Am Mittwochabend hatten viele ein Déjà-vu. Ist denn heute schon wieder Silvester? Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich mit einer Ansprache an das Volk gewandt. Für gewöhnlich macht sie das nur am 31. Dezember. Um allen ein gutes neues Jahr zu wünschen. Die Botschaft am Mittwoch: „Bleiben Sie alle daheim, sonst gibt es von Mutti Stubenarrest.“
Vielen ist der Ernst der Lage nicht bewusst oder schlicht egal
Also frei übersetzt natürlich. Sie hat es etwas anders ausgedrückt, aber genau das damit gemeint. Denn trotz aller Warnungen und Hinweise: Viele Menschen denken gar nicht daran, ihren Alltag wegen einer Pandemie einzuschränken. Das Wetter ist doch so schön und der Winter war lang.
Zeit, sich in den Biergarten zu setzen. Am Besten mit vielen, vielen Freunden, denn nur so macht es richtig Spaß. Oder gleich alle zum Angrillen einladen, eine witzige Corona-Party feiern. Was für ein Spaß.
Kontakt hauptsächlich über soziale Medien
Ich selbst befinde mich bereits den fünften Tag im Home-Office. Datum und Uhrzeit spielen bei der Heimarbeit nur eine untergeordnete Rolle. Man ist froh, wenn man einmal am Tag Duschen geht. Der Kontakt zur Außenwelt ist zumindest bei mir digital geworden.
Mich erreichen diese Bilder über das Fernsehen und Social Media. Bekannte schreiben mir Nachrichten, dass auch das Radolfzeller Seeufer proppenvoll sei. Die 1,5 Meter Abstand würde keiner einhalten. Bei solchen Nachrichten kommt man aus dem Kopfschütteln gar nicht raus. Kein Wunder, ermahnt die Kanzlerin eingängig, doch endlich Abstand zu halten und das Coronavirus sehr ernst zu nehmen.
In Panik machen Menschen schlimme Dinge
Allerdings führt Panik zu keinem besseren Verhalten. Wer solche Angst ums blanke Überleben hat, verliert ein Stück weit auch seine Menschlichkeit. Da werden die Ellenbogen ausgefahren, das Wort Rücksicht aus dem Wortschatz gestrichen. Anfang der Woche erreichte die Radolfzeller Lokalredaktion eine E-Mail von Helga Wagner, Ärztin in der Singener Kinder-Notfallpraxis.
Unbekannte stehlen medizinisches Gerät aus Kindernotfallpraxis
Neben Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel sei nun auch das mobile Pulsoxymeter aus einem Krankenzimmer gestohlen worden. Mit diesem Gerät könne man die Sauerstoffsättigung im Blut messen. Helga Wagner ermahnt, dass diese „Selbstbedienung“ die Behandlung aller Patienten gefährde.
Und sie erwartet, dass die gestohlenen Dinge zurückgebracht werden. Ob der Dieb diese Zeilen liest? Fraglich. Ob er sich den Fehler eingestehen wird, überstürzt und panisch gehandelt zu haben und das medizinische Gerät zurückgeben wird? Wie heißt es so schön, die Hoffnung stirbt zuletzt.
Die Kolumne: Das Corona-Tagebuch der Redaktion Radolfzell begreift sich als hoffentlich vorübergehende Erscheinung.