Der Wunsch nach besseren Lebensbedingungen und das Aufbegehren gegen die Ausbeutung durch den Adel – das waren vor 500 Jahren die Beweggründe tausender Bauern zu gewalttätigen Aufständen. Diese führten in den Jahren 1524/1524 zu den Bauernkriegen. Es kam zu zahlreichen kriegerischen Gefechten, in denen mal die eine oder die andere Seite unterlag. Auch Radolfzell war Schauplatz dieser Auseinandersetzungen.
Im Hegau und der Umgebung organisierten sich die Bauern, die immerhin rund 80 Prozent der Bevölkerung stellten. Über die Zeit der Bauernkriege hat die Museumspädagogin und Historikerin Jacqueline Berl, die seit zwei Jahren im Stadtmuseum Radolfzell tätig ist, einen Vortrag vorbereitet, in dem sie die Erkenntnisse über die Ereignisse vor Ort zusammengefasst hat. Dabei legt sie Wert darauf zu erklären, dass sie selbst nicht geforscht habe. „Ich habe mich vor allem auf ein aktuelles Buch gestützt, das die Geschehnisse bei uns beleuchtet“, sagt sie.
Wenig Quellen über 10.000 aufständische Bauern
Über die Zeit sei nicht mehr allzu viel bekannt. Viel Wissen über die Ereignisse sei im Lauf der Zeit verloren gegangen oder man sei nicht sicher, wie hoch der Wahrheitsgehalt der Schilderungen ist. In Radolfzell und der näheren Umgebung hat es aber offenbar gesichert größere Verbände gegeben, die sich feindlich gegenüber standen. „Zeitweise waren über 10.000 aufständische Bauern um Radolfzell versammelt“, berichtet Jacqueline Berl.
Sie hatten sich zusammengefunden, um die Stadt zu belagern und anschließend einzunehmen. Radolfzell hatte zu dieser Zeit rund 1000 Einwohner und war durchaus wohlhabend. Als österreichische Landstadt war sie unter anderem durch Getreidehandel zu Wohlstand gelangt. Zudem durfte man für das Übersetzen von Personen und Gütern über den See Gebühren einfordern.
Die Hegauritter St. Jörgenschild hatten hier ihren Tagungsort und verwahrten in der Stadt ihre Reichtümer. Zudem war man seit der Reformation ein katholisches Zentrum. Die Adligen, reiche Bürger und katholische Kleriker hatten sich daher entsprechend vorbereitet: Die Stadtbefestigung war als Reaktion auf den Krieg mit den Schweizern errichtet worden.
Hegau-Bauern versuchen, Stadt einzunehmen
Wie die Historiker wissen, blieb es deshalb bei der Belagerung durch die Bauern. Im Mai und Juni 1525 versuchten Bauern aus dem Hegau, dem Schwarzwald und von der Höri, die Stadt zu erobern. Doch vor allem die guten Befestigungen der Stadt machten es ihnen unmöglich, ihr Ziel zu erreichen. „Die Stadtmauern haben für Radolfzell gewonnen“, erklärt die Museumspädagogin.
Während sie in Nachbarorten wie Allensbach, der Reichenau, Wallhausen, Dingelsdorf, Wollmatingen und Bodman erfolgreich waren, wurden sie bei der Schwedenschanze zwischen Stahringen und Güttingen in die Flucht geschlagen. Teile von ihnen versammelten sich am 2. Juli 1525 noch einmal, um mit hölzernen Kugeln und Bengeln in Richtung Radolfzell zu schießen, worauf sich die Bengeleschiesserzunft aus Böhringen beruft. Der Schwäbische Bund vertrieb die Bauern dann endgültig.
Radolfzell ging aus diesen Auseinandersetzungen sogar gestärkt hervor. Dass es als wehrhaftes Zentrum des katholischen Glaubens gesehen wurde, mehrte Macht und Wohlstand. So wurde unter anderem das bischöfliche Gericht nach Radolfzell verlegt und der Erzherzog von Österreich, der spätere Kaiser, belobigte die Treue zu Österreich, indem der Löwe auf dem Wappen goldene Krallen und eine goldene Krone bekam.