Einige Gäste trugen die gelben Kreuze, die für den Protest gegen den Abbau und die Nutzung der Kohle stehen. Zum Symbol für den kritisierten Tagebau ist der Weiler Lützerath geworden, der besetzt wurde und inzwischen weitgehend geräumt ist.
Die Grünen stehen deswegen am Pranger. Man könne nicht immer stolz sein auf die Rolle, die ihre Partei dabei gespielt habe, sagte die Konstanzer Stadträtin Nina Röckelein beim Neujahrsempfang der Kreisgrünen am Sonntag, 15. Januar, im Konzil. Hauptrednerin Ricarda Lang, eine der beiden Vorsitzenden der Grünen im Bund, verteidigte das Handeln ihrer Partei.
Grüne setzen sich für Kohleausstieg ein
Sie sagte: Die Grünen hätten in Sachen Ausstieg aus der Kohle und dem Erhalt der Dörfer, die dem Tagebau weichen sollen, ausgehandelt, was eben ginge. Bei der Rechtslage und bei den politischen Mehrheiten sei nicht mehr drin gewesen. Ihre Partei setze sich dafür ein, dass bis 2030 auch im Osten der Ausstieg aus der Kohle Realität ist. Lang war etwa eine Stunde beim Neujahrsempfang der Kreisgrünen in Konstanz, dann musste sie zum nächsten Termin.
Die 28-Jährige zeigte Verständnis für die Menschen, die gegen die Räumung von Lützerath protestierten. Vor ein oder zwei Jahren wäre sie wohl selbst noch dabei gewesen. Ihr bereite es Schmerzen, zu sehen, dass der Weiler fallen muss, weil der Tagebau die Fläche beansprucht. In dem Moment hielten Aktivisten von Fridays For Future ein Plakat hoch, und Ricarda Lang assistierte. „Ihr müsst es anders herum halten.“ Die Botschaft der Klimaaktivisten: „Zukunft kann man nicht verschieben! Handelt endlich. Jetzt!“

Zur Abhängigkeit von fossilen Energien stellte Ricarda Lang fest, die Grünen müssten nun den Karren herausziehen, den andere in den Dreck gefahren haben. Sie forderte Demut von Oppositionsparteien, die dies zu verantworten haben. Was sie nicht ansprach: auch die SPD, mit der die Grünen regieren, hat an der Abhängigkeit mitgewirkt.
Unterstützung für die Ukraine
Zur Ukraine, in die das russische Militär einmarschiert ist, sagte Lang, militärische Unterstützung sei notwendig. Dabei waren die Grünen mal die Partei der Pazifisten. Die Grüne hat aber Erklärungen: Im Jahr der Krisen habe ihre Partei Entscheidungen getroffen, die sie sich nicht habe vorstellen können. Das liege an den veränderten Realitäten, und dass die Grünen nun Verantwortung tragen müssten. Mit anderen Worten: In der Regierungsverantwortung bleiben einige grüne Ideale auf der Strecke.
Lang sagte auch, das Land müsse gerechter werden. Die Konzerne, die jetzt den großen Reibach machen, müssten abkassiert werden. Der Beifall für solche populären Aussagen ist ihr gewiss. Sie sagte außerdem, ihre Partei verfolge den bundesweiten Rechtsanspruch auf den Schutz vor Gewalt: „Es ist ein Skandal, wenn Frauenhäuser wegen Geldmangels schließen müssen.“ Und weiter: „Frauen haben ein Recht auf Schutz, sie müssen nicht darum betteln.“
Die Konstanzer Stadträtin Dorothee Jacobs-Krahnen forderte, den Umweltschutz zur Pflichtaufgabe der Kommunen zu machen, und diese mit entsprechenden Mitteln auszustatten. Dazu könnten Beiträge herangezogen werden, die aus der Vergabe von Emissionsrechten fließen. Aktuell seien Kommunen auf die immer schmäler werdenden eigenen Mittel und Förderprogramme angewiesen. „Das bringt uns wenig voran.“
Landesabgeordnete Erikli beteiligt sich an Diskussion
Die Landtagsabgeordnete Nese Erikli sprach sich indes unter anderem für eine Verkürzung der Verwaltungsverfahren aus. Das Beschleunigen sei eines der zentralen Themen der Landesregierung. Und weiter führte sie aus, die Wissenschaft gebe oft die Handlungsempfehlungen für die Politik. So werde in einem EU-Projekt erforscht, ob Windräder den Roten Milan tatsächlich im Bestand bedrohen.
In der Diskussionsrunde beim Neujahrsempfang hielt sich Erikli eher zurück. Oft tippte sie Themen nur an: Zu den zeitweise geschlossenen Kreißsälen in Konstanz sagte sie, etablierte Strukturen dürften sich nicht schon wieder ändern. Die Landesgrünen überlegten, wie sie Vereinen und Kunsteinrichtungen helfen können, die derzeit von Kürzungen betroffen sind. Aus der Baden-Württemberg-Stiftung, in dessen Aufsichtsrat Nese Erikli sitzt, flossen zuletzt 400.000 Euro für das Projekt Theater hinter Gittern nach Konstanz.
Becker fordert mehr Gleichberechtigung
Karin Becker, die gar kein Mitglied der Grünen ist, aber Intendantin des Konstanzer Theaters, hatte auffällig breiten Rederaum in der Talkrunde der Kreisgrünen. Becker sagte auf Nachfragen, sie sitze in ihrer Funktion als Intendantin in der Gesprächsrunde.
Sie führte aus: Um die Dominanz von Männern in einer Gesellschaft zu sehen, müsse man nicht bis in den Iran reisen. „Wir haben es vor der eigenen Haustüre.“. Sie erinnerte daran, dass in der Stadt Konstanz alle Bürgermeister männlich sind, und bei der Eröffnung des Schwaketenbads nur Männer gesprochen hätten. Sie forderte dazu auf, in Sachen Gleichberechtigung Haltung zu zeigen, „aber nicht parteipolitisch.“
Karin Becker legte auch dar, wie das Konstanzer Theater umweltfreundlich agiere. So habe sie ein Auto abgeschafft, zugunsten eines elektronisch betriebenes Lastenrads.* Die Transporte damit funktionierten bestens. Sie kommt zu dem Schluss: „Es geht auch ohne Auto, innerhalb einer Stadt wie Konstanz.“ Das Theater habe zudem Paketlieferungen eines bekannten Online-Händlers abgeschafft. Es sei ein Aufwand gewesen, regionale Anbieter zu finden, aber es sei gelungen, und beide Seiten seien nun zufrieden.
* Anmerkung vom 18.01.2023: In einer früheren Fassung des Artikels war von einem Wagen des früheren Intendanten die Rede gewesen. Die heutige Intendantin Karin Becker hatte bei der Veranstaltung erklärt, ein Auto durch ein Lastenrad ersetzt zu haben. Dabei handelte es sich nach Angaben der Stadtverwaltung um ein Fahrzeug des Theaters und keinen persönlichen Dienstwagen.