Mehr als sieben Jahrzehnte ist es her, dass 22 Menschen aus der Region bei dem Busunglück von Döggingen im Schwarzwald ihr Leben verloren – der Großteil, nämlich 18 Menschen, stammten aus Radolfzell. Am 6. Februar 1949 stürzte ein Bus bei einer Ski-Ausfahrt auf der abschüssigen Strecke von Döggingen nach Unadingen einen Steilhang hinunter und bohrte sich mit großer Wucht in den Gegenhang. Viele der Insassen starben vor Ort, auf dem Transport oder im Krankenhaus.

2024 jährt sich das Unglück zum 75. Mal. Zu diesem Anlass soll in Radolfzell ein Denkmal für die Opfer aufgestellt werden, ein solches gibt es bislang nur in der Nähe des Unfallorts. In der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses äußerte sich das Gremium zwar positiv über das Vorhaben an sich, über das Wie und Wo herrschte jedoch Uneinigkeit.

Kunstwerk soll umgewidmet werden

Wie Alexander Röhm, Leiter des Stadtarchivs, erläuterte, war die Idee zum Denkmal im Arbeitskreis Erinnerung aufgekommen. Die Stadtverwaltung schlug vor, das Kunstwerk „Dicircle“ von Rüdiger Seidt, das einen nach oben offenen Kreis aus Metall darstellt und derzeit auf dem Skulpturenpfad am Radolfzeller Waldfriedhof zu finden ist, für 15.000 Euro zu erwerben und als Denkmal zu verwenden. Aufgestellt werden soll es auf dem Waldfriedhof – versehen mit einer Tafel, die auf das Gedenken an die Verunglückten hinweist, wie in der Sitzung erläutert wurde.

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Soweit, so einfach. Doch genau mit diesem Vorschlag waren einige Räte nicht zufrieden. „Ich werde so nicht zustimmen“, kündigte Susann Göhler-Krekosch (SPD) gleich zu Beginn der Debatte an. Sie vermisse eine Einbeziehung der Angehörigen und des Skiclubs, dem Verstorbene angehört hätten, in die Planung. „Warum wurde da nicht demokratischer gearbeitet?“, fragte sie. „Ich hätte gerne die Betroffenen involviert gehabt.“

Ist das Kunstwerk das richtige?

Einen weiteren Punkt, den sie kritisierte, war die Art des Denkmals. Die ausgewählte Skulptur beziehe sich nicht auf das Unglück, monierte Göhler-Krekosch. Sie hätte sich etwas anderes vorgestellt – „irgendetwas, das auch daran erinnert, dass es ums Skifahren ging und um einen Bus“.

Mit der Meinung war sie nicht alleine. Auch Anja Matuszak (FGL) lobte zwar die Idee, an den Unfall zu erinnern, fand aber bei der Skulptur von Rüdiger Seidt den Zusammenhang zum Unglück nicht. Gabriel Deufel (Freie Wähler) betonte, er habe nichts gegen das Vorhaben, wollte jedoch wissen, weshalb ausgerechnet dieses Kunstwerk ausgewählt worden war.

Und Gisela Kögel-Hensen (FGL) urteilte, dass eine bestehende Skulptur lediglich umgewidmet und mit einem Gedenkstein versehen werde, werde der Situation nicht gerecht. „Bitte nehmen wir nicht eines, das sowieso schon da ist“, sagte sie und beantragte, stattdessen einen örtlichen Steinmetz mit einem Entwurf eines neuen Denkmals zu beauftragen. Dies hatte die Stadt selbst als Alternative vorgeschlagen, die Erstellung des Denkmals solle dann maximal 15.000 Euro kosten.

Lieber weiter in die Innenstadt

Doch auch andere Meinungen waren vertreten. Bernhard Diehl (CDU) konnte sich mit der ausgewählten Skulptur anfreunden und kritisierte wiederum, die Anfertigung eines neuen Denkmals verzögere das Vorhaben. Er fragte sich jedoch, ob der Waldfriedhof der richtige Ort für das geplante Denkmal sei.

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Auch Nina Breimaier (FGL) wünschte sich einen Standort in der Innenstadt, „um dem einen Ort in der Mitte unserer Gesellschaft einzuräumen“, zum Beispiel im Stadtgarten. Dem stimmte Bernhard Diehl zu: „Mir würde es auch viel mehr in der Mitte der Stadt gefallen, wo die Leute es wahrnehmen“, befand er und brachte einen Platz am Österreichischen Schlösschen ins Gespräch.

Uneinigkeit auch im Arbeitskreis

Wie Erik Hörenberg, Fachbereichsleiter Kultur der Stadt, in der Sitzung erläuterte, war der Ausschuss nicht das einzige Gremium, in dem Uneinigkeit zum Vorhaben herrschte. Im Arbeitskreis Erinnerungskultur sei ebenfalls diskutiert worden, ob das bestehende Kunstwerk genutzt werden solle.

Die Idee dazu sei entstanden, weil die Anfertigung eines Denkmals ein größerer Prozess sei und auch nicht nur 15.000 Euro koste. Dabei habe auch die angespannte finanzielle Situation bei der Stadt eine Rolle gespielt. Allerdings betonte er, über Kunst dürfe es auch ganz unterschiedliche Meinungen geben, der unterbrochene Kreis von Rüdiger Seidt lasse auch Spielraum für Interpretation.

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Bezüglich des Vorschlags, die Hinterbliebenen einzubeziehen, gebe es das Problem des Datenschutzes, so Hörenberg. Es sei unklar, wie die Angehörigen erreicht werden können.

Keine Anfertigung vom Steinmetz

Schlussendlich wurde der Antrag, einen Steinmetz mit dem Entwurf eines Denkmals zu beauftragen, bei vier Ja-Stimmen und vier Nein-Stimmen sowie zwei Enthaltungen abgelehnt. Das Gremium beschloss dafür mehrheitlich, das Kunstwerk von Rüdiger Seidt für 15.000 Euro zu kaufen. Die Verwaltung soll nun mit dem Arbeitskreis Erinnerungskultur einen konkreten Standort in der Innenstadt suchen.