Leuchtstoffröhren, Glasflaschen, Säcke mit Windeln, Sperrmüll, verbrannte Kühlschränke oder alte Autoreifen: Die Liste an Dingen, die Christian Schöller in der Natur rund um die Schwackenreuter Seen und die Marienschlucht findet, und die dort eigentlich nicht hingehören, ist lang. Von Beruf ist Schöller eigentlich Softwareentwickler und arbeitet als selbständiger IT-Spezialist für große Firmen, doch in seiner Freizeit wird er zum Müllhelden und kämpft gegen die Verschandelung der Natur.
Das kommt aber nicht bei allen gut an und einmal wurde er sogar von der Polizei gestoppt. Trotzdem will der Mühlinger weitermachen und sucht sogar Mitstreiter für sein Projekt. Alles begann vor vier Jahren, berichtete er im Sommer im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Am Anfang hat es Überwindung gekostet
„Ich bin viel in der Natur unterwegs. Das ist schon immer mein Ausgleich“, sagte Schöller. Irgendwann habe es ihn aber einfach gestört, an einem schönen Ort zu sitzen und Zigarettenkippen um seine Füße herum liegen zu sehen. „Dann habe ich einfach angefangen, sie aufzuheben.“ Das habe zwar anfangs Überwindung gekostet, doch während des Studiums habe er in einem Parkhaus gejobbt und damals schon gehörte Müllaufsammeln zu seinen Aufgaben, berichtete er. „Es war also zumindest nicht komplett fremd.“

Irgendwann habe er sich eine Müllzange gekauft und sei mit einem Eimer losgegangen. „Ich habe dann aber schnell gemerkt, wenn ich das richtig machen will, dann brauche ich eine Schubkarre“, sagte Schöller. Seither ist er eigenen Angaben zufolge rund acht Stunden pro Woche in der Region unterwegs, um die Natur sauber zu halten.
Müllheld soll kein Einzelprojekt sein
„Ich mag Schönheit und Sauberkeit, und was könnte schöner sein als ein See oder Wald mit blauem Himmel?“, brachte Schöller die Motivation für seinen Einsatz auf den Punkt. Um mehr Menschen für das Thema zu sensibilisieren, hat er bereits vor geraumer Zeit eine Webseite zu diesem Thema gestartet. Dort informiert er über sein Tun und möchte andere zum Mitmachen anregen.
„Viele Organisationen rufen zu Clean-Up-Days auf, schon zu meiner Schulzeit gab es die Seeputzete, doch meist sind das nur einmalige Aktionen und schnell liegt wieder neuer Müll“, sagte der 57-Jährige. Dabei würden die giftigen Rückstände aus Zigarettenkippen schon beim ersten Regen ausgewaschen. „Von Mikroplastik brauchen wir ja gar nicht erst zu reden.“
Schöller gehe deshalb einmal pro Woche die Punkte ab, an denen regelmäßig Müll entsorgt wird. Das mache er vor allem im Frühjahr, Herbst und Winter. „Im Sommer ist der Bewuchs zu stark, da macht es nicht viel Sinn“, sagte Schöller.
Ohne ihn bleibt Müll monatelang liegen
Die Gemeinde Mühlingen habe ihm hierfür einen eigenen Müllbehälter zur Verfügung gestellt, den der Bauhof regelmäßig leert. „Wir haben eine super Zusammenarbeit“, sagte er. Ab und zu mache er auch Tests und lasse bewusst Sachen liegen, um zu sehen, wie lange es dauert, bis es weggeräumt wird. Oftmals mit ernüchterndem Ergebnis: „Teilweise liegen Sachen über Monate.“ Dafür, dass der Bauhof der Gemeinde nicht alles aufräumen kann, hat er aber großes Verständnis. „Die haben ja noch viele andere Aufgaben“, sagte Schöller.
Und die Gemeindeverwaltung weiß Schöllers Einsatz zu schätzen. „Dass private Personen Müll einsammeln, unter der Beachtung der Naturschutzgebiete, ist immer ein besonderer persönlicher Einsatz, den ich natürlich sehr begrüße“, lobte Bürgermeister Thorsten Scigliano. Jeder, der sich um Müll kümmere, habe Hochachtung und Dank verdient. Aber, ergänzte Scigliano: „Schöner wäre es natürlich, wenn niemand Müll einsammeln müsste, sondern er gar nicht erst verursacht würde.“

Bei seinen Streifzügen erlebte Schöller schon allerhand Kurioses. Im positiven und negativen Sinn. „Manchmal zeigen mir Autofahrer einen Daumen nach oben oder rufen ‚Hey super‘. Einmal hat sogar einer angehalten und mir 20 Euro in die Hand gedrückt“, berichtete der Müllheld. Auf der anderen Seite werde er auch oft angehupt oder müsse Diskussionen führen. Es sei sogar schon vorgekommen, dass ihm aus einem Autofenster eine Glasflasche vor die Füße geworfen wurde.
Von der Polizei am Müllsammeln gehindert
Eines seiner kuriosesten Erlebnisse habe er mit der Polizei gehabt. „Ich war an der B313 Müll sammeln und bin dabei neben der Straße auf dem Seitenstreifen gelaufen, da wurde ich von der Polizei angehalten“, erzählte er. Sie wollten ihn dort nicht weiter sammeln lassen, weil das gefährlich sei. „Als sie mir gesagt haben, sie würden mich ungern mitnehmen, habe ich nachgegeben“, erzählte er und muss dabei lachen. Mit einigem Ernst fügte er dann aber an: „Das sind dann schon die Momente, wo man sich fragt, warum man eigentlich sowas macht.“
Trotzdem will er sich weiter engagieren. „Ich habe jetzt Warnwesten drucken lassen, mit einem Hinweis auf meine Website. Außerdem habe ich zusätzliche Greifer und Eimer besorgt, um gemeinsam mit Gruppen sammeln zu können“, sagte Schöller. Sein Wunsch wäre, dass sich andere von seinem Engagement anstecken lassen. „Es wäre schön, wenn sich eine Community bilden würde.“
Man kann nichts falsch machen
Darauf ist auch seine Website ausgelegt. „Ich bin leider nicht so Social-Media-affin. Es wäre schön, einen Mitstreiter zu finden, der diesen Part übernehmen könnte, damit wir auch dort auch für das Projekt werben können“, so Schöller. Denn er ist überzeugt: Jeder kann ein Müllheld sein. „Das ist so ziemlich das einzige, bei dem man nichts falsch machen kann. Es gibt kein überzeugendes Argument dafür, Müll in der Natur liegenzulassen“, betonte er.
Dieser Artikel erschien erstmals im Juni 2024.