An einem sonnigen Tag, Anfang 2024, sitzen Alexander und Daniela Zulic an ihrem Esstisch auf dem Hottenlocher Hof bei Mühlingen. Durch die großen Fenster, die einen weitläufigen Blick auf die Natur eröffnen, fällt warmes Sonnenlicht. Auf dem Tisch stehen neben frisch aufgebrühtem Kaffee fast genauso frisch gemolkene Milch und Apfelsaft von den eigenen Streuobstwiesen. Doch diese Idylle ist trügerisch.

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Die Tage, die Familie Zulic auf dem Hottenlocher Hof bleiben, sind nämlich gezählt. Denn aktuell ist eine Räumungsklage gegen die Familie anhängig und auch wenn es noch kein rechtskräftiges Urteil gibt, steht fest: Spätestens Ende des Jahres müssen sie dort ausziehen. Deshalb sind sie nun auf der Suche nach einer neuen Bleibe für sich, ihre Tiere und ihre landwirtschaftlichen Geräte. Der Verpächter des Hofs betont im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass es nicht so weit hätte kommen müssen und macht sogar ein Angebot für eine neue Übereinkunft.

Der Hof ist nur gepachtet

Alexander und Daniela Zulic sind beide nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen und haben sich doch für die Landwirtschaft entschieden. Im Frühjahr 1996 haben sie gemeinsam mit einer weiteren Familie begonnen, den Hottenlocher Hof als Pächter biologisch-dynamisch nach den Richtlinien des Demeter-Verbandes zu bewirtschaften. Zu Hochzeiten haben sie nach eigenen Angaben insgesamt rund 150 Hektar Land bewirtschaftet und 140 Rinder, 40 Hühner, 25 Schafe, einen Eber mit zwei Muttersauen, 16 Ferkel und 16 Mastschweinen sowie zehn Bienenvölker versorgt, berichten die beiden.

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„Wir haben versucht, alles in Kreislaufwirtschaft zu halten, haben unser eigenes Saatgut für Buchweizen und Dinkel produziert und alle Kälber selbst behalten, großgezogen und zum Schlachter gebracht“, erzählt Alexander Zulic. Über die Jahre kamen viele Wirtschaftsbereiche hinzu: Eine Käserei mit Direktvermarktung im eigenen Hofladen, eine Besenwirtschaft, 2001 ging die eigene Biogasanlage ans Netz und 2008 wurde ein neues Haus mit Ferienwohnungen fertiggestellt.

Der Vertrag lief eigentlich schon Ende 2019 aus

Klar, dass sich so etwas nicht alleine stemmen lässt. Meistens waren ein- bis zwei weitere Familien auf dem Hof tätig, wobei es immer wieder zu Wechseln in dieser Konstellation kam, daneben wurden ab 1999 junge Menschen auf dem Hof zu Landwirten ausgebildet. Inzwischen sind Alexander Zulic und seine Familie die letzten Verbliebenen auf dem Hof und müssen sich Gedanken machen, wie es für sie und ihre Tiere ab dem 1. Januar 2025 weitergehen wird. Denn der Pachtvertrag ist eigentlich schon seit Ende 2019 ausgelaufen. Wie der Eigentümer des Hofs, Roland Ballier, auf Nachfrage des SÜDKURIER berichtet, sei der Vertrag ursprünglich für 15 Jahre geschlossen und dann insgesamt bis 2019 verlängert worden.

Auch die Tiere, die derzeit auf dem Hottenlocher Hof leben, brauchen alsbald ein neues Zuhause.
Auch die Tiere, die derzeit auf dem Hottenlocher Hof leben, brauchen alsbald ein neues Zuhause. | Bild: Dominique Hahn

Damals wollte Familie Zulic das Pachtverhältnis erneut verlängert. „Wir saßen auch schon für die Verhandlungen mit dem Verpächter am Tisch, allerdings sind wir uns leider nicht einig geworden“, sagt Alexander Zulic. Dabei sei es insbesondere um einen Passus zur Entschädigung des Pächters gegangen, der am Ende der Pachtzeit für wertsteigernde Maßnahmen an der Pachtsache greifen sollte. Laut Ballier ein Punkt, der allerdings schon im vorhergehenden Pachtvertrag gestanden habe.

Zusätzlich habe es Uneinigkeit um Auflagen gegeben, die der Verpächter gestellt hatte und die Familie Zulic und ihre Mitstreiter nicht erfüllt haben sollen. Roland Ballier erklärt dazu, dass er die Pacht für den Hof bewusst niedrig gehalten habe. Im Gegenzug hätten die Pächter die vertragliche Verpflichtung übernommen, den Hof zu unterhalten und zu pflegen. „Wie sich leider zum Ende der Pachtzeit herausstellte, haben die Pächter aber genau diese vereinbarte Erhaltung des Hofes zunehmend vernachlässigt.“, so Ballier. Als Beispiel nennt er defekte Dachrinnen und lose hängende Stromleitungen. Familie Zulic sieht dies anders, beteuert geforderte Reparaturen durchgeführt zu haben. Auch deshalb kam es am Ende dazu, dass sich Pächter und Verpächter, trotz anfänglich gutem Verhältnis, wie Ballier beteuert, vor Gericht wiedersahen.

Eigentlich war schon der Ruhestand in Sicht

Wie es für Familie Zulic ab dem kommenden Jahr weitergeht, steht vor diesem Hintergrund noch in den Sternen. „Wir gehen jetzt auf die 60 zu und wollten uns eigentlich so langsam auf den Ruhestand vorbereiten“, sagt Alexander Zulic. Keine guten Voraussetzungen, um sich nochmal eine neue Existenz aufzubauen. Zumal es schwierig sei, einen landwirtschaftlichen Betrieb ohne Eigentum aufzubauen. „Wir haben Ausschau nach Höfen in der Region gehalten, aber der einzige mit einer adäquaten Flächenausstattung, der zum Verkauf stand, war für 6,5 Millionen Euro ausgeschrieben“, berichtet Daniela Zulic. Eine Summe, die sie nicht aufbringen können. Familie Zulic ist mit ihrem Problem allerdings nicht alleine. Laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland mussten in den vergangenen drei Jahren deutschlandweit etwa 7800 landwirtschaftliche Betriebe aufgeben, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

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Abschiedsfest in Planung

Familie Zulic hofft indes auch weiterhin, dass sich bis zum Ende des Jahres eine gute Lösung für sie und ihre Tiere findet. Auf ihrer Internetseite schreiben sie dazu, dass auch sie gerne ein Plätzchen für sich und zumindest einen Teil der Tiere hier in der Region finden würden. Fest steht indes, dass es am 1. Mai noch ein großes Abschiedsfest auf dem Hof geben soll. Mit traditionellem Weideaustrieb und Rahmenprogramm.