Für Parteien und Politiker sind es harte Zeiten: Erst gilt es, klamme Haushalte in den Gemeinden und im Kreistag mitzutragen (oder dagegenzuhalten), dann steht auch noch ein heftiger Bundestagswahlkampf bevor. Das kann schon dazu führen, dass eine Fraktion ein wenig Wind in die Kreistagsdebatte trägt.

So rückt der Tagesordnungspunkt 16, normalerweise eine Formalie, die rasch durchgewunken wird, plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses. Es geht um die Unterstützung der Seenotrettung mit 10.000 Euro aus den Haushaltsmitteln des Kreises, seit fünf Jahren Tradition im Landkreis Konstanz, von der Verwaltung empfohlen und bislang unumstritten. Nun aber hält die CDU-Fraktion mit einem Antrag dagegen.

Geflüchtete wieder zurückbringen

Sie möchte die Unterstützung der Regensburger Nichtregierungsorganisation Sea-Eye daran knüpfen, dass die NGO die in Seenot aufgegriffenen Menschen wieder an ihren Abfahrtsort, also etwa die libysche Küste, bringt. Denn in der jetzigen Praxis – die Menschen werden nach Italien gebracht und stellen einen Asylantrag – unterstütze man das Geschäftsmodell der Schlepper. Sollte die NGO nicht bereit sein, auf die Forderung einzugehen, möchte die CDU die Unterstützungszahlung einstellen. Unterschrieben ist der Antrag von allen Fraktionsmitgliedern.

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Das Schriftstück sorgt dann bereits vor der Kreistagssitzung am Montag für ordentlichen Wirbel. Kurz vor der Sitzung stehen etwa 30 Mitglieder aus den Reihen der Organisation Seebrücke, von Sea-Eye und Cafe Mondial in den Zuschauerreihen des Kreistags und halten ihre Transparente hoch. „Mensch lässt Mensch nicht ertrinken“, steht auf einem Plakat. CDU mit durchgestrichenem C auf einem anderen. Sie dürfen ihre Transparente für einen Moment zeigen, dann ruft Landrat Zeno Danner zum Sitzungsbeginn auf.

Seebrücke: Vorschlag „krass völkerrechtswidrig“

In einer Pressemitteilung vom Sonntag zitiert die Konstanzer Organisation Seebrücke den Vorsitzenden von Sea-Eye, Gorden Isler, dass die Forderung der CDU „krass völkerrechtswidrig“ sei. Die Europäische Menschenrechtskonvention verbiete die Rückführung von Flüchtlingen in Länder mit prekärer Menschenrechtslage. Isler wird so zitiert: „In Italien gewinnen wir Prozesse gegen den Staat, weil wir uns an Gesetze halten. In Konstanz will man uns dafür bezahlen, dass wir gegen Gesetze verstoßen.“

Die Linke im Kreistag kontert ebenfalls bereits im Vorfeld mit einer Pressemitteilung: „Ungeachtet des notwendigen Schlusses, dass die CDU somit aus ihrer eigenen Sicht die letzten fünf Jahre Schlepper willentlich unterstützt hat (...), ist dies doch ein offensichtlicher Versuch, bei potenziellen AFD-Wählenden Stimmen einzusammeln“, heißt es darin.

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Auch in der Sitzung hagelt es Proteste, als der Tagesordnungspunkt an der Reihe ist. Rosa Buss von den Grünen verweist auf die große Gefahr, die mit der Überquerung des Mittelmeers für Flüchtlinge verbunden ist: „Das einzige, das mit Streichung der Seenotrettung steigt, ist die Zahl der Toten.“ Sibylle Röth (Linke) äußert sich knapp und klar: „Es sind 10.000 Euro, das rettet unseren Haushalt auch nicht. Danke jedem, der die Großherzigkeit hat, das Geld einzustellen.“

Auch Zahide Sarikas verweist auf den Völkerrechtsverstoß, den das Zurückschleppen bedeuten würde. „Wir als Kreistag sollen zum gesetzwidrigen Handeln aufgerufen werden“, sagt sie. „Sie alle haben das Bild von dem kleinen dreijährigen Alan Kurdi, der ertrank und an der Küste gefunden wurde, nicht vergessen?“

Bei der CDU war offenbar bereits vor der Sitzung die Erkenntnis gereift, dass ihr Antrag möglicherweise keine Mehrheit findet. Bernd Häusler schickt ihn deshalb gleich zu Beginn der Debatte in eine weitere Runde: „Wir ziehen den Antrag nicht zurück. Wir wollen das inhaltlich nochmal im Sozialausschuss diskutieren und dann erneut in den Kreistag bringen.“

Christoph Stolz (Freie Wähler) zeigt, in welcher Bredouille er steckt. Als Bürgermeister habe er dramatische Fluchtgeschichten gehört und Sea-Eye privat unterstützt. Er sehe aber, dass die Gemeinden an die Grenzen ihrer Möglichkeiten kämen. Deshalb sei er gegen die Unterstützung der Seenotrettung durch öffentliche Gelder. „Ich werde dagegen stimmen, ich bitte um Verzeihung“, sagt er.

Stattdessen Geld für die DLRG?

Die AfD macht den Vorschlag, anstelle der Seenotrettung die örtliche DLRG finanziell zu unterstützen. Ihr Antrag wird mit nur vier Stimmen, die sich dafür aussprechen, abgelehnt.

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Die Wogen sind an diesem Nachmittag, an dem allen noch die Weihnachtsfeier bevorsteht, schnell geglättet. Mehrfach ruft Zeno Danner die Protestbürger in den hinteren Reihen zur Ordnung, dann wird schon abgestimmt. Eine große Mehrheit stimmt für die Vorlage der Verwaltung, die 10.000 Euro für die Seenotrettung in den Haushalt einzustellen. Drei Räte enthalten sich, 14 stimmen dagegen: die CDU, eine Mehrheit der FDP und die Fraktionsmitglieder der AfD.