Noch ist kein Ende in Sicht. Die Mieten steigen langsamer an als noch vor ein paar Jahren, aber dennoch steigen sie. Erst vor Kurzem haben die Hamburger Immobilienexperten von F+B bundesweit die Mietspiegel in 2019 verglichen. Den zweifelhaften ersten Platz belegte überraschend nicht München, sondern die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart. Im Schnitt zahlen die Stuttgarter 10,41 Euro kalt pro Quadratmeter, in München sind es 9,74 Euro pro Quadratmeter. Auch in Radolfzell steigt der Mietspiegel um 3,61 Prozent, wie jüngst im Gemeinderat mitgeteilt wurde. Die Durchschnittsmiete steigt von 7,41 Euro auf 7,68 Euro pro Quadratmeter. Damit liegt Radolfzell etwas über dem Bundesdurchschnitt von 7,04 Euro kalt pro Quadratmeter.
Mietspiegel wurde vor zwei Jahren eingeführt
Mit dem Instrument Mietspiegel hingegen sind alle Beteiligten in Radolfzell zufrieden. Erst vor zwei Jahren hatte man einen Mietspiegel erstellen lassen, der eine Durchschnittsmiete für Wohnungen je nach Baujahr und Lage erfasst. Er sollte als Richtwert bei Neuvermietungen zurate gezogen werden. Und diese Funktion erfülle er bisher bestens, sagten Herbert Weber, Vorsitzender des Mieterbundes Bodensee und Stephan Schilling, Vorsitzender von Haus und Grund Radolfzell-Stockach. Vertreter von Mieter und Vermieter halten den Radolfzeller Mietspiegel für eine gute Hilfe bei dem Abschluss von Neuverträgen. Doch mit Einschränkungen: „Wir bestimmen den Wohnungsmarkt nicht alleine“, sagt Schilling.
Der Vermieterverein Haus und Grund habe etwa 14 000 Mitglieder, davon 900 aus Radolfzell, der Rest würde sich auf die Höri und den Raum Stockach verteilen. Jährlich würde der Verein bei 500 Mietverträgen beratend helfen. „Wir sind also nicht an allen Verträgen beteiligt, wir wissen nicht, was andere machen“, sagt er. Für den Vermieterverein sei der Mietspiegel eine große Erleichterung im praktischen Bereich. Man habe ihm zugestimmt, da er mit den eigenen Daten über eine durchschnittliche Miete in Radolfzell übereinstimme. Nur habe der offizielle Mietspiegel in der Bevölkerung eine höhere Akzeptanz als die Mietvorschläge von Haus und Grund.
FGL fordert frühzeitige Einbindung des Gemeinderates
Ähnlich sieht es auch Herbert Weber vom Mieterbund Bodensee. Der Mietspiegel gebe einen Richtwert, wie hoch die Miete sein sollte. Jedoch erlebe er nicht alle Vermieter so kooperativ wie die, von denen Stephan Schilling bei seiner Arbeit für Haus und Grund zu tun habe. Im Einzugsgebiet Radolfzell habe der Mieterbund rund 16 000 Mitglieder. Und pro Jahr unterstütze der Verein rund 400 Mal in Mietangelegenheiten. „Oft kommen die Mitglieder erst zu uns, wenn die Mieterhöhung ins Haus flattert“, so Weber. Auch er könne nur aus den Erfahrungen seiner Vereinstätigkeit berichten. Wie es allgemein auf dem Markt zugehe, das könne er auch nicht sagen.
Mietspiegel wird alle vier Jahre angepasst
Der Mietspiegel muss alle vier Jahre neu aufgelegt werden. In Radolfzell befindet man sich also gerade bei der Halbzeit. Für die nächste Berechnung wünschte sich Siegfried Lehmann (FGL) eine frühzeitige Einbindung des Gemeinderates. Er befand einige Kriterien, nach denen der Mietspiegel ausgerechnet wurde, für nicht ganz sinnvoll. Deswegen bat er die Stadtverwaltung, den Gemeinderat rechtzeitig zu informieren, dass Änderungen und Ergänzungen bei der Erstellung des Spiegels noch möglich seien.
Herbert Weber vom Mieterbund hat indes noch weitere Pläne, wie man mehr Transparenz auf dem Mietmarkt schaffen könnte. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER schlug er einen gemeinsamen Mietspiegel für Radolfzell und die drei Höri-Gemeinden vor. Von der Landesregierung gebe es hierfür Mittel, sobald zwei oder mehr Kommunen zusammen arbeiten. Dies wäre auch eine Chance für die kleineren Gemeinden wie Moos, Gaienhofen und Öhningen einen – für sie im Normalfall mit viel Aufwand und Kosten verbundenen – qualifizierten Mietspiegel zu erhalten.