr Interesse an einer Übernahme bekundet haben“. Wer diese weiteren Interessenten sind, könne sie zum aktuellen Zeitpunkt nicht preisgeben.

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Patienten werden weiterhin vollumfänglich betreut

Der selbst finanziell angeschlagene GLKN hatte bereits frühzeitig sein Angebot zur Übernahme des Herz-Zentrums unterbreitet, wie vom Kreistag beschlossen. Bislang kam es aber zu keiner Einigung. „Wir sind im engen Austausch mit dem GLKN sowie den weiteren Interessenten und arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung“, schreibt Nora Sickeler.

Im September 2025 läuft noch das vorläufige Insolvenzverfahren, ab Oktober startet das eigentliche Verfahren. „Trotz dieser schwierigen finanziellen Situation werden alle Patientinnen und Patienten vollumfänglich und auf gewohnt hohem Niveau betreut“, betonen Sven Domres und sein Kollege Fabio Maier, Betriebsratsvorsitzender des Herz-Zentrums Bodensee.

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Maier ergänzt im Gespräch mit dem SÜDKURIER: „Im Alltag spüren wir keine Einschnitte, das Operationsprogramm ist voll. Aber wir haben das Gefühl, dass noch nicht alle wissen, welche medizinische Bedeutung wir haben.“ Manchmal bekomme das Personal mit, dass Patienten für Eingriffe in andere Städte geschickt würden, obwohl sie auch in Konstanz möglich sind.

Fabio Maier sagt: „Wir Mitarbeitenden leben selbst hier, viele von uns haben eine Familie. Wir können deshalb abschätzen, was es bedeuten würde, wenn es unsere medizinische Kompetenz in Konstanz nicht mehr gäbe.“ Denn das in den 1990er-Jahren gegründete Zentrum mit 55 Betten sei für alle Altersklassen oft überlebensnotwendig, vom Kind bis zum Senior.

(Archivfoto) Schild mit Symbolcharakter: Die Finanzen des Herz-Zentrums Bodensee gerieten in Schieflage.
(Archivfoto) Schild mit Symbolcharakter: Die Finanzen des Herz-Zentrums Bodensee gerieten in Schieflage. | Bild: Hanser, Oliver

Kinder, die an einer Herzrhythmusstörung leiden, würden am Herz-Zentrum Bodensee mit großem Erfolg behandelt, so die Betriebsräte. „Die Behandlung derartiger Erkrankungen bei Kindern wird deutschlandweit nur von einem Dutzend spezialisierter Ärzte durchgeführt“, führen sie aus.

„Bei Notfällen ist die Lage noch prekärer“, sagt Fabio Maier und verdeutlicht: „Es gibt Menschen, die einen Transport mit dem Hubschrauber nach Freiburg nicht überleben würden, wenn es unser Haus nicht mehr gäbe. Bei Herznotfällen kann der Faktor Zeit über Leben und Tod entscheiden.“

Laut Betriebsrat gab es schon Kündigungen

Außerdem würden einige Patienten regelmäßig in Konstanz behandelt, ergänzt Sven Domres. „Sie müssten künftig weite Wege in Kauf nehmen.“ Die nächsten Herzchirurgie-Standorte liegen in Bad Krozingen, Lahr, Freiburg, Tübingen oder Ulm. Laut Fabio Maier ist das Einzugsgebiet des Konstanzer Zentrums selbst groß: „Wir behandeln auch Patienten aus Vorarlberg.“

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Obwohl die Betriebsräte nicht aktiv in die Verhandlungen zwischen Insolvenzverwalter, Übernahme-Interessenten und Krankenkassen eingebunden sind, möchten sie nicht untätig zuschauen. „Hier arbeiten Menschen mit Herzblut“, sagt Fabio Maier sinnbildlich. Diese fürchteten einen Herzstillstand ihres Arbeitgebers. „Es kam schon zu Kündigungen“, so der Betriebsratsvorsitzende. Sollten weitere folgen, könne dies den Betrieb ernsthaft gefährden.

Um „ein Zeichen nach innen und außen zu setzen“, startete der Betriebsrat nun eine Petition mit dem Titel „Rettet das Herzzentrum!“ Sie richtet sich an den Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg.

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Unter anderem heißt es in der Petition: „Das lange Andauern der Verhandlungen zwischen dem Herz-Zentrum Bodensee und den potenziellen Investoren gibt Anlass zu ernsthafter Sorge. Denn es steht viel auf dem Spiel: Sollte die Übernahme durch einen Investor scheitern, droht die Schließung des Herz-Zentrums und damit der dauerhafte Verlust der Herzchirurgie für den Landkreis Konstanz.“

Und weiter: „Wer diese Versorgung aufgibt, der gefährdet aktiv Menschenleben! (…) Die wohnortnahe Spitzenmedizin darf nicht durch Struktur- und Bürokratiefragen zerstört werden.“ Der Betriebsrat fordert deshalb „die Politik und die Verwaltungen der zuständigen Ministerien und Behörden in Baden-Württemberg und im Landkreis Konstanz sowie die Krankenkassen auf, sich aktiv um die Beantwortung der ungeklärten verwaltungsrechtlichen Fragen zu kümmern, die im Zuge des vorläufigen Insolvenzverfahrens entstanden sind.“

Betriebsrat: „Wichtig ist, dass es überhaupt weitergeht“

Welche sind das? Anwältin Nora Sickeler erläutert: „Es geht hauptsächlich um die Frage, ob der bestehende Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden kann. Hierfür sind die Zustimmungen verschiedener Stellen notwendig und insbesondere auch der Wille der Politik, das Herz-Zentrum zu erhalten.“

Fabio Maier betont: „Für uns spielt der Name des Investors keine Rolle. Wichtig ist, dass es überhaupt weitergeht für Patienten und Mitarbeiter.“ Selbst, wenn die Petition bis zu ihrem Auslaufen nicht das Quorum von 22.000 Unterzeichnern schafft, ist für den Betriebsratsvorsitzenden schon viel gewonnen: „Dann haben wir trotzdem unser Ziel erreicht, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und unser medizinisches Angebot bekannter zu machen“, sagt er.