Es war keine Liebesheirat, als sich die Orte Orsingen und Nenzingen am 1. Januar 1975 zu einer Doppelgemeinde verbanden. Doch in den vergangenen 50 Jahren entwickelte sich eine Erfolgsgeschichte. Scheinbare Gegensätze wurden überwunden. Beim Festakt zum Jubiläum erklärte Bürgermeister Stefan Keil nun, heute könnten alle stolz auf die Vergangenheit sein, die Gegenwart genießen und die Zukunft gestalten.
Er freute sich sehr über das Kommen vieler Wegbegleiter und Vertreter aller gesellschaftlichen Bereiche. Darbietungen des Musikvereins Nenzingen, des Kirchenchors Orsingen und der Schlegele Kings, interessante Wortbeiträge zur Geschichte der Gemeinde und Glückwünsche für die Zukunft, ein kurzes Theaterstück sowie eine Überraschung für den Bürgermeister machten den Abend zu einem besonderen Erlebnis.

„Herz des Hegaus“ ist Vorreiter im Landkreis
Landrat Zeno Danner scherzte, er habe sich mit Kreisarchivar Friedemann Scheck abgesprochen: „Ich fange 1300 vor Christus an und mache bis in die 1960er-Jahre und dann kommt er. Und das mache ich jetzt auch.“ Zu jeder Zeit hätten die Menschen gewusst, dass es hier schön sei, lautete seine Zusammenfassung im Zeitraffer. Er stellte fest, dass Orsingen-Nenzingen aus der Luft betrachtet „das Herz im Hegau“ sei. Die Doppelgemeinde stehe bei allen möglichen Dingen hervorragend da, was beispielsweise der Sieg bei der Photovoltaik-Kreismeisterschaft oder die wirtschaftliche Entwicklung zeigten.

Der Bundestagsabgeordnete Andreas Jung (CDU) sprach auch für die anwesenden Landtagsabgeordneten Saskia Frank (Bündnis 90/Die Grünen) und Hans-Peter Storz (SPD) über die gemeinsame Verantwortung für das Gemeinwesen über politische Ebenen hinweg. „Das Vertrauen in unsere Institutionen ist nicht mehr selbstverständlich. Wir müssen es immer wieder neu gewinnen“, sagt er.
Mit Blick nach Berlin sagte er schlagfertig: „Ich bin wegen der Koalitionsverhandlungen hier: Wenn Orsingen und Nenzingen, diese beide Antipoden, es schaffen, 50 Jahre gedeihlich zusammenzuleben, dann werden es wohl CDU und SPD für vier Jahre auch schaffen.“ Hier erlebe man Anschauungsunterricht für ein gutes Miteinander und konstruktive Zusammenarbeit.

Theater nimmt holprigen Start auf die Schippe
In einer Spielszene unterhielten sich zwei Reinigungskräfte, dargestellt von den Gemeinderätinnen Cordula Buhl und Christine Leithe, über den holprigen Start der Doppelgemeinde, das Dorfleben und die Vorzüge der Teilorte. Sie waren sich einig: „Es hätt‘ ja schlimmer kommen können.“
Einen besonderen Fund übergaben sie direkt an den Landrat: Es war die ehemalige Orsinger Amtskette, die der Nenzinger Goldschmied Michael Alexa zu einer Orsinger-Nenzinger Amtskette umgearbeitet hat. Die Idee dazu stammte von Mitarbeitern der Verwaltung sowie des Gemeinderats. Stefan Keil war ohne Amtskette vereidigt worden, nun legte der Landrat sie ihm um und stellte fest: „Am Ende hat dann doch ein Stockacher übernommen.“
So kam es zur Zusammenlegung der Gemeinden
Laut Kreisarchivar Friedemann Scheck war die Vereinigung das Ergebnis eines längeren Prozesses, der nach 1966 begann. In Baden-Württemberg hatte damals nahezu jedes Dorf seine eigene Gemeindeverwaltung. Im Land gab es 3379 selbstständige Gemeinden – heute sind es 1101. Die Verwaltungsaufgaben wurden immer anspruchsvoller und die Landesregierung forcierte die Professionalisierung der Verwaltung.
Erst wurden die Landkreise von 63 auf 35 reduziert. Dann ging es an die Gemeinden. Sie sollten mindestens 2000 Einwohner haben, außerdem sollten Verwaltungsgemeinschaften mehrerer Gemeinden mit 5000, besser 8000 Einwohnern entstehen. In Orsingen lebten 800, in Nenzingen 1100 Menschen.
Scheck berichtete über die Vorbehalte der Nenzinger gegenüber einer Verwaltungsgemeinschaft mit Stockach, aber auch gegenüber einer Eingemeindung nach Stockach, während die Orsinger die Rettung ihrer Eigenständigkeit eher in einer Verwaltungsgemeinschaft mit Steißlingen, Eigeltingen, Volkertshausen oder Aach suchten. Die Landesregierung sah jedoch ohnehin die Fusion von Orsingen und Nenzingen innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft Stockach vor.
Ehrenbürger spricht über Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Alt-Bürgermeister und Ehrenbürger Bernhard Volk war von 1989 bis 2021 im Amt. Er sprach über Parallelen und Unterschiede. Das Rathaus sei nach einigem Hin und Her in Nenzingen gebaut worden, aber nur, weil im Gemeindenamen Orsingen vorne stand. Die unechte Teilortswahl wurde abgeschafft, um nach außen Einheit zu demonstrieren. Noch heute kommt je ein Bürgermeister-Stellvertreter aus jedem Ortsteil.
Die beiden Schulen wurden 1975 zu einer Einheit, auch die freiwillige Feuerwehr wurde zusammengeführt, wobei jeder Löschzug eine gewisse Eigenständigkeit behielt. Die Kirnberghalle entstand 1982/1983, fünf Jahre später hatten die Nenzinger ihre nahezu baugleiche Rebberghalle.
Volk erwähnte die Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten sowie des interkommunalen Industriegebiets Hardt, den Golfplatz Schloss Langenstein und viele Infrastrukturmaßnahmen. „Der Tiefbau hatte in Orsingen-Nenzingen ein Hoch: Breitbandkabel, Gas- und erdverlegte Stromversorgung erdverlegt, Wasserleitungs-, Kanalbau- und Straßenbaumaßnahmen – die Gemeinde war mit Baustellen überzogen.“
Alle Veränderungen hätten die Gemeinde einen großen Schritt vorangebracht. Dazu zählen etwa der Camping- und Ferienpark unter Einbeziehung des Freibads, der 2010 in Betrieb ging, der Ausbau des Nahwärmenetzes, der Sportpark des SV Orsingen-Nenzingen, der neue Bauhof und das erweiterte Gerätehaus für die gesamte Feuerwehr in Orsingen. Auch der Ganztageskindergarten und die Grundschule in Nenzingen sind Teil der Entwicklung.
Nahe an der Perfektion
Volk wies auch auf aktuelle verbindende Elemente hin, wie die Verbreiterung des Radwegs auf Höhe des Sportparks, den neuen Dirttrack der Radsportvereine Orsingen und Nenzingen, neue Grabfelder auf beiden Friedhöfen und flächendeckende Tempo-30-Bereiche. Er lobte insbesondere die Vereine und soziale Aktivitäten in der gesamten Gemeinde.
Sein Fazit: „Im Zuge der Gemeindereform erwirkte Gemeindezusammenschlüsse sind vielleicht nicht perfekt, aber ON ist verdammt nah dran.“