Es ist eine Zeit, die Radolfzell geprägt und bis heute ihre Spuren hinterlassen hat: Die Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 brachte nicht nur eine Kaserne für die Waffen-SS in die Stadt, sondern auch zahlreiche Grausamkeiten und Leid für viele Menschen. Dass das Radolfzeller Stadtmuseum nun anlässlich des 80. Jahrestages des Kriegsendes seine neue Sonderausstellung diesem Thema widmet, sei wichtig, betont Bürgermeisterin Monika Laule. Radolfzell beschäftige sich schon seit Jahren intensiv mit der Aufarbeitung der damaligen Geschehnisse. „Aber wir sind noch nicht am Ende.“

Eröffnet wird die Sonderausstellung am Donnerstag, 10. April. „Sie macht deutlich sichtbar, wie der Nationalsozialismus in den Alltag der Menschen eingegriffen hat“, kündigt Laule an. Gleichzeitig solle sie zeigen, „wie fragil Demokratie und Freiheit sind“ und dass beides aktiv geschützt werden müsse – gerade in aktuellen Zeiten, wo populistische Strömungen weltweit erstarken, wie sie erklärt. Geschichte solle daher nicht nur als Vergangenheit, sondern Mahnung gesehen werden.

Was erwartet die Besucher?

Derzeit befindet sich die neue Sonderausstellung noch „mitten in der Aufbauphase“, wie Museumsleiter Rüdiger Specht berichtet. Die Informationstafeln seien noch im Druck, die Ausstellung müsse noch ausgeleuchtet werden und am Montag vor der Eröffnung sollen noch die letzten Ausstellungsstücke geliefert werden. Dennoch kann er schon einmal einen Einblick in das geben, was Besucher künftig im Stadtmuseum erwarten wird.

Fünf Räume stehen dort für die Sonderausstellung zur Verfügung. Im ersten, dem Foyer, erwarten die Zuschauer Schlagworte aus der NS-Ideologie, „aufgehängt an Radolfzeller Beispielen“, sagt Specht. Zum Beispiel gibt es hier zum Thema „Geschichtskult“ mehr über das ehemalige Radolfzeller Freilichtmuseum zu erfahren, dass in der NS-Zeit auf der Mettnau entstand und über die Jungstein-Zeit und Bronzezeit informierte. In den letzten Kriegstagen habe es zum Teil als Ausweichquartier für Radolfzeller Familien gedient, so der Museumsleiter. Nach Kriegsende seien dort lokale NS-Größen inhaftiert worden. Auch Flüchtlinge seien später dort einquartiert worden, ein Teil des Museums sei schließlich abgebrannt. In den 1950er-Jahren wurde es schließlich abgerissen.

Museumsleiter Rüdiger Specht zeigt ein besonderes Ausstellungsstück: Ein KZ-Hemd eines politischen Gefangenen. Die Leihgabe aus Singen ...
Museumsleiter Rüdiger Specht zeigt ein besonderes Ausstellungsstück: Ein KZ-Hemd eines politischen Gefangenen. Die Leihgabe aus Singen könnte womöglich von Albert Riesterer, während der NS-Zeit katholischer Pfarrer von Mühlhausen, getragen worden sein. | Bild: Marinovic, Laura

Aber auch Themen wie „Heldenkult“, der sich am Radolfzeller Kriegerdenkmal – damals NS-Ehrendenkmal für Soldaten – zeigte, „Führerkult“ oder „Körperkult“ werden im Museum beleuchtet.

„Das war ein düsteres Kapitel“

In den anderen Räumen gibt unter anderem Informationen zum Alltag in der NS-Zeit, zu Radolfzell im Krieg sowie zur Nachkriegszeit. Thematisiert werden dann unter anderem, wie der Krieg Kindern und Jugendlichen an den Schulen vermittelt wurde, wie die Rolle der Mutter aussah, wie der Luftschutz in Radolfzell aussah und wie nach dem Krieg die Städtepartnerschaften mit Istres und Amriswil entstanden oder zumindest mit den Schülerspeisungen durch die Schweizer bereits Grundlagen für eine enge Beziehung geschaffen wurden.

Ein Ausstellungsstück in der neuen Sonderausstellung im Stadtmuseum: Handgranatenattrappen für den Sportunterricht.
Ein Ausstellungsstück in der neuen Sonderausstellung im Stadtmuseum: Handgranatenattrappen für den Sportunterricht. | Bild: Marinovic, Laura

Und auch der SS-Kaserne, die in den 1930er-Jahren gebaut wurde, wird ein Raum gewidmet. Sie habe Auswirkungen auf die Stadt, aber auch darüber hinaus gehabt, erklärt Rüdiger Specht. So sei etwa in Singen das Aachbad für das Schwimmtraining der SS gebaut worden und die Einheiten seien für die Sprengung von Synagogen in der Region sowie die Organisation der Judendeportationen verantwortlich gewesen. Am 23. April 1945 hätten sie zudem in Singen Bürgermeister Bäder aufgehängt, weil er sich gegen eine Verteidigung der Stadt stellte. „Das war ein düsteres Kapitel“, so Specht.

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Radolfzeller beteiligen sich aktiv

Die wenigsten Ausstellungsstücke, die in den kommenden Monaten Einblicke in die NS-Zeit geben, stammen aus dem Sammlungsbestand des Stadtmuseums selbst. Etwa ein Dutzend werde von anderen Museen, etwa der Wessenberg-Galerie in Konstanz oder dem Hegau-Museum in Singen, zur Verfügung gestellt.

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Und der Großteil stammt aus privaten Haushalten: „Wir haben zahlreiche Ausstellungsstücke und Dokumente von Radolfzellern bekommen“, erklärt Bürgermeisterin Monika Laule. Laut Rüdiger Specht sind einige davon sogar keine Leihgaben, sondern wurden dem Museum als Schenkung angeboten.

Wird hier gerade ausgepackt: Ein Entwurf für das Radolfzeller Kriegerdenkmal, das als Ehrendenkmal aufgestellt wurde, um Soldaten als ...
Wird hier gerade ausgepackt: Ein Entwurf für das Radolfzeller Kriegerdenkmal, das als Ehrendenkmal aufgestellt wurde, um Soldaten als Helden zu präsentieren. | Bild: Marinovic, Laura

Was künftig bleibt

Gezeigt werden soll die Ausstellung nun für mehrere Monate bis zum 8. Februar 2026. Danach soll sich die nächste Sonderausstellung passend zum 1200-jährigen Jubiläum Radolfzells der Stadtgeschichte widmen. Ein Überbleibsel aus diesem Jahr soll aber auch dann noch im Stadtmuseum zu finden sein: Wie Rüdiger Specht erklärt, arbeite man parallel zur derzeitigen Sonderausstellung an einer Medienstation zum Thema SS-Schießstand im Altbohlwald. Gebaut wurde er von KZ-Häftlingen aus Dachau, bis 1945 diente er als Ausbildungsstätte.

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In der Sonderausstellung sei für die Medienstation kein Platz, so der Museumsleiter. Allerdings solle sie im Laufe dieses Jahres in der Dauerausstellung des Museums untergebracht werden – und dort dann künftig auch bleiben.