Die Nachricht war abzusehen, bedeutete aber dennoch für viele Radolfzeller Einzelhändler einen Schock: Alle Läden, die nicht zur Grundversorgung der Bevölkerung notwendig sind, müssen geschlossen bleiben.
Grund dafür ist die schnelle Ausbreitung des Coronavirus und der verzweifelte Versuch, die Neuansteckungen zu reduzieren. Dafür sind drastische Maßnahmen gezogen worden, die das Leben der Menschen beschränken und Händler in große Not bringen. Was tun, wenn man nichts einnimmt?
Händler bleiben auf Kosten sitzen
Genau diese Frage stellt sich Daniel Burger, Inhaber des Modegeschäfts Dresscode in der Innenstadt. „Ich hatte mir überlegt, einen provisorischen Vertrieb über das Telefon und Internet aufzubauen, aber wenn wir ganz ehrlich sind: Aktuell braucht niemand neue Klamotten“, sagt er. Aus diesem Grund hat er sich dazu entschieden, keinen Kleidungs-Abhol-Dienst einzurichten.
Verständnis für die Vorgaben der Regierung
Für die Maßnahmen der Bundesregierung habe er vollstes Verständnis, doch seine persönliche Situation bereitet ihm Kopfzerbrechen. „Ich habe erst vor Kurzen nach der Renovierung überhaupt erst wieder aufgemacht, der Laden ist voll mit der neuen Frühlingsware und nun kann ich nichts davon verkaufen“, so Burger. Die Investitionen seien enorm gewesen. Wann er diese wieder erwirtschaften könne, zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar.

Nun konzentriere er sich darauf, die finanzielle Situation mit den Banken zu klären und sich zu informieren, woher und wie man staatliche Unterstützung bekommen könne. „Ich hoffe, es geht ohne große Bürokratie, denn nun muss es ganz schnell gehen“, sagt Daniel Burger.
Eine Hoffnung hat er auch für die Zeit nach der Coronazeit: Dass die Kunden nicht alles im Internet kaufen und warten, bis er wieder sein Geschäft öffnen kann. „Es wäre schön, wenn sie den lokalen Handel unterstützen würden, statt sich alles über das Internet zu bestellen“, sagt er.
Kurzarbeit für Verkaufspersonal
Die selbe Hoffnung teilt auch Hermann Kratt. Auf der Facebook-Seite des Kaufhauses bittet er die Kunden um Solidarität und Treue. Das Kaufhaus hat in seinem 100-jährigen Bestehen etliche Krisen überstanden. Dass Hermann Kratt als Erbe einmal ebenfalls in solch eine Situation geraten würde, daran habe er nicht geglaubt. „Ich kannte das Wort Kurzarbeit, aber dass ich sie je selbst für meine Mitarbeiter beantragen muss, das hätte ich mir nie vorstellen können“, sagt er.

Doch für die Verkäufer und Verkäuferinnen im Kaufhaus Kratt gibt es aktuell nichts zu tun. Hermann Kratt bietet einen Bestellservice über das Telefon an.
Kunden, die etwas benötigen, können sich beraten lassen und das Produkt ordern. Danach können sie es an der Tür beim Kratt abholen, größere Bestellungen könnte man im Raum Radolfzell auch liefern, sagt Hermann Kratt.
Händler haben Existenznot
Wichtig sei für den Kaufhausinhaber, dass seine Mitarbeiter versorgt seien. Er hoffe nur, dass das Verkaufsverbot nicht allzu lange andauere. „Hier geht es um Existenzen“, macht er deutlich. Die zugesagte Unterstützung vom Gesetzgeber sieht er kritisch. Es sei nicht klar, was man zu erwarten habe.
Auch finde er, der Handel müsse Zuschüsse bekommen und nicht nur Darlehen. Schließlich wisse man auch nicht, wie und wann das verloren Geld wieder erwirtschaftet werden könne.
Auch Dresscode-Besitzer Daniel Burger sieht diesen Punkt kritisch: „Diese Schließung wird langfristige Folgen haben, wir werden das bis zum Jahresende spüren.“ Da viele Arbeitnehmer von Kurzarbeit und Verdienstausfällen betroffen wären, schätzt er nicht, dass der Verkauf besonders anzieht, sobald er seinen Laden wieder öffnen darf.

Über einen bereits seit Jahren bestehenden Internetversandhandel verfügt der Fahrradhändler Zweirad Joos aus Radolfzell. Geschäftsführer Andreas Joos steht laut eigener Aussage noch immer etwas unter Schock, dass er sämtliche Filialen schließen musste. Nur noch die Werkstätten seien mit einem kleinen Team besetzt, um die Mobilität zu erhalten. „Aktuell möchte keiner öffentliche Verkehrsmittel nutzen“, sagt Joos.

Telefonisch sei für Kunden noch immer eine Fachberatung möglich, sagt der Fahrradhändler. Für Kunden aus der näheren Umgebung würden sogar die Lieferkosten entfallen. Alle anderen Mitarbeiter, die nicht im Verkauf tätig waren, fokussieren sich aktuell auf den Internethandel.
„Wir versuchen uns nun auf den Internethandel zu konzentrieren, was anders bleibt auch nicht übrig.“ Auch Joos hat Kurzarbeit anmelden müssen. Andreas Joos habe seinen Mitarbeiter – 100 Vollzeitangestellte und mehrere Minijobber – versichert, dass sie nicht ohne Lohn bleiben würden.
Mit Lieferdienst durch die Krise
In der Gastronomie sieht es ähnlich aus. Restaurants dürfen von 6 bis 18 Uhr geöffnet haben, doch so richtig möchte niemand essen gehen. Daniel Burger, ebenfalls Geschäftsführer des Lokals Steg 11 am Yachthafen wollte eigentlich gerade in die neue Saison starten.
„Wir haben erst ganz viele Leute eingestellt und nun dürfen wir nur begrenzt aufmachen“, schildert er das Problem. Wie die meisten Restaurants und Lokale bietet das Steg 11 einen Lieferdienst an. Diesen kann man bis 21 Uhr in Anspruch nehmen. So möchte Daniel Burger verhindern, seine Saisonkräfte wieder entlassen zu müssen.
Da Eisdielen laut Landesverordnung ebenfalls geschlossen haben müssen, kann auch das Radolfzeller Eiscafé Fernando nicht in die Saison starten. Als Café dürfen sie von 8 bis 18 Uhr geöffnet haben, sagt Inhaber Marco Martina.
Den notwendigen Abstand der Tische von mindestens 1,50 Meter würde man einhalten können. Und auch auf Eis müsse in Radolfzell zum Start des Frühlings niemand verzichten. Dieses soll es auf Bestellung geliefert werden.